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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1866 (Nr. 251-261)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1825#0023
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die verschiedenste» Dölker und Zeiten in der verschiedensten Weise emer und der-
selben Religion ihre Kunstwerke gleichsam als Opfer dargebracht haben. Was
religiös ist in der Gothik und den christlichen Geist in ihr zum Ausdrucke bringt,
das ist das unwandelbare Streben nach Wahrheit, welches sich auch in den
kleinsten Dingen kundgibt, der Ernst und die Keuschheit, welche das Reich ihrer
Formen durchziehen und sodann die Großartigkeit und Fülle der Kunstwerke an
und für sich, welche denl Dienste des Allerhöchsten geweiht wurden. Wenn in
der Kunst Großcs geleistet werden soll, muß ein opferwilliger Geist in ganzen
Corporationen herrschen; es muß nicht jede jelbstständig hervortreten wollen,
sondern dcm Ganzen sich unteroroncn. In Folge diescr Erjcheinung, welche wir
in der Kuust des Rlittelalters wahrnehmen, zeigt die daii'alige Kunst eine Ent-
wicklung, wie sie bisher nicht dagewcsen. Iu dieser Ausfassung der Behandlung
des Ganzcn liegt das Entscheidende, dsßhalb will der Reduer auch die Ausdrücke
„abstracte rcligiöse Knnst" und „abstracte profane Kunst" nicht gelten lassen.
Es gibt wedcr die eine, noch die andere. Die abstracten Formen find für beide
die gleichen, der Unterschied liegt nicht in den einzelnsn Elementen dsr Kunst,
sondern in dem Geiste und in der Art und Weise, wie dieselben zu einem Ganzen
vereinigt sind.

H. Nachdeni der Sprecher iu der ersten Vorlesung (abstrahirend von allen
socialen und politischen Verhältnifsen, lediglich auf die inneren Momente gestützt)
nachgewiesen hatte, wic die Kunst des Mittelalters im Geiste des Volkes
wurzelte und wie sie sich zur Kunst der antiken Welt verhalten, ging er im
zweiten Vortrage zur Beantwortung der Frage über, wer denn die Träger
jener Kunst gewesen seien?

Gemeiniglich bezeichnet man das 14. Jahrhundert als die Periode der
Gothik. Jn dieser Zeit hat allerdings die Kunst deS Mittelalters wohl ihre
höchjte Entwicklung, ihren Culminationspunct erreicht; die Periode der Gothik
besprechend, müssen wir aber weiter zurückgehen, bis zu den ersten Stusen ihrer
Ausbiloung aus dem Romanismus.

Der Romanismus ist bekanntlich auf dem Gebiete der kirchlichen Kunst aus
Jtalien zu uns herübergekommen. Neben den Zügen Karl's des Großen sind
die Wege des Handels die Wege der Kunst gewesen; in den großen Handels-
städten find auch die meisten romanischen Kunstbauten zu finden.

Eine so großartige Entwicklung der romanischen Kunst aus fremdem Boden
hätte nicht geschehen können ohne die kirchlichen Orden, welche sich der Kunst-
thätigkeit mit aller Kraft angenommen haben und einem einzigen großen Ziele
zustrebten. Wie die Architektur, wurdeu auch ihre Schwesterküuste, die Malerei
und Bildnerei, in den Klüstern gepflegt und entwickelt, und ihre Leistungen waren
um io eigenthümlicher, als die Empfindung des Künstlers bei diesen Kunst-
zweitzsn viel directer auf die Werke maßgebend einwirkt. Während daher die
Architektur des Mittelalters im Anschlusse an die Kunstweise vergangener Jahr-
hunderte, aber mehr selbstständig sich entwickelte, haben die Ächwesterkünste,
Malerei und Bildnerei, lediglich in den religiüsen Jdeen ihre Anregung gefun-
den. Aus diese Momente, wclche auf die Entstehung der Kunstwerke des Mit-
telalters maßgebend eingewirkt haben, muß bei der Beurtheiluug der Kunstwerke
jener Zeit Rücksicht genommen werden. Jeder, der einmal die geweihten
Maueru eines Klosters aus jener Zeit betreten, wird ergriffeu von dem eigen-
thümlichen Geiste, der dort geherrscht; das Denken und Fühlen dieser Leute
concentrirte sich in dem Streben, Alles zu thun und zu vollbringen, zur
Ehre Gottes.

