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Epiflrl an rinrn Uandwinth.

Hu klagst, o Freund, daß einsam und allein
'■%* Ans deinem Gut du an den. Tag gesessen,

Der froh gefeiert ward im ganzen Reich.

„In solchen Stunden", schreibst du, „möcht' auch ich
Mit vielen Hunderten von wacker» Deutschen
Im festlich hellen Saal den Becher leeren
Und kräftig stimmen in den Jnbelruf:

„Hoch Reich und Kaiser!" Schmerzlich fühl' ich wieder,
Wie gut ihr's doch in der Rcichshauptstadt habt!"

Darüber, lieber Freund, läßt sich wohl streiten.
Commcrse müssen ja gefeiert werden,

Und jedem gönn' ich's, der sich dran erfreut.

In jünger» Jahren Hab' ich, wie du weißt,

Das selber gründlich mitgemacht, und nie
War ich beim Aufbruch einer von den Ersten:

Allein verständiger wird allgemach
Der Mensch und lernt den Werth der Einsamkeit
Und Stille schätzen. Aengstlich halt' ich jetzt
Mich von Commcrsen fern; cs scheint mir auch,

Als sprächen heut zu Tag die Professoren
— Meist ist der Redner ein Professor doch —

Noch länger, als es früher Sitte ivar.

So fehlt' ich denn am letzten Samstag auch
Im fröhlichen Gedräng' der Festgenossen;

Wie du aus deinem Gut, so saß auch ich
Mit mir allein in meiner „stillen Ecke".

Im alten Theil der Stadt, nicht fern vom Schloß,
Liegt ein Hotel, in dem seit dreißig Jahren
Sich wenig nur verändert hat; gediegen
Jst's ausgestattet, frei vom Talmiprunk,

Der jetzt an Wand und Decke sich so breit macht.

Ein prächt'gcr Aufenthalt ist Abends dort
Der lange Speisesaal. Des Hauses Gäste
Bewegen, wie's des Provinziale» Pflicht,

Vergnüglich sich im Strudel der Rcichshauptstadt
Und kommen spät erst heim; nur selten sitzt
Hier oder dort ein stiller Gast beim Wein,

MchtS klingt im Saal als der discrete Schiitt
Des Oberkellners, der die Flaschen bringt.

Da nun als zuverlässig ich erprobt
Des alten Hauses Rhein- und Moselweine,

Sitz' ich zuweilen dort ein Abcndslündcheu,

Und weil ich meist allein im Saale bin,

So nenn' ich gern ihn meine „stille Ecke".

Dahin begab ich auch am Samstag mich
lind traf cs gut, kein andrer Gast war da:

Nur gegen elf erschien ein schmuckes Pärchen,

Das sichtlich auf der Hochzeitsreise war,

Doch zog cs bald nach oben sich zurück.

Still Hab' ich dort der großen Zeit gedacht,

Die Unvergängliches gebracht dem Bolk
Der Deutschen. Als die erste Flasche ich
Des schlichten reinen Moselweines anbrach,

Hob ich das volle Glas zum Bild emvor
Des alten Kaisers, der so ernst und mild
Und gütig von der Wand herniederblickt.

Gesegnet sei sein Angedenken! Wer
War würdiger als er, die stolze Reihe
Der Herrscher unserS neuen Reichs zu führend
Die zweite Flasche von derselbe» Sorte
Ward dem Gcdächtniß Moltkcs still geweiht
Die dritte ivählt' ans einem Jahrgang ich,

An den man gern noch denkt am Mosclstrand,

Und trank sic auf das Wohl des Mannes ans,
Der uns zu Reich und Kaiser hat vcrholscn.

Mit jedem Glase winkte ich hinüber
Zum Sachscnioaldc, wo der alte Recke
Die Lconidcnschwärmc der Depeschen
Geduldig auf sich nicderregnen ließ.

'Als diese Flasche leer war, schritt ich heim.
Zufrieden sehr mit meiner stillen Feier.

