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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1866 (Nr. 251-261)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1825#0007
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durch den Nutzni, den es ihnen bringt, ihren Dank und ihre Bewunderung sich
erworben hat, vcrmisien wir unter den Bildern.

Auch dei den Aegyptiern findcn wir den PolykheismuSi und ncben den
Gestirnen sind es hauptjüchlich wiederuin die Thierc, welchen göttliche Verehrung
zu Theil wird. Ihnen crbauen sic Tempel, und besondere Priefter sind zu ihrer
Bedienung und Pflegc bestimmt. Ich crinnere hier nur an die itrokodilc, vor
Altciii jcdoch an den schwarzcn «ticr, dcn Gott Apis, dessen Ausfindung jcdes
S Mal cin Frcudcnscst sür das ganze Volk war.

Gchcn wir über zu den Gricchcn und Römern, so zeigt sich ihr Götter-
§ cultus jchon viel reincr und idecller, mchr entsprcchend ihrer hohen Bildungs-
A stuse. Von eincr Vergötterung der Thiere findet sich keine Spur mchr, sie be-
'P völkcrn ihrcn Olymp mit menschlich gedachten, nur mit hoher Gewalt ausge-
5 rüsteten Gotthciten, Verkörpcrungen theils dcr gewaltigen Naturerscheinungen,
theils der Leidenjchastcn des iiieiiichlichen Hcrzens. Glcichwohl haben auch bei
ii-i ihnen die einzelncn Göltcr ihre hesonderen ihnen dienendcn und geheiligten
8 Thiere, welche vielsach nur Symbole der Haupteigenschast des betreffenden Gottes
fi»d; jo ist Jupiter der Adlcr heilig, Jupiter dem Beherrscher des Olymp, dem
s vbersten der hiiiimlijchkii Niöchte, dcr Künig im Reiche der Vögel, welcher am
höchsten und kühnsten seinen Flug richtet; Nimerva vient die Eule, das Thier
dcr Nackt, als Sinnbild der Gelchrsamkeit und des Fleißes.

Ganz ähnlich hatte sich das krüstige Volk der deutschen Wäldcr seine Götter
gebildet; auch hier ist Wodan der Donncrer, Thor der Schlachtengott, u. s. w.

, ünd jeder hat sein besonderes ihm geheiligtes Thier, welches jeinen Willen
? kund thut.

Bei diescr iniiercn Naturanlage des Menschen konnte auch dem Christen-
- thum die symbolische Verivendung der Thiere nicht fremd blciben, und wirklich
, finden wir fie in Lprache und Bild, aus die mannigsachste Weise ausgebildet,
überall wieder.

Sie hat ihre Grundlage in der h. Schrist des alten Teftamciites, deren
si Sprache mit allcr Farbenfrische und Bilderschönheit, mit allem Phantasiereich-
! thum des Orients ausgestattet ist. Und da nun das Judenthum hie Bafis sür
! das Christeiithum bildete, da seine Schristen auch bei den Christen in hohcm
Ansehen standen, so ist es leicht bcgreislich, daß die Symbolik sich nicht vcrlor,
sondern vielmchr mit Vorliebe und Adsicht gepflegt wurde, um so mehr, als
eine ehrsurchtsvolle Scheu und die Furcht vor Entweihung des Heiligsten durch
, di« Hciden davon abhielt, zu offen von Christus und bcjonders den h. Sacra-
menten zu reden. Wc vielsach jedoch auch sür audere Verhaltnifse die Bildcr-
sprache gebraucht wurde, davon gibt uns wohl am bcsten die geheime Lffcn-
barung des h. Jobannes Zeugniß und sast nicht mindcr die Schriften der h.
Kirchenvüter, welcbe vielfach, sei es nun in Beziehung aus Christus und Scine
Kirche, oder auf dic Fehler und Verirrniigen der Menschen m den verschiedcnsten,
unserer heutigen Aussaffungsweise ost schwer verständlichen Bildern reden. So
sehen wir in der crgreifendstcn Weise Christus in Seinem Leiden als Lamm
Gottes, welckies ohnc iklage sein Blut vergießt, dargcstellt; oder soll die Licbe
des Herrn zu den Menschen ausgedrückt werden, wie er sich selbst uns zur
Speffe hinterläßt, so wühlen die ersten Chrislen das Bild des Pelikan, welcher
nacb dcr Sage mit seinem Blute seine Jungen nührt. Geläufig sind uns auch
mehrere Symbole, z. B. sür den h. Geist die Taube, für den Evangelisten
Marcus der Löwe, für Lucas das Rind, sür Johamies den Adler und so sort.