Jn dieser Weise ging aus den Elementen der alten Kunst der einhcitliche
Gedanke der Kunst des 14. Jahrhunderts hervor.

Während früher jeder Orden unter seinen Mitgliedern für jede Richtung
künstlerischer Thätigkeit die nöthigen Kräste zählte, war jetzt nicht mehr daran
zu denken, Alles durch die Genossenschast des Klosters zu leisten; es mußten
Laien beigezogen werden; die Kunst mußte eindringen in das Leben, sie mußte
immer weitere Kreise ergreifen und durchdringen. Dieser Uebergang ersolgte
so unmerklich, daß die ganze strenge Eintheilnng des Klosterlebens unwillkürlich
auf das Leben der Kunst überging. Auch im bürgerlichen Leben entstandm
Brüderschaften (Zünste) von Gcnossen desselben Berufszweiges.

Die Zünste des 14. Jahrhunderts waren von dem Gedanken getragen,
daß nur Eintracht stark macht; in ibnen beruhte die Macht des Bürgerthums
und unter ihrem kräftigen Schutze erblühten Künste und Wiffenschaften. Ieder
freie Mann einer freien Stadt mußte einer Zunft angehören, selbft die Ritter
waren in Zünste vereinigt.

Jn dem Augenblicke, wo die einzelnen Zweige der Kunstrichtungen aus-
hörten, unter einheitlicher Leitung zu stehen, wurden unwillkürlich andere Ein-
flüsse wahmehmbar, welche den inneren Zujammenhang der einzelnen Zweige
auflösten. Jn ihrem Höhepuncte wird die Kunst des Mittelalters beherrscht
von einem einheitlichen Gedanken, und sie kennt ksine Widersprüche der ein-
zelnen Zweige. Von da ab wuchs allerdings noch die technische Vollendung
(namentlich in der Kunst dex Goldschmiede, im Steinmetzhandwerk u. s. w.),
allein der einheitliche Gedanke und die einheitliche Wirkung ging allmählich
verloren.

Jn diesem Umstande liegt ein Fingerzeig für alle Zeit, wie es mit der Be-
handlung der Kleinkunst zu halten ist; es ist Pflicht der hohen Kunst, dic Klein-
künste im innigsten Zusammenhange mit sich zu erhalten, weil sonst der Ge-
danke der Kunst darüber verloren geht. Ein besonderes Jnteresse gewähren
die Jnstructionen der Zünste jener Zeit, deren Entstehung nach der Meinung
des Sprechers über das 14. Jahrhundert nicht zurückreicht, und die geographische
Eintheilung Deutschlands hinsichtlich des Bauhandwerks in vier große Gruppen,
welchen die Bauhütten von Straßburg, Köln, Zürich, und Wien vorstanden.
Der Großmeister der straßburger Bauhütte war der oberste Baumeister in ganz
Deutschland. Durch Sendboten der vier Bauhütten (wandernde Meister und
Gesellen) wurde der geistige Zusammenhang unter denselben hergestellt. Diese
Hütten wurden nach ungeschriebenen Gesetzen verwaltet, jede hatte ihre Beson-
derheiten. Jeder Baumeister hatte sein besonderes Werkzeichen, zur Erkennung
der Person und der Arbeiten; nie bedienten sich zwei Baumeister oder Stein-
mehen desselben Zeichens; der Annahme desselben mußte eine strenge Prüfung
vorangehen.

Besonders charakteristisch für jene Zeit, in welcher die Kunst überging aus
dem Leben der Klöster in das bürgerliche Leben, ist die Art und Weise, wie die
Gebäude damals mit Malerei versehen wurden.

Wenn wir mit diesen Leistungen die so üppige Durchführung der Malerei
in der Antike vergleichen, so zeigt sich ein außerordentlicher Contrast.

Der Malerei des M ttelalters fehlt wesentlich jene Beweglichkeit des Colorits,

und find die Gemälde, namentlich des stüheren Mittelalters, mehr als colorirte
Zeichnungen denn als vollkommene Bilder zu betrachten.

