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Ab(p

Ms dem agrarischen Zukunttsssaat.

Ein wohliges Gefühl dehnte den Busen des Vaters Ploetz, die
Forderung feines Leiborgans, das, die Proviantämter den Producenten
auch miiiderwerthiges Getreide abzukaufen haben, war durchgedrungen.
Einige unverschämte Proviantmeisler und Jnlcndanturrälhe waren zur
Strecke gebracht worden, und die Landwirlhschaft ging herrlichen Tagen
entgegen.

„Der ausgewachsene Roggen, hundert Mispel, ist gestern an Jtzig
Mosessohn abgelieserl worden", meldete der eintrelende Verwalter.

„Schön, schön!" murmelte Vater Ploetz, „und wie steht's mit den
angefaulten Kartosseln?"

„Die hat Nathan nehmen müssen. Er Ihut es ja gern, da er sie
beim Proviantamt im nächsten Monat doch los wird." Der Jnspector
empsahl sich.

Die Post kam, und Vater Ploetz entnahm einem Briese eine» Wechsel
von Jtzig Mosessohn, zahlbar »ach Sicht.

Inzwischen war die neue Locomobile angekommen: cs zeigte sich aber,
daß sie nicht in Gang zu bringen war.

„Sonst ist sie ganz in Ordnung", versicherte der Monteur und
machte sich davon.

Vater Ploetz blieb ein Fluch im Halse stecken, da ihm eben mit«
gelheilt wurde, daß sämmtliche Pferde seines neuen Viererzuges mit dem
Dummkoller behaftet wäre». Außerdem nieldete der Bogt, die letzte
Sendung „Lcuteheringe" wäre im Zustande der Zersetzung angelangt.

Vater Ploetz ließ nach einigen Tagen anspannen und suhr zu seinem
Rechtsanwalt, um ihm die Fälle vorzutragen.

Dieser meinte achselzuckend, das neue Gesetz über den Verkauf minder- ■
werthiger Maaren habe leider eine kleine Lücke. Man hätte im Reichs-
tage vergessen, die Lieferungssähigkeit anderer minderwerthiger als land-
wirthschastlicher Produkte auszuschließen. Was war da zu Ihn»? Nun,
der Wechsel von Jtzig Mosessohn wird den Schaden decken.

Zu Hause angelangt, sand er ein Schreiben seines Sachwalters aus
Berlin vor, worin ihm mitgetheilt wurde, daß Mosessohn pleite und
der Wechsel gefälscht wäre.

„Entschuldigen Sie gütigst, Herr Baron", lautete ein billet-doux
Mosessohns, „wenn ich Ihnen geschickt habe ein Wechselchen, was nicht
ganz koscher war. Ihr Roggen war's auch nicht."

Moral: auch die Fabrication von minderwerthigen Gesetzen ist

schädlich.

Kurze Kreude.

„O Freude", ries die Tante Voß,

„Rust Albert, unser» Dichter,

Daß er besingt, wie Frieden schloß
Der Rickerl mit dem Richter.

Da stehn sie lächelnd Arm in Arm
Wie Brautleut' vor dem Pastor,
Versöhnt, beglückt und sonder Harm,

Ein Pollux und ein Castor."

Die Tante jpricht's, da ist im Streit
Aufs Neu das Paar zu schauen.

Mit Ingrimm und voll Hesligkeit
Beginnen sie zu hauen.

Das Blut von manchem Hieb und Stoß
Bald durch die Panzer sickert.

Der Richter schlägt aus Nickert los,
Aus Richter aber Nickert.

Verzweifelt rang die Tante Voß
Tie langen dürren Hände.

„O „Schwenzellessing", mein Genoß,
's ist wieder mal zu Ende!"

Sie wurde roth, sie wurde blaß,

Die arme alle Schachtel,

Ohnmächtig dann lag sie im Gras
Wie eine lobte Wachtel.