Naturgemäß übertrng sich die Symbolik, besouders der Thierwelt, auch aus
die Bildnerei und wurde hier mit dem besten Ersolge verwerthet; so braucht
man z. B. nur die Glasgcmälde und Schnitzereien in unscren alten Kirchen an-
zuschauen, um sofort die Wahrhcit dieses Satzes bestätigt zu sehen.

Was endlich die Baukimst betrifft, so siiiden auch hier die Thiergestalten
ihren Platz; sie sind besonders an deu Außenseiten unjerer gothischen Kirchen
verwendct, und zwar an den Gürteln imter dem Einsatz dcr Strebebogen in den
verschicdcnsten Formen als Wafferspeier.

Der leitende Grundgcdanke hierbei scheint der gewesen zu sein, das Unrecht,
zu de« während der langen Zeit des Heidenthums die Ratur so vielfach miß-
bcascht worden ist, gewiffer Maben zu sühnen und sie ihrer wahrrn Bestim-
mung, zum Lobe des Herrn beizutragcn, zurückzugcben.

Wenn sich dasür, daß die gothische Baukunst die Pfeiler gleich himmelan-
strebenden Bäumeii ihre Aeste zu den Gewölben vereinen läßt, daß sie die
Capitäle mit dem reichen, so meisterhaft ausgeführten Blättcrwerk schmückt und
aus die höchste -pitze die Krcuzblume pflanzt, kein anderer Grimd als der an-
gegebcne ansühren läßt, so wird dasselbe auch in nnserem Falle zutrcffen und
die Erinnerung an die Worte des Psalmcs: „Lobet den Herrn alle Thiere" auf
unsere Vorsahren so mächtig gcwirkt haben, daß sie i» der obcn besprochcnen
Weise die Thiere verwcndeten; auch sie sollen dem Herrn und dcr Herrlichkeit
Seines Hauses dienen, so weit es in ihren Krästen steht. Aus dieser An-
schauungsweise ging natürlich hervor, daß kein Thier ausgeschloffen sein dürfte,
imd so sehen wir Hausthiere und die wilden Thiere zu demselden Zwecke ge-
braucht; sreilich sind sie seltcn naturgetreu wiedergegeben, und gewöhnlich finden
wir neben diesen die mcrkwürdigsten Fratzen, bei deren genauerer Betrachtung
jcdwede systematische Eintheilung des gesammten Thierreiches uns rathlos im
Stiche läßt.

Dies dars uns jedoch nicht Wunder nehmen, und überhaupt müffen wir,
wenn wir die Thicrgestalten cmiger Maßen verstehen wollen, uns zurückversctzen
in die schöne Zeit, wo di« dustigen, phantafiereichen Märchen von guten und,
bösen Geister», von Gnomcn «id Riesen, v»n Drachen ii»d jonfligcn Unge-
thümen dem Volke in Erzählung und Lied noch so geläufig waren. Dieie Ge-
bilde der Phantasie übcrtrugen nun unsere Vorfahren auch in die Baukunst, und
so erklären fich die Gestalten, wie z. B. der Menschen, welchc das Auge auf dcr
lKrust haben, oder der Ungethüme, welche mit dcm Haupte des Menschen den
Leib des Roffes und deu Schwanz der Lchlange vereinigcn u. s. w.

Neben dieser Bcdeutiing, als Thiere zum Lobe des Herrn beizutragm,
dürfte diejen srahenhasten, manchmal den Beobachtcr furchtbar angrinscnden Ge-
stallen doch anch wohl dcr Charakter des Tämonischen nicht ganz abzusprcchen
jem. Sie sind in der Höhe gleichsam angeschmiedct und müffen dort gezwungen,
gegen ihrcn Willen dem Herrn ihre Dienste leistcn und so durch das Bild ein
lautredendes Zeugniß aeben, daß Er Allein der Mächtige ist, den schließlich doeh
Alles verhcrrlichen muß, sei es nun durch Hciligkeit und Tankbarkeit für Seine
Güte oder, wie die Tämonen, geknechtrt untrrLeiner Stärke imd in ohnmäch-
tigcr Wuth. Sieht man sie so an dcn äußersten Kanten hervorspringen, man
sollte glauben, fie wollten sich hinabstürzen dem Wafferstrahle nach, den sie in
die Tiese speien; doch eine höhere Macht icheint fie zu halten, damit sie dem
frommen Äejchauer zur warnendm Lchre dicnen.