Einen großen Einfluß auf die Entwicklung der Wandmalerei übte indeffen
auch das Austreten der Glasgemälde, und wir finden, daß in dem Maße, als
die Glasmalerei an Ausdehnung nnd Bedeutung gewann, die Bemalung der
Wandflächen im Jnnern vernachlässigt wurde, bis sie sich zuletzt nur noch auf
Altargemälde und decorative Malcrei an einzelnen Baugliedern beschränkke.

Die Blüthezeit der miüelalterlichen Wandnialerei ist dahcr in der vorgothi-
schen Epoche zu suchen. Die Sculptur dcs Mittelalters ko.inle ebenf. lls in ge-
wisser Hinsicht nicht zu jener Höhe der Entwicklung gelangen, wie die
der Griechen.

Die Bedin ungen ihrer Anwendung, die Grundsätze des Christenthums,
klimatische und andere Verhältniffe gaben ihr jene mehr ascetische Richtung,
welche unläugbar, wenn auch ihrerjeits vollkommen berechtigt, einer formellen
similichen Entwicklung hindernd in den Wsg trat.

Die Leistungen des Miltelalters auf dem Gebiete der Malerei und Plastik,
wenn sie auch in Bezug auf lichtige Körperzeichnungen u. s. w. nicht allen An-
forderungen genügen, sind doch in hohem Grade bsachtenswerth. Es geht ein
Hauch von Jnnigkeit und Adel durch die oft schwach gezeichneten Werke, der
bis dahin in der Sculptur und Malerei nicht zum Ausdruck gelangt war. Was
aber die Hauptsache ist, sie bildeten mit der Architektur ein harmonisches
Ganzes.

Vianchs Kllnstwerke aus dieser Zeit, wic die goldene Psorte in Freiburg,
die Figuren des Münsters zu Straßburg und der Liebfrauenkirchs zu Trier
treten weit hervor aus dem Rahmen ihrer Zeit und gehören mit zu dem
Schönsten, was die Menschheit je aus dem Gebiete der Kunst gejchaffen hat.

Am Schluffe des Mittelalters lösten sich Architektur, Malerei und Plastik in
ihre Atome auf, um eine neue Richtung einzuschlagen.

III. Jn der dritten und letzten Borlesung kam der Redner auf diejenigen
Gewerbe, welche der Baukunst (Steinmetzkunst) als Ergänzung und Schluß gedient
haben, und auf die sogenannten Kleinkünste zu jprechen.

Jn die ersteGrappe gehören die Holzschnitzer, jmenämlich, derenWerke
— im Gegensatz zur freien Bildhauerkunst — an die Monumente felbst geseffelt
sind. Die Hauptarbeiten dieser Holzschnitzer sind die Altäre, kirchlichen Möbel
und Chorstühle. Wenn man die >etzigen Verhältnisse der Kunitgewerbe und die
jetzigen Hülfsmittel überblickt gegenüber der damaligen Zeit, so muß man über
die Menge der angsfertigten Kunstwerke staunen. Man kommt zu dem Schluffe,
es müssen eigenthümliche Verhältniffe bestanden haben, welche dieje Leistunqen
ermöglichten. Wie die Steinmetzen, waren auch die Holzschnitzer in Genoffen-
schaften organisirt, welche allerorts derartige Kunstwerke ausgeführt haben. Aus
diesen Genossenschaften, deren Entstehung wicder auf die Klöster zurückzuführen
ist, sind «inzelne ausgezeichnete Künstler und viele tüchiige Meister hcrvorgegangen.
Sie haben im 14. Jahrhundert wunderbar zarte Werke geschaffen; nach dem Ein-
dringen der s. g. Renaissance versanken sie immer mehr in rein gewerblichen
Leistungen. AUgemein zeigt sich die Erscheinung, daß diese Kunsthandwerker die
Arbeiten der Architekten als Vorbild nahmen, nach der Natur ihres Materials
aber in der Turchbildung der Formen vicl weiter gingen, als die Architekten.
Je länger diese Uebung fortgesetzt wurde, desto mehr arteten diesc Formen aus,
bis man endlich zu gewiindenen Fialen und dergleichen Dingen gelangte: Leistungen,
die verwerflich wären, wenn fie nicht oft doch große Kunstfertigkeit und Talent
verriethen. Dieselbe Erscheinung, wie bei der Einrichtung der Kirchen, zeigt sich
auch im bürgerlichen Leben; die einfachen, klaren Formen, denen wir Anfangs
begegnen, steigen immer mehr ins Manierirte und verfallen endlich in Uebertrei-
bung und Caricatur.

