Zeichnungen: Wer ließ sich von Holbein porträtieren ? 273
denn es fällt auf, dal? die Paare Thurzo-Fugger und
Fugger-Gassner sich nicht zu Gegenstücken fügen las-
sen, wie es gerade in genealogisch geprägten Porträt-
serien üblich ist.'8
Des weiteren sind die Zeichnungen mit den Büsten
des Ritters Jörg Schenck von Schenckenstein39 und
des Kaufmanns Hans Neil40 zu nennen, beides Por-
trätaufnahmen für den üblichen Typus mit einer
Wiedergabe des Dargestellten in der Schrägansicht
und allen Attributen der standesgemäßen Kleidung.
Die Zeichnungen sind beschnitten, ob die gemalten
Porträts die Hände zeigten, kann nicht mehr festge-
stellt werden. Einen Sonderfall stellt die Zeichnung
der Anna Laminit dar, die zuerst als fromme, be-
sonders begnadete Frau angesehen, dann als Betrüge-
rin entlarvt wurde (Abb. 195). Das Porträt der über
die Stadt hinaus bekannten, heiligmäßigen Frau wird
Holbein als Auftragsarbeit angefertigt haben.4' Auch
der Auftraggeber von Burgkmairs Porträt der Anna
Laminit ist nicht bekannt, das Bild belegt aber, daß es
in Augsburg Interessenten für ein Dokument der
frommen Person gab.42 Und schließlich ist da Sim-
precht Rauner, den Holbein in ein und derselben Sit-
zung in einer knapper gehaltenen Studie von Kopf
und Büste, nach links gewendet, sowie in weiterem
Ausschnitt, den Körper in Dreiviertelansicht, den
Kopf fast im Profil, zeichnete (Abb. 196). Was Hol-
bein hier an Charakter erfassen wollte, hat er in der
Aufschrift der einen Zeichnung notiert: »alle zeyt gvt
gesel Zimpfbrecht Raner«.4' Die Zeichnungen zu
Simbrecht Rauner geben sich, gerade wenn man sie
mit den Studien zu den als Tafelbild erhalten Bildnis-
sen des Jörg Saur (Abb. 185) oder des unbekannten
Patriziers im Chrysler Museum (Abb. 183) vergleicht,
als Vorarbeiten zu einem gemalten Bildnis zu erken-
nen. Holbein nahm seine Kunden aus mehreren
Ansichten auf, der Typus der Halbfigur in schräger
Ansicht und die Genauigkeit, mit der die modische
Kleidung aufgezeichnet ist, scheinen auf das fertige
Bildnis zu zielen.
Indes eröffnet sich mit diesen Zeichnungen eine
Unsicherheit: Rauner, der »gvt gesel«, gehört dem
Aufwand der Kleidung nach zur Oberschicht, nach
Alter und Charakterisierung aber zu einer ganzen
196. Hans Holbein: Bildnis des Simprecht Rauner (Basel,
Öffentliche Kunstsammlung, Kupferstichkabinett,
14,1 x io,6 cm)
19J. Hans Holbein: Bildnis des Hans Schlegel (Basel,
Öffentliche Kunstsammlung, Kupferstichkabinett,
I3,S x 10,7 cm)
Reihe von Porträtstudien, die Mitglieder der Zünfte
zeigen. Ebenfalls aufwendig gekleidet, wenn auch
ohne Schmuck, ist ein junger Mann aus der Familie
Bomheckel, die zur Weberzunft gehörte.44 Hans Schle-
gel(?) (Abb. 197),45 Adolf Dischmacher (Abb. 198),46
Hans Aytelhe,47 ein Hans Schm ...,48 Hans Schwarz,
der aus zwei Ansichten gezeichnet ist (Abb. 199),49
Hans Pfleger 5° und mehrere unbekannte junge Män-
ner51 stammen aus den Zünften. Man möchte sie
nach der Erfahrung aus dem erhaltenen Bestand nicht
zu Bestellern von Tafelbildern rechnen. Indes hatte
sich der Goldschmied Jörg Seid 1497 abbilden lassen
(Abb. 200),52 war der »Aufsteiger« Martin Weiss
(Abb. 186) anläßlich seiner Hochzeit porträtiert wor-
den, trat dessen Vater als Stifter in Tafelbildern auf,
hatten sich die Zwölfer der Weberzunft im Gefolge
der Könige einer >Anbetung< aus Hl. Kreuz porträtie-
ren lassen." Die eigene Physiognomie der Nachwelt
zu überliefern war in Augsburg kein Privileg der
Patrizier und der Kaufleutezunft.
denn es fällt auf, dal? die Paare Thurzo-Fugger und
Fugger-Gassner sich nicht zu Gegenstücken fügen las-
sen, wie es gerade in genealogisch geprägten Porträt-
serien üblich ist.'8
Des weiteren sind die Zeichnungen mit den Büsten
des Ritters Jörg Schenck von Schenckenstein39 und
des Kaufmanns Hans Neil40 zu nennen, beides Por-
trätaufnahmen für den üblichen Typus mit einer
Wiedergabe des Dargestellten in der Schrägansicht
und allen Attributen der standesgemäßen Kleidung.