Welche hcrrllche Symbolik ergkbt fich nach diescn kurzcn Arideulungen selbst
sür diese Fratzen, rind wic harmonisch passen sie zu dem ganzen Bau! Der
Dom im Ganzcn ist ja nur Symbol des siegcndcn Christcnthums, und so müffer»
denn auch alle Thcile sich diesem Gedanken unterordnen und selbst sein, was
das Ganze ist, Symbolc.

Fürwahr, Commilitonen, ein gothischer Dom ist ein würdiger Gegenstand
sür unsere jugendlich srische Begei'tcrung. Hat aber crst dic Begeisterung unsere
Herzen durchdrungen, daiin werden die Mittcl und Wcge uichl fedlen, unsercn
kölner Doni, welcher mit Recht ein Meisterwerk dcr deutscheu Baukunst genannk
wird, bald jeiner Vollendung entgegcnzuführen. Halten wir sesl an dcm alten.
Wahlspruchc: „Eintracht, Ausdaucr!"

Hierauf nahm der Herr Dombaumeister Voigtel das Wort, um über die
nericsten Fortschritte beim Tombau zu bcrichtcn und der Versammlunq die srohe
Aussicht zu cröffnen, bereits im Jahre 1868 beide To'mthürme auf gleiche Höhe
gebracht zu sehen.

