Die Tafelbilder 261
ken, der besseren Seite, dargestellt, der Herr erscheint
auf der rechten Seite, in Dreiviertelansicht, beide sind
vor einem dunkelgrünen, einheitlichen Grund pla-
ziert. Holbein arbeitete beim Portrait der Frau mit
dem Kontrast des schwarzen Saums zum heute sehr
nachgedunkelten Rot des Kleides und zum Weiß des
Gollers, reduzierte am Gesicht die Züge des Profils
und der Binnenzeichnung auf glatte Bögen, ließ aber
durch die Haarsträhnen eine gewisse Belebung zu.
Wieder ist der Herr aufwendiger gekleidet, so daß die
Darstellung von Brokatmuster und Pelz am Wams die
vollständige Reduktion verhindert, doch meint man
auch so in der graphischen Wiedergabe der Einzelhei-
ten im Gesicht, gegenüber der lockeren Unterzeich-
nung, eine gewisse Zuspitzung feststellen zu können.
Vornehme Herren. Die Unbekannten
in Basel und in Norfolk, Jörg Saur
in Zürich
Es mag sein, daß Holbein sich diese Art, Persönlich-
keiten fast ohne Accessoires zu erfassen, sie mit weni-
gen Linien und unter Verzicht auf die Angabe der
Oberflächenwerte kostbarer Materialien wiederzuge-
ben, erst mit der Zeit erarbeitet hat. Und es mag sein,
daß er sie nur selten hat durchführen können, da die
Auftraggeber von ihm gerade den Reichtum an
Details und die Genauigkeit in der Wiedergabe des
Kostüms verlangten. Aufwand mußte oder durfte
Holbein vor allem bei drei Herrenbildnissen treiben.
Sie seien hier in der vermutlichen Reihenfolge ihrer
Entstehung kommentiert. 1513 ist das Bildnis eines
52jährigen Herrn datiert (Abb. 182).IO Der Unbe-
kannte ist hinter einer Brüstung gezeigt, die mit einem
roten Brokattuch bedeckt ist. Der Herr trägt einen
sorgfältig gestutzten Vollbart und kinnlange, blonde
Haare. Er ist in eine Schaube aus braunem, schwarz
gemustertem Tuch mit breitem Pelzkragen gekleidet,
eine braune Pelzmütze bedeckt den Kopf. Die Brü-
1S2. Hans Holbein: Bildnis eines Herrn mit Pelzmütze
(Basel, Öffentliche Kunstsammlung, Kunstmuseum,
41,5 x 29,5 cm)
stung läßt gerade eben den Blick auf die rechte Hand
frei, die ein zusammengerolltes Schriftstück hält. Die
nach rechts gewandte Figur wird von einem Rahmen
aus Marmorpfeilern hinterfangen. Der Ausschnitt ist
sehr eng gewählt, so daß nur wenig vom blauen
Grund sichtbar wird. Das Gebälk zeigt einem Fries
aus Putten, deren Leiber aus Blättern und Voluten zur
Mitte gekehrt sind. Auf den marmornen Medaillons
über den Pfeilern steht das Datum 1513. Die In-
schrift, die das Alter des Dargestellten mitteilt, ist in
erhabenen Lettern auf den Kämpfern der Pfeiler zu
lesen:. ALS . ICH . WAS . 52 . JAR . ALT . /. DA . HET .
ICH. DIE. GESTALT.
Es gibt gute Gründe anzunehmen, das Bild zeige ein
prominentes Mitglied der Augsburger Oberschicht, es
sei in Holbeins Werkstatt entstanden, aber nicht vom
Werkstattleiter selbst ausgeführt. Der Herr ist aus
Assistenzporträts in zwei Augsburger Altarbildern
vertraut.11 Die Konzeption, die Figur mit einer Brü-
stung und mit einem architektonischen Rahmen in
»welschen« Formen zu kombinieren, verträgt sich
durchaus mit dem, was in der Holbein-Werkstatt in
diesen Jahren üblich war. Seit 1508 verwendete Hol-
bein »welsche« Motive, im Sebastiansaltar von 1516
(Taf. XII/XIII, Abb. 161) bilden ähnliche Pfeilerstel-
lungen nicht nur wie hier einen ehrenvollen Rahmen,
sondern werden als Raumgrenzen um die Figuren ein-
gesetzt. Die Pose des Mannes ist die bei Holbeins Her-
renporträts übliche, wirkt hier aber altertümlicher, da
die Arme durch die Brüstung abgeschnitten sind.
Damit ist die Nähe dieses Typus zu älteren, auch zu
burgundischen Beispielen besonders groß, erinnert sei
z.B. an das Bildnis Philipps des Guten von Rogier van
der Weyden, in dem der Herzog in ähnlicher Weise
Brief oder Urkunde präsentiert.11 Die Brüstung, die
die große Nähe der Figur zum Betrachter erlaubt,
aber die entschiedene Trennung der beiden Sphären
markiert, hat Hans Holbein in den erhaltenen Por-
träts sonst nicht verwendet, allenfalls dem Bilderrah-
men diese Funktion zukommen lassen.1' Auf die
niederländische Quelle der Bildidee verweist auch die
>Madonna< in Wien (Taf. VI). Ein Fälscher hat die
Gelegenheit genutzt und das Bildnis des Herrn von
1513 mit einer seitenverkehrten Kopie der >Madonna<
kombiniert, wobei die Rahmung des Porträts auf das
Madonnenbild übertragen wurde und eine gelehrte
Inschrift vom Ruhm des Malers »IOHANNES HOL-
BAIN IN AUGUSTA« kündet (Abb. z).1«
ken, der besseren Seite, dargestellt, der Herr erscheint
auf der rechten Seite, in Dreiviertelansicht, beide sind
vor einem dunkelgrünen, einheitlichen Grund pla-
ziert. Holbein arbeitete beim Portrait der Frau mit
dem Kontrast des schwarzen Saums zum heute sehr
nachgedunkelten Rot des Kleides und zum Weiß des
Gollers, reduzierte am Gesicht die Züge des Profils
und der Binnenzeichnung auf glatte Bögen, ließ aber
durch die Haarsträhnen eine gewisse Belebung zu.