Die Zeichnungen sind beschnitten, ob die gemalten
Porträts die Hände zeigten, kann nicht mehr festge-
stellt werden. Einen Sonderfall stellt die Zeichnung
der Anna Laminit dar, die zuerst als fromme, be-
sonders begnadete Frau angesehen, dann als Betrüge-
rin entlarvt wurde (Abb. 195). Das Porträt der über
die Stadt hinaus bekannten, heiligmäßigen Frau wird
Holbein als Auftragsarbeit angefertigt haben.4' Auch
der Auftraggeber von Burgkmairs Porträt der Anna
Laminit ist nicht bekannt, das Bild belegt aber, daß es
in Augsburg Interessenten für ein Dokument der
frommen Person gab.42 Und schließlich ist da Sim-
precht Rauner, den Holbein in ein und derselben Sit-
zung in einer knapper gehaltenen Studie von Kopf
und Büste, nach links gewendet, sowie in weiterem
Ausschnitt, den Körper in Dreiviertelansicht, den
Kopf fast im Profil, zeichnete (Abb. 196). Was Hol-
bein hier an Charakter erfassen wollte, hat er in der
Aufschrift der einen Zeichnung notiert: »alle zeyt gvt
gesel Zimpfbrecht Raner«.4' Die Zeichnungen zu
Simbrecht Rauner geben sich, gerade wenn man sie
mit den Studien zu den als Tafelbild erhalten Bildnis-
sen des Jörg Saur (Abb. 185) oder des unbekannten
Patriziers im Chrysler Museum (Abb. 183) vergleicht,
als Vorarbeiten zu einem gemalten Bildnis zu erken-
nen. Holbein nahm seine Kunden aus mehreren
Ansichten auf, der Typus der Halbfigur in schräger
Ansicht und die Genauigkeit, mit der die modische
Kleidung aufgezeichnet ist, scheinen auf das fertige
Bildnis zu zielen.
Indes eröffnet sich mit diesen Zeichnungen eine
Unsicherheit: Rauner, der »gvt gesel«, gehört dem
Aufwand der Kleidung nach zur Oberschicht, nach
Alter und Charakterisierung aber zu einer ganzen
196. Hans Holbein: Bildnis des Simprecht Rauner (Basel,
Öffentliche Kunstsammlung, Kupferstichkabinett,
14,1 x io,6 cm)
19J. Hans Holbein: Bildnis des Hans Schlegel (Basel,
Öffentliche Kunstsammlung, Kupferstichkabinett,
I3,S x 10,7 cm)
Reihe von Porträtstudien, die Mitglieder der Zünfte
zeigen. Ebenfalls aufwendig gekleidet, wenn auch
ohne Schmuck, ist ein junger Mann aus der Familie
Bomheckel, die zur Weberzunft gehörte.44 Hans Schle-
gel(?) (Abb. 197),45 Adolf Dischmacher (Abb. 198),46
Hans Aytelhe,47 ein Hans Schm ...,48 Hans Schwarz,
der aus zwei Ansichten gezeichnet ist (Abb. 199),49
Hans Pfleger 5° und mehrere unbekannte junge Män-
ner51 stammen aus den Zünften. Man möchte sie
nach der Erfahrung aus dem erhaltenen Bestand nicht
zu Bestellern von Tafelbildern rechnen. Indes hatte
sich der Goldschmied Jörg Seid 1497 abbilden lassen
(Abb. 200),52 war der »Aufsteiger« Martin Weiss
(Abb. 186) anläßlich seiner Hochzeit porträtiert wor-
den, trat dessen Vater als Stifter in Tafelbildern auf,
hatten sich die Zwölfer der Weberzunft im Gefolge
der Könige einer >Anbetung< aus Hl. Kreuz porträtie-
ren lassen." Die eigene Physiognomie der Nachwelt
zu überliefern war in Augsburg kein Privileg der
Patrizier und der Kaufleutezunft.