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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 7.1930

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Nr. 1 (Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43618#0038
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Ansprüchen herunter,“ sagte Klopstock entzückt von dem äußerlich
schlichten Seehelden, ,,Er hat eine vielleicht sehr schwer zu malende
Heiterkeit, die zuweilen ein wenig lächelnd wird,“ Frau Hamilton,
üppig und schön, gab trotz vorgerückter Schwangerschaft vor Klop-
stock ihre berühmten Attitüden zum besten. Sie war eine beleibte
Nymphe, eine angelsächsische Bacchantin, eine schmachtende Kleo-
patra. Sie hob die Augen italienisch, senkte ihre Schleier griechisch,
füllte mit runden Armen leere Räume, schwieg sehr, sang weniger
bedeutungsvoll und sagte, daß sie nur für Klopstock spiele, „Ich
werde den Abschiedskuß der Zauberin nicht vergessen!“ rief der
begeisterte Dichter, als sie ihn verlassen hatte.
Es war für ihn der Abschiedskuß des Lebens gewesen.
An einem rauhen Maitag des übernächsten Jahres fuhr er mit
einigen Bekannten zu einer Mittagsgesellschaft nach Ottensen, Als
der Wagen an der Linde von Metas Grab vorüberkam, unterbrach
ein zufälliges Schweigen das Gespräch, Mit ruhigem, ernstem Blick
sah Klopstock nach dem vom Nordwind stark bewegten Baum, bis
er ihn aus den Augen verlor. Einige Stunden später überfiel ihn im
Kreise seiner Freunde ein heftiges Schwindelgefühl, Bald konnte er
sich nicht mehr verständlich machen. Man brachte ihn nach Hause,
während der langen Fahrt befürchtend, er werde sterben. Sehr
schwach wurde er vor seinem Garten aus dem Wagen gehoben.
Einige Wochen schwebte er in Todesgefahr, von Fieberanfällen und
rheumatischen Schmerzen gepeinigt. Der Sommer war feucht und
rauh. Erst im Herbst konnte Klopstock wieder einige warme Sonnen-
tage in seinem Garten zubringen. Es waren die letzten, die er genoß.
Der Winter brachte neue Anfälle. Noch immer sah er abends den
Besuch von Freunden, Oft las er in seinem Messias, „Meint nicht,
daß ich mich als Dichter lese,“ sagte er, „Ich tue es, um mich zu
erbauen,“
Nach einem besonders heftigen Anfall kämpfte er drei Tage lang
in seinem Lehnstuhl gegen das Leiden, dann sank er mit den Worten:
„Mich wird der Frühling nicht erfreuen,“ auf das gefürchtete
Krankenlager, von dem er sich nicht mehr erhob,
„Ich sterbe, lieber Klopstock,“ hatte sein alter Freund Gleim ge-
schrieben, Und Gleim starb. Man verschwieg es Klopstock, Er
fragte nicht. Er wußte es auch so.
Vier Wochen lang rang Klopstock mit dem Tode, Den Freunden
schickte er Grüße, sah sie aber nicht mehr. Nur sein Bruder durfte
ihn noch einmal besuchen. Als er die Erschütterung des Eintretenden
sah, reichte er ihm die Hand mit den Worten: „Kein Mitleid, mein
Bruder!“
Selbst von dem einst so sehr geliebten Licht der Sonne ließ er sich
durch Vorhänge scheiden. Er fragte nicht mehr nach dem Wechsel
der Stunden. Er war allein mit seinen Gedanken an den 1 od.
Er träumte, vom Opium betäubt. Mit seinem ehemaligen Gönner,
dem edlen, freigebigen Markgrafen Karl Friedrich von Baden, stand

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