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Körte, Werner Hermann Ulrich
Der Palazzo Zuccari in Rom: sein Freskenschmuck und seine Geschichte — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 12: Leipzig: Keller, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.47057#0013
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I. DER PALAZZO ZUCCARI
UND SEIN FRESKENSCHMUCK
I. FEDERICO ZUCCARI ALS BAUHERR

WER auf den Stufen der Spanischen Treppe zur Höhe
des Monte Pincio emporsteigt, um die alte Casa
Zuccari-Bartholdy aufzusuchen, der tut gut daran, seine
künstlerischen Erwartungen zunächst nicht allzu hoch
zu spannen. Denn die Stätte, die seit den Tagen des Fede-
rico Zuccari ein Mittelpunkt künstlerischen Lebens gewe-
sen ist, bietet dem Besucher heute Eindrücke von einem
immerhin nur bescheidenen Rang. Ist sein Auge erfüllt
von der Bilderwelt, die er drunten in Rom in Kirchen
und Palästen erblickte, so wird er finden, daß die Male-
reien des Palazzo Zuccari für römische Ansprüche nicht
erheblich über den allgemeinen Durchschnitt herausragen;
und ist er vollends kunstgeschichtlich geschult, übersieht
er die künstlerischen Kräfte Roms zu Ende des 16. Jahr-
hunderts, so wird er Zuccaris Fresken zunächst nur einer
summarischen Betrachtung für wert halten; denn für die
Jahre, in denen der junge Caravaggio seine Matthäus-
geschichten in San Luigi de’ Francesi vollendet und der
europäischen Malerei die Probleme für ein ganzes Jahr-
hundert stellt, gewöhnt sich unser Urteil unwillkürlich
an Maßstäbe, vor denen Zuccaris schon etwas müdes
Spätwerk kaum sehr ehrenvoll bestehen kann.
Doch nicht der Vergleich mit anderen, oft überlegenen
zeitgenössischen Schöpfungen soll uns hier beschäftigen.
Nicht der vergleichbare, sondern gerade der unvergleich-
bare Charakter dieses Hauses soll die eingehende Betrach-
tung rechtfertigen, die wir der Casa Zuccari widmen wol-
len. Denn wie selten gewinnen wir den Einblick in den
engsten Lebensbereich eines Künstlers, der sich uns hier
bietet! und wie selten sind wir sonst Zeugen, daß ein ge-
feierter Künstler innerhalb seiner eigenen Mauern nach
einheitlichem Plane die ganze Summe seiner künstlerischen
Erfahrungen niederlegt!
Wohl kennen wir italienische Künstlerhäuser, mehr
1) Vgl. dazu den Aufsatz von Walter Bombe „Giorgio Vasaris
Häuser in Florenz und Arezzo und andere italienische Künstler-
häuser der Renaissance“, Belvedere XIII, 1928 p. 55/60. Über Rö-
mische Künstlerhäuser zu Ende des 16. Jh. vgl. J.A. F. Orbaan,
Documenti sul barocco in Roma. 1920 p. 208 Anm.
2) Über das Haus des Andrea del Sarto, das Federico Zuccari
15 77 erwarb, siehe W. Limburger, Die Gebäude von Florenz, Leipzig

oder weniger gut erhalten, in großer Zahl1); allein die
Wohnungen des Mino da Fiesoie und Andrea del Sarto
in Florenz oder die des Mantegna in Mantua2) sind kaum
mehr als Werkstätten, aus denen Kunstwerke hervor-
gehen - sie sind noch nicht das persönlichste Kunstwerk
des Malers selbst. Flüchtige Skizzen in Rötel und Kohle
mögen wohl ihre Wände bedecken; keinem jener Meister
aber kam es in den Sinn, die Kunst, die er im Dienste
einer Gesellschaft, im Dienste der Kirche, der Stadt-
gemeinde oder eines Fürsten geübt hatte, mit den gleichen
oder gar höheren Ansprüchen in das eigene Haus zu
übertragen. Und vollends das winklig armselige Haus am
Macel de’ Corvi in Rom, das Michelangelo bis zu seinem
Tode bewohnte, scheint sich in nichts von den Buden der
benachbarten Handwerker unterschieden zu haben: eine
Gruppe unregelmäßiger Baulichkeiten, an einen alten
Turm gelehnt, inmitten einer verkommenen Umgebung,
deren Schmutz und Dunst Michelangelo selbst in einem
seiner Gedichte3) mit fürchterlicher Drastik schildert.
Hier haust der alternde Meister im Staube zwischen seinen
Marmorblöcken und -Statuen, hier sucht er nur Raum
für das asketische Leben eines Armen, nicht aber für
irgendeine Form künstlerischer Repräsentation. „Macel de’
poveri“ nennt er einmal bitter diese Stätte, und eine „scura
tomba“ dieses Haus, dessen einzige Bestimmung es ist, die
Werkstatt für einen schöpferischen Menschen zu sein.
Der große und nicht unbedingt gesunde Wandel, der
sich im Lauf des 16. Jahrhunderts in den sozialen An-
sprüchen des Künstlers vollzieht, läßt sich an der Ent-
wicklung seiner Wohnstätte beispielhaft darstellen. Je
mehr der Künstler auf den Adel seiner Kunst pocht, je
mehr der Maler es verschmäht, mit dem „bloßen Hand-
werker“ verwechselt zu werden, um so deutlicher muß
sich das herrschaftliche Haus, in dem er nun als Träger
1910 Nr. 643 vgl. p. 14 u. 18. Zum Hause des Mantegna vgl. Vasari
ed. MilanesiHI p. 407.
3) Alles urkundliche Material über das Haus des Michelangelo in
Rom findet sich in dem grundlegenden Aufsatz von B. Gasparoni:
Buonarroti I, 1866 p. 158/64, 177/80, 204/07. Die Verse über die
verkommene Umgebung des Hauses am Macello de’Corvi bei
Guasti, Le Rime di Michelangelo Buonarroti, Firenze 1863 p. 294.

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