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Koepplin, Dieter; Falk, Tilman; Cranach, Lucas [Ill.]
Lukas Cranach: Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik ; Ausstellung im Kunstmuseum Basel 15. Juni bis 8. September 1974 (Band 1) — Basel, Stuttgart, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.10453#0085
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UND EINIGE AUFTRAGGEBER

79

Wenn man die Genealogie des von Dürer vorgetragenen Bildnistypus mit den
sockeiförmigen Inschrifttafeln zurückverfolgt, so begegnet man einer bunten
Gesellschaft, die sich gerade damals zur heftigsten Feindschaft formierte. Am
Anfang steht nicht von ungefähr ein vollplastisches Werk, eine Bronzebüste eines
Florentiner Renaissancekünstlers: die 1498 datierte,Büste des «Kurfürsten Fried-
rich des Weisen» von Adriano Fiorentino (Nr. 27). Dieser Schüler des bekannteren
Florentiners Bertoldo stand kurz vor seinem 1499 eingetretenen Tod wohl indi-
rekt im Dienst Friedrichs des Weisen als Bildhauer und Giesser und (in spe -
es kam jedenfalls erst später durch Cranach und die Nürnberger Medailleure zu
Resultaten: Nr. 30f.) als Medailleur. Im «deutschen Medium» der Druckgraphik73
folgte typologisch das von Hans Burgkmair 1507 gezeichnete und in Holz
geschnittene « Sterbebild des Konrad Celtis », also ein Bildnis des von Peutinger
und Kaiser Maximilian wie auch besonders von Friedrich dem Weisen gestützten
Humanisten74. Reiner wird die Büste über der Inschrifttafel von Dürer 1519 for-
muliert in dem gestochenen Bildnis des «Kardinals Albrecht von Brandenburg»,
Erzbischofs von Mainz (Nr. 33). Dürers Porträtstich des «Kardinals Albrecht»
hat Cranach, der auch sonst für diesen Gegenspieler des sächsischen Kurfürsten
zahlreiche Arbeiten ausführte (vgl. Nr. 288), 15 20 in einem Kupferstich wohl nach
neuer Porträtaufnahme wiederholt (Nr. 34). Aus demselben Jahr 1520 stammt
dann, wieder in dieser Disposition, das in Kupfer gestochene, von Cranach mit
dem Schlangenzeichen signierte Porträt «Martin Luthers als Augustinermönch»
(Nr. 35, 36, 38, 43).

Luther erhebt zuversichtlich und in unaufdringlicher Andacht leicht die
Augen75. Die gleiche Andeutung eines halb demütigen, halb erleuchteten Him-
melswärts-Blickes stellt auch ein gemaltes «Luther »-Porträt Cranachs (Nr. 43) in
die lange Tradition von Devotionsbildern76. Bezeichnenderweise ist von dem
schlichten, uns heute besonders beeindruckenden «Luther »-Stich (Nr. 35) keine
Auflage gedruckt worden77. Kurfürst Friedrich oder sein Ratgeber Georg Spalatin
(vgl. Nr. 343) wünschten von Cranach offenbar ein zugleich repräsentativeres oder
ikonographisch klarer sprechendes Bildnis des Mannes, der dem Papst Leo X.
(1517-1521) und dem Kardinal Albrecht von Brandenburg das Geschäft verdarb;
Albrecht hatte 1515 vom Papst auf acht Jahre die Einkünfte aus einem Plenar-
ablass zugesprochen erhalten78. Lukas Cranach selber - und nicht etwa ein Werk-
stattgenosse, denn die Sensibilität des Strichgefüges ist nicht geringer - musste das
Bildnis Luthers 15 20 noch einmal stechen, nun (auch antikisch) in eine Nische ge-
stellt, die Bibel in der Hand und predigend (Nr. 36). Diese inhaltlich geschärfte
Fassung fand sofortige Verbreitung und wurde oft kopiert. Zur Illustration von
gedruckten Luther-Schriften zeichnete Hans Baidung 15 2079 und 15 21 zwei
Kopien nach Cranachs Luther-Stich mit der Nische, das zweite Mal provokativ
erweitert durch die Taube des Heiligen Geistes über dem Kopf Luthers und durch
die Ersetzung der Nische durch einen mächtigen Glorienschein (Nr. 37)80.
Die von Cranach und Baidung publizierten Porträts haben im wörtlichsten Wort-
sinn gezündet. Selbstverständlich durfte Cranach einen solchen Druck nicht
eigenmächtig in die Welt setzen, sondern nur mit einer Erlaubnis des Kurfürsten
und seiner Ratgeber, die praktisch Befehl war. Der kursächsische Rat Spalatin hatte
 
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