Der „Globe" dringt aus sofortiges Losschlagcn, falls Rußland nicht
Port Arthur ausgcbe. Und Rußland hat dies in der That nicht gethan,
vielmehr schickt es sich an, den Hasen zu befestigen. Die Drohung des
„Globe" wird nunmehr wahr gemacht werden, indem alles losgeschlagen
wird, was in England irgendwie an Waffen und Munition entbehrlich ist.

Ein interessanter Fass.

Wie schlecht begründet die noch in der letzten Zeit wieder Im
Abgeordnetenhause vorgebrachte» Klagen über die ungenügende Beleuchtung
der Eisenbahnwagen sind, beweist der Fall Kasulke, der Anlaß zur An-
strengung einiger interessanter Prozesse gegeben hat.

Kasulke ist Reisender für ein großes Weingeschäst und muß in
dieser Stellung natürlich Tag und Nacht unterwegs sein. Im Laufe
dieses Winters hat sich nun bei ihm ein Augenleiden bedenklichster Art
„usgebildet, das nach dem Ausspruch hervorragender Specialisten zu seiner
Heilung eine langwierige Behandlung ersordert, und Kasulke behauptet,
daß die einzige Ursache seiner Erkrankung in der übermäßig starke» und
grellen Beleuchtung der Coupes zu suchen sei. Nach seiner Versicherung
ist das Licht der dort verwandten Fettgasflammen so hell und stechend,
daß sogar bei geschlossenen Lider» die Augen davon in der empfindlichsten
Weise gereizt werden.

Die Krankenkasse, welcher Kasulke angehört, hat nun gegen die
Staatsminister Thielen und v. Miguel eine Klage auf Ersatz der Kur-
kosten anhängig gemacht, die jedensalls eine Summe von mehreren tausend
Mark erreichen werden. Außerdem hat auf den Antrag des Geschädigten
die Staatsanwallschajt gegen beide Herren die Klage wegen sahrlässiger
Körperverletzung erhoben. Im Falle seiner Erblindung oder der
dauernden Beeinträchtigung seines Sehvermögens ivill Kasulke von
beiden eine lebenslängliche Rente cinklagen.

Zu dem letzten Zivilprozeß wird es vielleicht nicht kommen, da
Miguel dem Vernehme» nach sich bemüht, seinen College» für eine güt-
liche Einigung mit dem Manne zu gewinnen. Die Anklage wegen Körper-
verletzung wird aber bestimmt das Gericht beschästige», und in juristischen
Kreisen sieht man dem Ausgange des interessanten Prozesses mit begreif-
licher Spannung entgegen.

Große Aöschiedsvcnefizvorltellung für Kerrn Mlwardt!

Neustes Zug- und Kasjenstück:

..Das (S.erümpcC von Körbe."

Frei bearbeitet nach den „Judenslintcn" von Trottel-Schaute.

Der Netter Deutschlands.Herr Ahlwardt.

Teilt, ei» harmloser Krieger. „ v. Goßler.

Barus . ..Richter.

Die Waffen sind aus der Fabrik von Ludwig Löwe, die Hosen des
Retters vonA. Wertheim geliefert; der Inhalt dieses Stücks rührt
von dem Beneficianten her.

Ort der Handlung: Die Stelle, wo Barus von Arminius ge-
schlagen wurde. Zeit: Anno Tobak: nähere Angaben darüber in den
mit Plakaten bezeichneten Cigarrcnhandlungen von Ahlwardt u. Comp.

Es findet nur diese eine Vorstellung statt, da Herr Ahlwardt sür
eine Tournee in der Provinz bereits seste Engagements angenommen hat.

Die An parteiische.

Aus Rom wird berichtet: „Um de» beide» einander gegenüberstehenden
Mächten gerecht zu werden, wird die Regierung den Panzerkreuzer „Bareje"
an Spanien und den „Garibaldi" an Nordamerika verlausen. Beide
Schisse gehören demselben Typ an."

„Nehmet hin!" sagt die freundliche Jtalia, indem sie das eine Schiss
dem Spanier, das andere dem Amerikaner überreicht. „Und ivcn» diese
beiden Schiffe in nächster Zeit einmal aus einander stoßen sollten, gebe der
Himmel jedem von euch beiden einen vollen Erfolg!"
 
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