Wieder ist der Herr aufwendiger gekleidet, so daß die
Darstellung von Brokatmuster und Pelz am Wams die
vollständige Reduktion verhindert, doch meint man
auch so in der graphischen Wiedergabe der Einzelhei-
ten im Gesicht, gegenüber der lockeren Unterzeich-
nung, eine gewisse Zuspitzung feststellen zu können.
Vornehme Herren. Die Unbekannten
in Basel und in Norfolk, Jörg Saur
in Zürich
Es mag sein, daß Holbein sich diese Art, Persönlich-
keiten fast ohne Accessoires zu erfassen, sie mit weni-
gen Linien und unter Verzicht auf die Angabe der
Oberflächenwerte kostbarer Materialien wiederzuge-
ben, erst mit der Zeit erarbeitet hat. Und es mag sein,
daß er sie nur selten hat durchführen können, da die
Auftraggeber von ihm gerade den Reichtum an
Details und die Genauigkeit in der Wiedergabe des
Kostüms verlangten. Aufwand mußte oder durfte
Holbein vor allem bei drei Herrenbildnissen treiben.
Sie seien hier in der vermutlichen Reihenfolge ihrer
Entstehung kommentiert. 1513 ist das Bildnis eines
52jährigen Herrn datiert (Abb. 182).IO Der Unbe-
kannte ist hinter einer Brüstung gezeigt, die mit einem
roten Brokattuch bedeckt ist. Der Herr trägt einen
sorgfältig gestutzten Vollbart und kinnlange, blonde
Haare. Er ist in eine Schaube aus braunem, schwarz
gemustertem Tuch mit breitem Pelzkragen gekleidet,
eine braune Pelzmütze bedeckt den Kopf. Die Brü-
1S2. Hans Holbein: Bildnis eines Herrn mit Pelzmütze
(Basel, Öffentliche Kunstsammlung, Kunstmuseum,
41,5 x 29,5 cm)
stung läßt gerade eben den Blick auf die rechte Hand
frei, die ein zusammengerolltes Schriftstück hält. Die
nach rechts gewandte Figur wird von einem Rahmen
aus Marmorpfeilern hinterfangen. Der Ausschnitt ist
sehr eng gewählt, so daß nur wenig vom blauen
Grund sichtbar wird. Das Gebälk zeigt einem Fries
aus Putten, deren Leiber aus Blättern und Voluten zur
Mitte gekehrt sind. Auf den marmornen Medaillons
über den Pfeilern steht das Datum 1513. Die In-
schrift, die das Alter des Dargestellten mitteilt, ist in
erhabenen Lettern auf den Kämpfern der Pfeiler zu
lesen:. ALS . ICH . WAS . 52 . JAR . ALT . /. DA . HET .
ICH. DIE. GESTALT.
Es gibt gute Gründe anzunehmen, das Bild zeige ein
prominentes Mitglied der Augsburger Oberschicht, es
sei in Holbeins Werkstatt entstanden, aber nicht vom
Werkstattleiter selbst ausgeführt. Der Herr ist aus
Assistenzporträts in zwei Augsburger Altarbildern
vertraut.11 Die Konzeption, die Figur mit einer Brü-
stung und mit einem architektonischen Rahmen in
»welschen« Formen zu kombinieren, verträgt sich
durchaus mit dem, was in der Holbein-Werkstatt in
diesen Jahren üblich war. Seit 1508 verwendete Hol-
bein »welsche« Motive, im Sebastiansaltar von 1516
(Taf. XII/XIII, Abb. 161) bilden ähnliche Pfeilerstel-
lungen nicht nur wie hier einen ehrenvollen Rahmen,
sondern werden als Raumgrenzen um die Figuren ein-
gesetzt. Die Pose des Mannes ist die bei Holbeins Her-
renporträts übliche, wirkt hier aber altertümlicher, da
die Arme durch die Brüstung abgeschnitten sind.
Damit ist die Nähe dieses Typus zu älteren, auch zu
burgundischen Beispielen besonders groß, erinnert sei
z.B. an das Bildnis Philipps des Guten von Rogier van
der Weyden, in dem der Herzog in ähnlicher Weise
Brief oder Urkunde präsentiert.11 Die Brüstung, die
die große Nähe der Figur zum Betrachter erlaubt,
aber die entschiedene Trennung der beiden Sphären
markiert, hat Hans Holbein in den erhaltenen Por-
träts sonst nicht verwendet, allenfalls dem Bilderrah-
men diese Funktion zukommen lassen.1' Auf die
niederländische Quelle der Bildidee verweist auch die
>Madonna< in Wien (Taf. VI). Ein Fälscher hat die
Gelegenheit genutzt und das Bildnis des Herrn von
1513 mit einer seitenverkehrten Kopie der >Madonna<
kombiniert, wobei die Rahmung des Porträts auf das
Madonnenbild übertragen wurde und eine gelehrte
Inschrift vom Ruhm des Malers »IOHANNES HOL-
BAIN IN AUGUSTA« kündet (Abb. z).1«