Nach den eingehenden und mit allseitigem Jntereffe ausgcnommenen Mst-
theilungcn dcs Herrn Toinbaumeisters hiclt Herr Proseffor 1)r. Neuhaeuser
eine Rede über die geistigen Elemente, denen die gothische Bauform im
Gegensatze zu der romanischcn ihren Ilrsprung vcrdanke und von denen chr ästhe-
tischer Charattcr bedingt sei. Tie gothischc Bausorm — so sührte der Rediier
aus — kann keine Nachbildung der Wirklichkcit sein, die nicht einmal das min-
deste Motiv für dieselbe darbietet. Wie in jeder echten Kunst Elemente sich
findcn, die in keiner sinnlichen Anschauung angctroffen werden, so ist dieses iu
ganz vorzüglicher Weise in der gothischcn Baukunst der Fall. Auch aus der
Thatsache der Entwicklung dcr Architektur rcin für sich bctrachtet, lüßt fich
diese ncue Form nicht bcgreifen. Tenn weder sührt cine vorhandene Bausorm
selbst über fich hinaus zu cincr neuen und höheren, weil sie nicht, gleich den
organischen Gebilden der Natur, ein immanentes Lebensprincip enthäll, noch
kann sie in einem Geiste die Anschauung ciner neuen Form erzeugen, weil fie
nur ihr eigenes und nicht ein anderes Bild im Geiste hcrvorrust. Eben s»
wenig kann das Gesetz des Materials der Grund der neuen Form sein. Denn
das Material ist gegcn jede Form vüllig gleichgültig; nur unter der Voraus-
setzung einer bestimmten Form, welche hervorgebracht werden soll, muß dec
Architekt die natllrlichen Gesetze dcs Matcrials in Betracht zichen. Wmn in
dem gothischen Bau sedes Glied in Bezug auf Form und Stellung iui Ganzen
nothwendig ift, wie mit Rccht behauptel wird, so ist doch diese Nothwcudig-
keit nur eine hypothetisck e; fie cxistirt nur, in so fern diese Form existircn
soll und wird allein von ihr bestimmt. Diese Form ist also das Frühere, von
dcm alles Andere bedingt ist; und deßhalb ist die Ouelle, woraus diese Form
hcrvorgegangcn ist, die wahre Ouelle der gothischen Baukunst sclbst. Ta dicse
Ouelle nun keine außer dem Gciste liegende ist, so müffen im Geiste selbst die
Elemente, die Keime gcsucht wcrden, aus dem dcr gothischc Dom hervorgesprungen
ist. Um nun diese Elemenlc in ihrcr gaiizcn Klarheit und Bestimmtheit hcr-
vortreten zu lassen, wurdc dcr romanische Tom, dcr dem gothischen unmittelbar
vorherging und durch ihn verdrüngt wurde, dcr Bettachtiing vorgeführt. Nach-
dem derselbe in seinen wescntlichen und charakteristischcn Elementen vor dic An-
schauung hingestcllt war, crgab sich sein Grundcharakter, in so sern dicser, ab-
gesehen von alleni anderen Beiwerk, einzig und allein in der architektonischcn
Construction beruht, im Verhältniß zum gothischen Tempel dahin, daß
er den Standpunct des noch iinüberwundciien Sinnlichen repräsentire, in
welchem die Materie noch ihre eigene Macht zur Geltung bringt, in welchem
die geistige Freiheit noch nicht zur vollen Hcrrschast gekommen ist, in welchem
das volle Himmelslicht, das Geheimniß des Güttlichen deni Gciste noch äußer-
lich, ein Gegenstand des bloßen ctrebens, der scheuen, furchtvollen Anbetung ge»
blieden, nicht aber zu einer inuerlich belebendcn u»d bescligenden Niacht, zum
innersten Lebensprincip geworden ist. Diesem Grundcharakter dcs romoiiiicheu
Tomes gegenüber, der aber, wie gesagt, nur im Verhältniß zum gothischen,
also rclativ, aufgefaßt wcrden sollte, wurdcn die geistigen Stimmungen und
Regungen, die innersten Lebcnselemente vorgesührt, welche zur Zeit deS Un'prungs
der gothischen Architektur die Gemüther beherrschten, die Richtung dcs Handelns
und Tenkens bestimmten und sich in großartigen politischen Untcrnchmungen, in
religiösen Jnstitutionen und thcoretisch in der jetzt entstehenden niystischen Philo-
sophie offenbarten. Der Jnhalt der Religion wac eine Krast des Geistes selbst
geworden, eine sprudclndc Ouelle, ein treibendes Princip des inncrsten Lebens.
Er erzeugte in der Seele dcn Trang, aus der sinnlichen Schranke hinaus zu
dem Göttlichen, zu dem Raum- und Zeitlosen, zu deni Unendlichen; er erzeugte
die innere Gluth der Andacht, welche hinstrebt zur Vereinigung mit ihrem
Gegenstande, welche diese ideale Vercinigung sclbst ist und in ihrer beseligcnden
Jntensität alles Anderc »ebcn sich austilgt. — Turch ein liescres Eingehcn aus
die Gesetze der Symbolik, wonach die Phantasie das innere Leben der Seele ;u
anschaulichcn Bildern gestaltet, und durch die Vorstihrung einer Mcnge ver-
wandter Beijpiele aus dcui ganzen Gebiete der Kunst und namentlich dcr Sprache
wurde nun dargethan, daß die angegebenen geistigen Stimmungen und Rcgungen
die wahre Ouellc der gothischen Bausorm seicn und dieselbe bcinahe mit Noth-
wendigkeit im Geiste hätten erzeugen müsten. Zum Beweije wurde der gothische
Tom selbst, sowohl in jeinem architektonischcn Grundcharakter, dem Spitzbogen,
als auch in seinen einzelnen Constructionselcmenten und in der Anordnung des
Ganzen, vorgcsührt und gezeigt, wie Alles der vollkomnienste Ausdruck, das
adäquate Symbol jener Grundittmmungen in architektonijcher Form sei. Das-
selbe werde endlich bewiesen durch die ästhetische Wirkung auf das Gcmüth,
welche in der Erregung jener Stimmuugen bestehe; dnin wcnn in der Wirkung
sich der Grund offenbare, so müßten die angegebcnen Ltimmungen undRegungen
die eigentlich« Ouelle dcr gothischen Bausorm sein.

Unterdeffen hatte die Ergänzungswahl des Vorstandes Statt gefunden. Sie
sicl auf die Herren: Le Blanc, ßtuck. weck.; Euler, 8tuck. iur.; Gorius,
8tuä. iur.; HoestermanII, 8tuck. ineä.; Jüngling, 8tuck. tdeol.; Keller-
hoff, 8tuck. iur.; Klesfner, 8tuck. tdeol.; Olbertz, 8tnck. lueck.; Vilatte»
8tuck. iur.

Nachdcm der Ehren-Secretär, Herr Prosessor I)r. Floß, das Resultat der
Wahl verkündet hatte, dankte der Ehren-Präsident im Namen des Voritandes
den Rednern und insbesondere auch dem Hcrrn Dombaumeisler Voigtel für seina
intereffanten Mittheilungen und schloß gegen 4 Uhr die Versammlung.
 
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