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Körte, Werner Hermann Ulrich
Der Palazzo Zuccari in Rom: sein Freskenschmuck und seine Geschichte — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 12: Leipzig: Keller, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.47057#0052
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II. DIE SPATEREN BEWOHNER DES
PALAZZO ZUCCARI

SEIT ihrer Wiedereinsetzung in einen Teil ihres Stamm¬
hauses hat sich die Familie Zuccari bis zum Beginn
unseres Jahrhunderts in diesem Besitz behauptet, allen Erb-
teilungen und Teil verkaufen zum Trotz (s.p. 20). Daran
änderte sich auch nichts, als der Hauptzweig der Familie
gegen Ende des 17. Jahrhunderts Rom verließ und nach
Sora übersiedelte, während sich ein anderer Zweig schon
früher in Cervia niedergelassen hatte. Immer wieder finden
wir bis 1904 den Palast wenigstens teilweise in den Hän-
den eines Zuccari. Durch die anderen Teile des Hauses
aber zog fast drei Jahrhunderte lang eine bunte Schar be-
rühmter oder erst zum Ruhme aufsteigender, hoher und
niedriger, verschwenderischer oder auch mühsam ihr
Leben fristender Gäste. Das Gesamtbild ihres Kommens
und Gehens spiegelt die künstlerischen und geistigen Ge-
schicke Europas.
Eine zuverlässige Quelle für den steten Wechsel dieser
Bewohner ist das Pfarrbuch der Pfarrei, zu der die Casa
Zuccari gehörte, der „Status animarum“ von S. Andrea
delle Fratte. Sixtus V. hatte einst verfügt, daß jeder Pfarr-
herr jährlich ein Verzeichnis aller derer anlegen solle, die
zur Osterbeichte zu erscheinen hatten oder auch nur in
der Pfarrei wohnten. Für die Gemeinde S. Andrea delle
Fratte beginnt diese Liste mit dem Jahre 1598, und pünkt-
lich finden wir denn auch unter diesem Jahre Federico
Zuccari mit Weib und Kind, mit Hausgesinde und einem
„maestro dei putti“ verzeichnet. Freilich schwankt der
Wert dieser Quelle mit dem Bildungsstande des jeweiligen
parrocco, der gelegentlich die deutschen und englischen
Namen in einer geradezu abenteuerlichen Rechtschreibung
Einen Teil der Auszüge aus dem Status animarum von S. Andrea
delle Fratte ließ schon Frl. Hertz durch ihren Sekretär G. M. Per-

wiedergibt und dadurch den Benutzer dieser Listen oft
vor Rätsel stellt. Außerdem aber hatte der geistliche Zweck
des Verzeichnisses zur Folge, daß die Nichtkatholiken,
die im 18. Jahrhundert ja in immer größerer Zahl nach
Rom strömten, nur sehr summarisch aufgeführt wurden.
Oft begnügt sich der brave parrocco mit kurzen Ein-
tragungen wie: „quattro eretici inglesi“; und doch bleibt
die Zahl der auch einer Namensnennung gewürdigten
Ketzer so groß, daß die vielen Lücken nichts an dem
unschätzbaren Wert dieser Quelle ändern1).
Die Familie des Marc Antonio Toscanella, der einst den
Palazzo Zuccari unter so hohen Opfern hatte ausbauen
lassen, räumte nach der ungünstigen Entscheidung jenes
langwierigen Prozesses (s. o. p. 20) das Feld, und nur ihr
Wappen über dem großen Maskentore ist als Erinnerung
an sie geblieben (Tafel 6a). Seitdem wurde der Palast auf
der Höhe des immer luftigen und kühlen Pincio als Stadt-
wohnung für römische Adelsfamilien und als behagliches
Heim für hohe Geistliche beliebt. Die Crescenzi, die Anni-
baldi und die Marchesi Eroli ließen sich hier für kurze oder
längere Zeit nieder; der Bischof von Potenza, Chorherren
von S. Maria Maggiore, ja gar ein Kardinal, Carlo Marini,
und zahlreiche Abaten stiegen für einen oder mehrere
Winter an der Trinitä de’Monti ab, und auch fremde Ge-
sandte nahmen hier gelegentlich Wohnung: 1608 finden
wir einen Malatesta als Gesandten des Herzogs von Urbino
in diesen Räumen, und 1648 Pietro Francesco Roncaldi,
den Geschäftsträger des Königs von Polen. Eben diese Na-
tion aber sollte die Akteure für das glanzvollste Zwischen-
spiel stellen, das je in diesem Hause vor sich ging.
rone machen (s. Literaturverzeichnis). Das betreffende Pfarrbuch
liegt noch im Convent von S. Andrea.

8. DER RÖMISCHE AUFENTHALT
DER KÖNIGIN MARIA CASIMIRA VON POLEN

„Gegeben zu Rom in Unserem Königlichen Palast“
- so endet eine Urkunde, die Juli 1709 im Palazzo Zuccari
ausgefertigt wurde. Das stattliche Künstlerhaus stieg zu
einer neuen Würde auf, oder vielmehr eine Königin be-
zeugte dem „königlichen Künstler“, daß seine Wohnung
auch ihren Ansprüchen genügte: Maria Casimira Sobieska,
die Witwe des Befreiers von Wien, wählte im Jahre 1702
diese Stätte zu ihrer Residenz.
Drei Jahre zuvor, im März 1699, war die Königin nach

dem Scheitern all ihrer politischen Hoffnungen in der ewi-
gen Stadt eingezogen. Seit der Befreiung Wiens mit Hilfe
der polnischen Waffen verbanden besonders herzliche Be-
ziehungen den Hof des Johann Sobieski und die päpst-
liche Kurie, und Rom war damals ohnehin ein allgemein
beliebtes Ziel für die Großen der europäischen Welt, die
freiwillig oder unfreiwillig von der Bühne des Geschehens
abgetreten waren. Christine von Schweden und die ent-
thronten Stuarts nahmen wie die Polenkönigin hier ihren
 
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