gewesen ohne das ungemein freundliche, frauenhafte Lächeln der
zarten Lippen, ohne die feurigen Augen.
Ein kleiner, lebhafter Greis saß hier, altmodisch, schalkhaft, be-
weglich, der viel redete und wenig zuhörte. Nur wenn sein Mit-
gefühl für die Nöte eines Menschen geweckt wurde, zeigte er sich
sehr aufmerksam. „Es wird wohl übergehn! . , . Ja, was soll man
tun?“ sagte er, Rat und Hilfe überlegend.
Auch bei den großen Ereignissen der Weltgeschichte hätte Klop-
stock gern mitgeholfen.
Im Sommer 1789, als die Vorgänge in Paris ihn heftig er-
schütterten, wurde er von Johann Heinrich Voß, dem unbeugsamen
Feind des Adels, besucht. Klopstock begleitete den ehemaligen
Jünger von seinem Gartenhaus nach dem Dammtor zurück. Dort
blieb er stehen, prophetisch ausrufend:
„Großes ist geschehen für Gesetzlichkeit der Obermacht. Aber
Größeres steht bevor: Kampf der Patrizier und Plebejer durch
Europa, Die Fürsten im Dunstkreis der Patrizier werden verkehrt
sehen und verkehrt handeln, nach vielem Elend wird Vernunftrecht
walten vor dem Schwertrecht, aber wir beide erleben es nicht,“
So sprach Klopstock und wandte sich plötzlich mit gesenktem
Haupt,
Die Nationalversammlung machte ihn zum französischen Ehren-
bürger, Grund genug für den eitlen Greis, Larochefoucauld und
Lafayette politische und strategische Winke zu geben, für die der
Staatsmann und der General höflich zurückwinkten. Dem Herzog
Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig gebot Klopstock, den
Oberbefehl über das preußisch-österreichische Heer niederzulegen
und nicht gegen Frankreich zu marschieren, was damals dem deut-
schen Volk aus dem Herzen gesprochen war. An die Jakobiner
richtete er einen vorwurfsvollen Brief, den er aber, von Selbst-
kritik überrascht, in einem seiner Pappdeckel verschwinden ließ.
Die schöne Charlotte Corday, Marats Mörderin, erklärte der
immer noch galante Damenfreund für seine Heilige, Mit Entzücken
betrachtete er ihr ideales Dosengemälde, das er aus Paris bekommen
hatte, Ihre Büste stellte er unter einer kleinen, grünen Laube auf.
Harmloser waren die Seitensprünge, die Klopstock auf seinem
Hengst vollbrachte. Er wird von seinen Freunden als kühner Reiter
geschildert, der in seiner Jugend Pferde zuritt und noch mit siebzig
Jahren über Gräben setzte, während die erschrockenen Begleiter
auf den Stegen blieben. Sein Lieblingsritt ging nach Hamm, wo
Karoline Rudolphi ein weibliches Erziehungsinstitut unterhielt. Hier-
her trabte Vater Klopstock, stieg von seinem Gaul, setzte sich in
den Garten, versammelte die holden Mädchenblüten um sich und
las den geduldigen Kindern seine neuesten Oden vor. Ob sie anders
als mit den Augen zuhörten? — Schwierig war es, da Klopstock
vor lauter Feinheit der Modulation so leise sprach, „daß man am
Anfang glaubte, er schweige, wenn er schon redete, und ihn noch
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zarten Lippen, ohne die feurigen Augen.
Ein kleiner, lebhafter Greis saß hier, altmodisch, schalkhaft, be-
weglich, der viel redete und wenig zuhörte. Nur wenn sein Mit-
gefühl für die Nöte eines Menschen geweckt wurde, zeigte er sich
sehr aufmerksam. „Es wird wohl übergehn! . , . Ja, was soll man
tun?“ sagte er, Rat und Hilfe überlegend.
Auch bei den großen Ereignissen der Weltgeschichte hätte Klop-
stock gern mitgeholfen.
Im Sommer 1789, als die Vorgänge in Paris ihn heftig er-
schütterten, wurde er von Johann Heinrich Voß, dem unbeugsamen
Feind des Adels, besucht. Klopstock begleitete den ehemaligen
Jünger von seinem Gartenhaus nach dem Dammtor zurück. Dort
blieb er stehen, prophetisch ausrufend:
„Großes ist geschehen für Gesetzlichkeit der Obermacht. Aber
Größeres steht bevor: Kampf der Patrizier und Plebejer durch
Europa, Die Fürsten im Dunstkreis der Patrizier werden verkehrt
sehen und verkehrt handeln, nach vielem Elend wird Vernunftrecht
walten vor dem Schwertrecht, aber wir beide erleben es nicht,“
So sprach Klopstock und wandte sich plötzlich mit gesenktem
Haupt,
Die Nationalversammlung machte ihn zum französischen Ehren-
bürger, Grund genug für den eitlen Greis, Larochefoucauld und
Lafayette politische und strategische Winke zu geben, für die der
Staatsmann und der General höflich zurückwinkten. Dem Herzog
Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig gebot Klopstock, den
Oberbefehl über das preußisch-österreichische Heer niederzulegen
und nicht gegen Frankreich zu marschieren, was damals dem deut-
schen Volk aus dem Herzen gesprochen war. An die Jakobiner
richtete er einen vorwurfsvollen Brief, den er aber, von Selbst-
kritik überrascht, in einem seiner Pappdeckel verschwinden ließ.
Die schöne Charlotte Corday, Marats Mörderin, erklärte der
immer noch galante Damenfreund für seine Heilige, Mit Entzücken
betrachtete er ihr ideales Dosengemälde, das er aus Paris bekommen
hatte, Ihre Büste stellte er unter einer kleinen, grünen Laube auf.
Harmloser waren die Seitensprünge, die Klopstock auf seinem
Hengst vollbrachte. Er wird von seinen Freunden als kühner Reiter
geschildert, der in seiner Jugend Pferde zuritt und noch mit siebzig
Jahren über Gräben setzte, während die erschrockenen Begleiter
auf den Stegen blieben. Sein Lieblingsritt ging nach Hamm, wo
Karoline Rudolphi ein weibliches Erziehungsinstitut unterhielt. Hier-
her trabte Vater Klopstock, stieg von seinem Gaul, setzte sich in
den Garten, versammelte die holden Mädchenblüten um sich und
las den geduldigen Kindern seine neuesten Oden vor. Ob sie anders
als mit den Augen zuhörten? — Schwierig war es, da Klopstock
vor lauter Feinheit der Modulation so leise sprach, „daß man am
Anfang glaubte, er schweige, wenn er schon redete, und ihn noch
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