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Kohn, Pinchas Jacob
Rabbinischer Humor aus alter und neuer Zeit: eine Sammlung von Anekdoten und "Guten Wörtchen" — Berlin: Lamm, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.42085#0022
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18 —

übrig lassen müssen, und davor hatte er Angst, weil er
dachte: lasse ich etwas übrig, so denken die Leute ge-
wiss, sie hätten mir zuviel vorgelegt und geben mir beim
nächsten Mal weniger.“
♦ * ♦
In einer Gemeinde, wo das Verbot der rituell uner-
laubten Speisen wenig Beachtung fand, sah sich der Rab-
biner zur folgenden, etwas drastischen Rüge veranlasst:
„Als der liebe Gott Moses den Auftrag erteilte, die
Kinder Israel aus Egypten zu führen, wandte
Moses ein, dass dies nicht gut möglich sein werde, da
die Egypter an alle Grenzen wachsame Hunde gestellt
hätten, die durch ihr Bellen den Egyptern Israels Ent-
fernung aus dem Lande verraten würden. „Dem kann
leicht abgeholfen werden,“ sagte Gott. „Versprich den
Hunden, dass alles gefallene und rituell unerlaubte Vieh
ihnen gehören soll, so werden sie dafür gewiss gern
schweigen.“ Moses befolgte diesen Rat und schloss einen
dahingehenden Vertrag mit dem Hundegeschlecht, das
denn auch bereitwilligst darauf einging. So kam es, dass,
wie die Bibel ausdrücklich erwähnt, beim Auszuge der
Kinder Israel aus Egypten „lau jechraz kelew leschau-
nau“ (kein Hund seine Zunge regte), wie andererseits
wieder nach einem Zeugnis der Bibel „lakelew taschlichun
aussau,“ die Kinder Israel alles, was trefa wurde, den
Hunden vorwarfen. Solange nun die Israeliten die Spei-
segesetze beobachteten, hatten die Hunde gute Zeiten und
keinen Grund zur Klage. Als aber die Gesetzesübertre-
ter sich mehrten und die Leute Überhandnahmen, die
das den Hunden gebührende „trefa“ selbst assen, da sahen
sich diese in ihrem Rechte verkürzt und kamen klagend
zu Gott. „Wo bleibt die Erfüllung des Vertrages, den
Moses in Deinem Auftrage mit uns geschlossen hat“,
sagten sie, „wenn die Juden newelaund trefa selbst essen?“
„Soweit ich eure Klage erwäge, habt ihr vollkommen
recht“, sagte Gott zu den Hunden, „aber man muss in
jeder Rechtssache auch die andere Partei anhören, da-
rum will ich zuerst hören, was die Leute, die trefa essen,
zu sagen haben.“ Und Gott lud die Gesetzesübertreter
vor seinen Richterstuhl und hielt ihnen die Klage der
 
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