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47

III. Kapitel

Holbeins Stil

Die Ausbildung: Die Augsburger Malerei
und Zeichnung um 1450- 1470

Ein großer Teil der Schwierigkeiten, die bei der Unter-
suchung von Holbeins Karriere bestehen, resultiert
aus dem Mangel an schriftlichen Quellen. Wir wissen
nicht, wann er geboren wurde, wir wissen nicht, bei
wem er in die Lehre ging, wir wissen nichts über eine
Wanderschaft. Zwar besteht inzwischen Konsens, daß
Holbein in den 6oer Jahren des 15. Jahrhunderts zur
Welt kam und daß er in Augsburg ausgebildet wurde,
doch beruht beides auf Analogieschlüssen aus der
Vita anderer Maler.' Für die Niederlassung als Mei-
ster - bei Holbein spätestens 1494 - nimmt man
gerne ein Alter von ca. 25 Jahren an; für die Lehre in
Augsburg sprechen bisher allein die Ansässigkeit der
Familie in der Stadt und der Umstand, daß im Früh-
werk keinerlei Anlehnung an Arbeiten aus anderen
deutschen Zentren der Malerei sichtbar ist. Daß die
Wanderschaft nach Köln und weiter in die Zentren
der älteren niederländischen Malerei, nach Brügge
und/oder Gent, führte, scheint sicher - genannt wer-
den die Übernahme von Figuren und von koloristi-
schen Prinzipien aus Werken von Rogier van der Wey-
den, Dirk Bouts, Hans Memling und Hugo van der
Goes. Doch auch den Argumenten, die auf Mitteln
der Stilkritik beruhen, gelang es nicht, die Fragen
nach der Ableitung von Holbeins Kunst zu lösen. Das
liegt an den großen Verlusten von Tafelbildern aus
Augsburg seit der Reformation - insbesondere die
prominenten Retabel des 1 5. Jahrhunderts sind aus-
nahmslos verloren gegangen.-1 Das liegt aber auch
daran, daß die stilkritisch arbeitenden Kunsthistori-
ker einmütig neuzeitliche Vorstellungen von der Hier-
archie der malerischen Gattungen auf die Augsburger
Verhältnisse des 15. Jahrhunderts applizierten. Sie
behandelten die Tafelmalerei als Leitgattung, von der

alle anderen Sparten, vor allem die Buchmalerei und
die Vorzeichnung für den Buchholzschnitt, Impulse
empfangen hätten.3 Die ebenfalls großen Verlusten
unterworfene Wandmalerei geriet erst spät, mit den
Untersuchungen von Johannes Wilhelm (1983) und
Doris Hafner (1996), in den Blick.-' Die Zuversicht,
die überkommenen Tafelbilder mit Hilfe der Stilkritik
ordnen und sie Malernamen zuweisen zu können, hat
immerhin zu beachtlichen Ergebnissen geführt.' Sie
hat aber auch vergessen lassen, daß aus den Quellen
bekannte, wichtige Figuren des Augsburger Kunstbe-
triebs, vor allem Holbeins Zeitgenossen Thoman
Burgkmair und Ulrich Apt, mit ihrem CEuvre ein Kon-
strukt mit äußerst schwachem Fundament darstellen.
Alle diese Umstände haben dazu geführt, Holbein aus
seinem Augsburger Zusammenhang zu isolieren und
ihn im Gegenzug zu dem Vertreter des »Augsbur-
gischen« in der Tafelmalerei zu erheben.

Ziel kann es an dieser Stelle nicht sein, die älteren
Darstellungen zur Augsburger Tafelmalerei des 15.
Jahrhunderts einer vollständigen Revision zu unter-
ziehen und darüber hinausgehend die Gesamtheit der
Bildkünste Augsburgs zu untersuchen. Auch hier
müssen Ausschnitte genügen. Sie stehen unter dem
Vorrang zweier Fragen, die zugleich von dem allein
künstlerzentrierten Interesse der älteren Forschung
ablenken sollen: Welches Niveau hatten die Ansprü-
che der Augsburger Oberschicht, seien es der Laien,
seien es der Geistlichen, an Bilder ? Mag der Bezug der
Untersuchung auf mehrere Bildgattungen - Tafel- und
Buchmalerei, Buchholzschnitt - in dem faktischen Bil-
derbesitz der Auftraggeberschaft schon ausreichend
Berechtigung finden, wird er durch die nachweisliche
Vielseitigkeit Augsburger Künstler zusätzlich gestützt.
 
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