Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Koepplin, Dieter; Falk, Tilman; Cranach, Lucas [Ill.]
Lukas Cranach: Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik ; Ausstellung im Kunstmuseum Basel 15. Juni bis 8. September 1974 (Band 1) — Basel, Stuttgart, 1974

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10453#0018
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I 2

I. EINFÜHRUNG

seits und den immer noch unbekannten Frühwerken des Meisters andererseits.
Wir möchten dazu beitragen, dass uns angesichts der Fülle der überlieferten
typischen Werke Cranachs die Frage nicht loslässt, wie denn ein mit Dürer genau
generationengleicher Maler zu seinen Resultaten gekommen ist.

Innerhalb des Spätwerkes weisen wir mit unseren Texten auf die vielfältigen
historischen und ikonographischen Bezüge hin, die der Betrachter kaum ahnt.
Es scheint fast, als gehöre die Verbreitung von Ahnungslosigkeit, positiv gesagt:
die Entspanntheit und Simplizität wesentlich zur Kunst Cranachs, jedenfalls im
Vergleich zu derjenigen Dürers oder Grünewalds. Der Betrachter darf sich dieser
Stimmung gewiss hingeben. Er schätzt sie aber erst richtig, wenn er doch gleich-
sam das Ziehen und Schwirren der vielen, sehr starken historischen Fäden zwi-
schendurch spürt.

Allgemein möge die Publikation davon zeugen, dass Cranachs scheinbar
einfache Kunst vielschichtig, ernst und intensiv ist. Wie soll man dies mit Worten
erfassen ? Wir wollten das Dilemma nicht verbergen, dass man sich einem Kunst-
werk entweder von den punktuell zu untersuchenden Bedingtheiten oder mit der
Frage nach den zentralen Anliegen des Künstlers nähern kann.

2. Eigenhändigkeit oder Werkstatt: Ausstellungen bieten eine einzigartige Gelegen-
heit, sicher einem Meister zugeschriebene Werke mit strittigen Stücken zu ver-
gleichen und zu einem besser fundierten «Kenner»-Urteil zu gelangen. Es darf
einfach nicht wahr sein, dass die rund tausend Gemälde, die Lukas Cranach d.Ä.
einigermassen seriös zugeschrieben werden, alle von seiner Hand stammen. Früher
oder später wird ein ähnlicher Streit ausbrechen, wie er heute das (Euvre Rem-
brandts «bedroht»3. Freilich, im Gegensatz zum Fall Rembrandt, scheint es dem
Werk Cranachs innerlich zu widersprechen, dass die Forschung mit stilkritischen
und naturwissenschaftlichen Methoden die Unterscheidung zwischen eigen-
händigen und Werkstattbildern überall erzwingen sollte. Zunächst wäre es immer-
hin der Mühe wert festzustellen, ob die oft wiederholte, beschwichtigende Behaup-
tung der Wahrheit entspricht, dass Cranach mit seinem Signet, der geflügelten
Schlange4, systematisch nicht nur eigenhändig ausgeführte, sondern auch gänzlich
von Werkstattmitarbeitern unter seiner Aufsicht hergestellte Gemälde bezeichnet
habe. Zweifel scheinen erlaubt zu sein. Es ist selbstverständlich, dass Cranachs
Signaturzeichen ebenso imitiert werden konnte wie Cranachs Bilder selber5.

Bei Cranach sollte man, wTäre es möglich, nicht nur nach Stufen der künstle-
rischen Qualität, sondern strenggenommen nach den folgenden Kategorien
unterscheiden: i. eigenhändig ausgeführtes, meist signiertes Hauptwerk (selbst-
verständlich auch dieses nicht ganz ohne Mitwirkung von Hilfskräften); 2. im
wesentlichen eigenhändig, aber eiliger ausgeführtes Werk von geringerer Sorg-
falt, oft die Signatur tragend (die Flüchtigkeit beispielsweise bedingt durch
niedrigere Bezahlung); 3. zum mindesten im «flnish» eigenhändiges Serienpro-
dukt, oft signiert (bei Porträts wiederholt gemalte Ausführung nach ein und
derselben Studie auf Papier, bei anderen Gegenständen Prinzip der Variation);
4. unsigniertes Werkstattprodukt (oft ohne direkten Eingriff des Meisters, nur
unter seiner Aufsicht entstanden); 5. Schulwerk (Werk eines Schülers, der Cranachs
 
Annotationen