So sichst du, Freund, daß mitten in Berlin
Es Stätten gibt, Ivo ein llcrständ'ger Mann
Sich wohl mag fühlen in der Einsamkeit
Tn selber wirst das freudig mir bestät'gen,

Wenn wir einmal in meiner „stillen Ecke"

Beim Moselwein von frühem Tagen plaudern.

In meinem Gedicht „Die unüberwindliche Flotte" sagte ich einmal:
„Dir gegenüber steht sic da,

Glückscl'ge Insel — Herrscherin der Meere,

Dir drohen diese Gallioncnheere,

Großherzige Britannia."

Damals hielt ich Britannia für großherzig. Ich bin davon ab-
gckommen, und wenn neuerdings diese Dame den Präsidenten von Transvaal
ersucht hat, sich gegen die von ihm gefangenen englischen Strauchdiebe groß-
herzig zu zeigen, so, meine ich, will sic damit sagen, er möge sie nicht auf
englische Art behandeln. Ich könnte sogar so weit gehen, das „fliegende
Geschwader", bei dem sich ja auch viele wurmstichige und durchaus nicht
mehr wetterfeste Kasten besinde» sollen, mit der ehemaligen spanischen
Armada zu vergleichen. .

Friedrich non Schiller,
verstorbener deutscher Dichter.

Auf einem Festmahl hat kürzlich der englische Eolonialministcr Cham-
berlain damit geprahlt, daß Queensland drei Mal so groß wie das
deutsche Reich sei. Frcnetischcr Beifall belohnte ihn für diese geistreiche
Bemerkung.

Recht hatte Chamberlain mit dem, was er von Queensland sagte,
aber was wird damit bewiesen? Was nützt denn ein großer Kopf viel,
wenn nichts darin ist, oder ein großes Maul, wie Chamberlain selbst
es hat, wenn nur Dummheiten daraus hervorgchcn?

Das „Volk" wird, wie man erwartet, demnächst den Beweis dafür
bcibringcn, daß nicht der Elfer-Ausschuß der conservativen Partei dem
Hosprcdiger a. D. Stöcker den Stuhl vor die Thüre gesetzt, sondern daß
vielmehr der „thcure Gottcsmann" den Elfern sein Mandat vor die Füße
geworfen habe.

Auf einem Festmahl der Freisinnigen Vereinigung hat Herr Ludwig
Bambcrger, wie die Zeitungen berichten, in einem Trinkspruch auf den
Freiherr» von Stanfsenberg gesagt: „Wir können »ns über den Geist
der Zeit gar nicht beklagen, haben wir doch zwei Gcnugthuungcn crsahrcn,
nämlich daß ein Mann wie Fürst Bismarck dem Deutschen Reich anf-
gcstandcn ist, um es zu begründen — ohne ihn wäre cs schwerlich in
unfern Tagen zu Stande gekommen — und daß ein Kaiser da war, der
zur richtigen Zeit uns wieder von die,cm Fürsten befreite."

Gottlob, daß doch vorher noch Fürst Bismarck zur richtigen Zeit uns
von Herrn Ludwig Bambergcr und seinen Gesinnungsgenossen für
immer befreit hat!

Im Abgeordnctcnhause hat sich Dr. Bachem darüber beschwert, daß
es fünfundzwanzig Jahre gedauert habe, bis endlich einmal ein Katholik
Reichskanzler geworden sei.

Was hat denn die Confession mit dem Kanzleramt zu thun? Möge
Dr. Bachem sich ein Beispiel an den Juden nehmen. Diese leiden doch
sonst nicht an falscher Bescheidenheit, aber bis jetzt haben sie noch nicht
behauptet, daß endlich einmal auch einer von ihre» Leuten Reichskanzler
werden müsse.

Ahlwardt bleibt in Amerika; er muß sich aber einen andern Wirkungs-
kreis suchen. Natürlich hatte er bald heraus, daß die Inden, mit den
Aankecs verglichen, hervorragende Christen sind. In Folge dessen bleibt
ihm nichts anderes übrig, als zum Judenthum überzutreten. Die kurze,
aber schmerzliche Ceremonie wird, wie wir hören, in der nächsten Woche an
ihm vollzogen werden. Auf die Pathengcschenke hat er schon Vorschuß
genommen.
 
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