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192. Die Zeichnungen

Übung

Zeichnen zu lehren gehörte zu den Pflichten eines
Meisters. Wir wissen das aus einigen sehr seltenen
Nachrichten in Zunftordnungen6 und aus Dürers Ein-
trag in das Inhaltsverzeichnis seines geplanten Buchs
über die Malerei: »Item wer ein moler will werden,
der mus fan natür dorczw geschick sein... Item er
mus van guter wercklewt kunst erstlich vill ab machen,
pis daz er ein frei hant erlangt.«" Übung nach Vorbil-
dern, um eine gewisse Sicherheit in der Handhabung
der Zeichenmittel zu erreichen, ist das eine; das ande-
re ist, was Dürer schon nicht mehr impliziert, weil er
weitere Stufen der Ausbildung fordert, was sich aber
aus der Bewertung der Lehrmeister in den Künstler-
biographien ablesen laßt: Was man so lernte, prägte.8
Wie um 1500 in einer Werkstatt diese Prägung über
das Zeichnen erfolgte, ist freilich so gut wie gar nicht
konkret zu machen. Ein Blatt aus dem Basler Hol-
bein-Konvolut gibt immerhin einen Fingerzeig
(Abb. 1 26).s Die kleine Zeichnung - das Blatt mißt
nur 114 x 89 mm - stellt die hll. Katharina und Mar-
garete dar, nebeneinander auf einem Erdhügel ste-
hend. Die Zeichnung ist in brauner Tinte mit der
Feder ausgeführt und mit dem Pinsel grau laviert, in

einer bei Holbein häufigen Technik. >Katharina und
Margaretes in Kleid und Mantel, variieren Motive
von zahlreichen Figuren aus der Holbein-Werkstatt.
Teils in Zeichnungen, teils in Gemälden, sind sie mit
unterschiedlichen Attributen versehen und eignen sich
für die Darstellung auf wenig anspruchsvollen Reta-
beln mit Serien von stehenden weiblichen Heiligen.10
Dabei fällt die große Kontinuität der Motive von dem
frühen, von Giltlinger ausgeführten Altar in St. Ulrich
und Afra" über den Prager Marienaltar (um 1509)
bis zum Sebastiansaltar (1516) auf, erst am >Lebens-
brunnen< (1519) sollte sich Holbein um andere Moti-
ve bemühen. Der größte Teil der Zeichnungen ist auf-
grund der geringen Qualität als nicht eigenhändig
erfaßt, eine Ausnahme bilden die auf farbigem Papier
ausgeführten >hll. Dorothea und Margarete« in Lon-
don (Abb. 127)."

Das Basler Blatt gehört zu den schwächsten Exem-
peln dieser Figürchen, aber es ist von einem zweiten
Zeichner mit schnellen Strichen in schwarzer Feder
präzisiert und überhaupt erst ikonographisch konkret
gemacht. Ob das nun Holbein war oder ein ähnlich
erfahrener Mitarbeiter seiner Werkstatt: Die Heiligen-
figürchen sind ein seltener Rest von Zeichenübung.
Wer hier übte und dann korrigiert wurde, versuchte
sich nicht im Sinne Dürers im Nachzeichnen von
Arbeiten »guter werckleut«, sondern bemühte sich,
Standardfiguren aus den Formeln der Werkstatt für
Figur und Gewand zu entwickeln. Er tat das in sehr
kleinem, Papier sparenden Format und in der werk-
stattüblichen Technik der lavierten Federzeichnung.
Erst als das fertig und einigermaßen mißglückt war,
griff ein Lehrer, Holbein oder ein Geselle, ein, faßte
mit geübter Hand die Lavierung, die die Unsicherhei-
ten in der Anatomie und im Gewand schlecht und
recht überspielte, in die charakteristischen Formeln.
Von dieser Zeichnung aus kann man die etwas größe-
ren Blätter, die unterschiedlichen Händen zuzuweisen
sind, gleichermaßen als Ergebnis von Übungen im Stil

126. Hans Holbein-Werkstatt: Hll. Katbarina und
Margarete (Basel, Öffentliche Kunstsammlung,
Kupferstichkabinett, 1 1,4 x 8,9 cm)

Rechte Seite:

127. Hans Holbein: Hll. Margarete und Dorothea
(London, British Museum, 20,9 x 15,4 cm)
 
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