Ein im Mittelalter durch außerordentliche Leistungen hervorragendes Ge-
werbe istserner das der Schmiede und Schlosser; es zeigte sichda dermäch-
tige Einfluß der Handarbeit auf die künstlerische Durchbildung dcr Erzeugniffe.

Die Bildung der Beschläge, die Construction der Gttter und die sogsn.innten
durchgesteckten Gitter ersorderten eine außerordentliche Technik. Ein weiterer er-
heblicher Zweig der Thätigkeit der Schmiede und Schloffer waren die Wimpel
und Dachverziernngen der .Häuser, wovon noch manche wunderbare Zeugniffe
erhalten sind. Jn gleicher Weife hat sich an den Gehäusen der Brunnen und
manchen anderen Dingen die Schlosserei als Kunsthandwerk manifestirt. Meist
sind auch diese Arbeiten im Anschluffe an die Architekturwerke und ost in Nach-
ahmung derselben erfolgt. Was leisten dagegen unsere heutigen Schloffer und
Schmiede??

Eines der wichtigsten Kunstgewcrbe war im Mittelalter das dcr Gold-
schmiede. Nichts greift so tief ein in das sociale und kirchliche Leben, nichts
charakterisirt so sehr ein Volk und seine Lebensweise, als die Art, wie es seine
Gefäße blldet und wie es dieselben benutzt.

Zur richtigen Beurtheilung der Gefäßkunst des Mittelalters muß man be-
achten, daß die Kirche auch bei der Bildung dieser Gefäßs wesentlich vorange-
gangcn ist.

Die Kirche unrerscheidct zwei Hauptarten von Gefäßen, die Weihgesäße und
die Reliquiarien.

Erstere werden nach gewöhnlicher Art sür die rituellen Zwecke benutzt, letz-
tere sind Monumente im Kleinen. Das bedeutendste Gefäß, das zu allen Zeiten
für die ersteren Zwecke diente, der Kelch, hat sich in seiner Hauptsorm nicht
mesentlich verändert; die liturgische Vorschrift, daß die Cuppa des Kelches nicht
gravirt werden dars, sondern ganz platt fein muß, hat den gothischen Kelchen
untsr stch eine große Aehnlichkeit verschafft.

Die sogenannten monumentalen Goldfchmiedearbeiten das sind die Ostensorien,
Monstranzen nnd Reliquiarien. Die Schreine der Reliquiarien sind Nachbil-
dungen kleiner Kirchengebäude; die Künstler solgten darin den Fortschritten der
Architektur aus das sorgfültigste. Der Schrein Karl's des Großen, der heiligen
drei Könige in Köln u. s. w. sind nachgeahnite Basilikenbauten im Kleinen.

Jn der romanischen Kunst, welche durch ihre breiten Flüchen und kleinen
Fenster der Malerei mehr Rauni zur Au-breitung gewährt, und in der früh-
gothischen Periode waren auch in den Kleinkünsten viel mehr Farben verwendet
worden. Was in der großen Kunst das Mosaik, das ist in der Kleinkunst das
Email. So hat die Goldschmiedekun't noch im 14. und 1ö. Jahrhundert Schreine
gebildet, von denen manche eine kleine St. Chapelle für sich darbielen; es find
kleine Modellgebäude aus edlem Mstall. Ein Gefäß, das Ostensorium genannt
wird, hat die Bestimmung, eine Reliquie hermetisch zu verschließen und doch auf
weite Entfernung hin sichtbar zu machen. Da lag es nahe, dieses Gebäude
wieder als ein Monument aufzusaffen, die Läulen als Fialen zu gestalten und
 
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