Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Knackfuß, Hubert; Fredrich, Carl [Editor]; Wiegand, Theodor [Editor]
Milet: Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899 (Band 1,2): Das Rathaus von Milet — Berlin: Reimer, 1908

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45333#0082
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
94

70

Mit diesen beiden Kolossaldreifüßen aus Milet ist als nächste Analogie zusammenzustellen der sehr
zerstörte Miniaturdreifuß aus Pergamon, der Ath. Mitt. XXVII (1902) S. 91 abgebildet ist. Die
stabförmigen, längsgerieften Beine schließen oben mit einer Rosette ab. Zwischen ihnen sind unten am
Kesselrund formlos verstoßene Ansätze, in denen nach Ausweis der milesischen Dreifüße sicher die
Reste von Masken zu erkennen sind; darüber steigen die wiederum längsgerieften Henkelösen auf und
darüber sind an einer Stelle noch die schwachen Spuren des Ringhenkels zu sehen. Neben den Henkel-
ösen sind Reste von eingerollten Rankenendigungen deutlich, die gewiß mit dem Rankenwerk in Ver-
bindung standen, das aus breiten Akanthuskelchen über den Ansätzen der Beine aufsteigt. Mehr läßt
sich von diesem Ornament nicht sagen, da der ursprünglich zylindrische Aufsatz des Kessels fast
zur Form einer Halbkugel abgestoßen ist. Die Trennung dieses zylindrischen vom unteren becken-
förmigen Teil des Kessels, die in Milet durch einen kräftigen Rücksprung betont ist, wird an dem
kleinen Dreifuß durch einige umlaufende Streifen bezeichnet. Auf den Füllflächen zwischen den Beinen
steht, auf die drei Seiten verteilt die Weihinschrift Κράτιππος | Αντιγόνου | κατ’ εύχή[ν], die nach dem
Schriftcharakter gegen das Ende der Königszeit gesetzt wird.
Die ganz ungewöhnliche Form dieser Dreifüße wird verständlich unter Berücksichtigung der
bei Übertragung der Metallform in Marmor erwachsenden technischen Schwierigkeiten. Dargestellt sind
Dreifüße der üblichen Form mit hohen geraden Beinen, flachem gewölbten Kessel, aufrecht-
stehenden Ringhenkeln an hohen Ösen und auf den Ringhenkeln aufliegender Stephane, wie sie auf
den Abbildungen von Dreifüßen auf Vasen des 5. und 4. Jahrhunderts so häufig ist. Ein Marmorrelief,
das dieselben Elemente und dazu noch eine Mittelstütze unter dem Kessel zeigt, aus dem athenischen
Dionysostheater ist Jahreshefte des Österreichischen Instituts II (1899) 268 fig. 144 abgebildet. Auf den
in Rundplastik ausgeführten Dreifüßen ist nicht nur der Standfestigkeit wegen der Raum zwischen den
Beinen ausgefüllt geblieben und mit ausgeschweiften Seiten begrenzt, um so wenigstens einigermaßen
die Beine noch aus der Masse hervortreten zu lassen, sondern es mußte auch der Raum zwischen Kessel
und Stephane innerhalb der Ringhenkel massiv bleiben; so entstand hier ein Zylinder, an den die Ring-
henkel sich anlegen und der wie ein Teil des Kessels erscheint, dies aber keineswegs ist. Dieser Zylinder
ist mit Ornament geschmückt und vielleicht darf aus dem fehlenden organischen Zusammenhang zwischen
Kessel und Zylinder erklärt werden, daß das Rankenornament des Zylinders auf den milesischen Dreifüßen
nicht aus dem Akanthuskelch entspringt, der am Kessel den Ansatz der Beine krönt, sondern aus einem
eigenen zweiten Kelch, der am Zylinder frei über dem andern angebracht ist. Daß dieser Rankenschmuck
der Füllmasse für den Gesamteindruck mehr in die Augen springt als die dazwischen in ziemlich flachem
Relief angebrachten Ringhenkel kann bei der äußerlich dekorativen Ausführung des Ganzen nicht befremden.
Die geringe Qualität der Auffassung und Arbeit kann nach dem, was die Waffenreliefs vom
Propylon gelehrt haben, auch kaum mehr als Beweis für späte Entstehung der milesischen Dreifüße
geltend gemacht werden; vielmehr spricht alles dafür, daß diese eigentümliche und wenig glückliche
Art, die bei der Marmorausführung entstehenden Schwierigkeiten zu lösen, einem engbegrenzten Zeit-
raum angehöre, daß also die milesischen Dreifüße ungefähr aus derselben Zeit stammen wie der kleine
pergamenische, den seine Inschrift ins 2. Jahrhundert v. Chr. zu setzen nötigt. Ein anderes Analogon
späthellenistischer Zeit bieten die Marmorthrone im Pheater zu Priene, wo die Übertragung aus der Holz-
form in Stein ebensowenig glückte. Die Aufstellung in ziemlicher Höhe im Innenraum in Ecken, in denen
gerade der obere Teil der Dreifüße nur gegen das durch die benachbarten Fenster einfallende Licht
gesehen werden konnte, mag die sorglose Art der Steinmetzarbeit kaum bemerkbar gemacht haben.
 
Annotationen