Warum lacht der Mensch so gern?
Ich fragte einen Arzt, er sagte: Aus physiologischen Gründen. Das Lachen, eine
Expirationsbewegung mit Intonation der Stimme und unwillkürlichen Bewegungen
der Gesichtsmuskeln sei kurz und gut nichts als eine Funktion des Leibes. Es
beruhe im Wesentlichen auf einer Reflexbewegung des Lachmuskels, die durch
gewisse Gefühlseindrücke wie z. B, Kitzeln an den Fußsohlen ausgelöst würde.
Die oft betonte und wohl bei mäßiger Anwendung unbestreitbare wohltätige
Wirkung des Lachens erkläre sich dadurch, daß auch das Zwerchfell gereizt und
in Vibration versetzt würde, wodurch sich die Tätigkeit lebenswichtiger Organe
wie Leber, Niere, Gallenblase steigere. Übrigens könne sich das Lachen bei reiz-
baren Individuen zum durchaus nicht harmlosen sogenannten Lachkrampf steigern.
Diese Auskunft befriedigte mich teilweise. Ich fragte dann einen Psychologen.
Er deutete mir an, das Leben sei eine Funktion der Seele. Es sei cum grano
salis der dem Menschen eigentümliche Ausdruck der Freude. ,,Betrachten Sie
einen Lachenden", sagte er, ,.beurteilen Sie Mimik, Gestik, Stimme, spricht nicht
aus allem dies ,ich freue mich!'?" Ein Mensch aber, der sich freue, so behauptete
er, könne nichts Böses tun. Und weil in der menschlichen Seele bekanntlich das
Böse mit dem Guten im Kampfe läge, weil der Lebensprozeß der menschlichen
Seele (er bäte, sich ganz im Groben so äußern zu dürfen) nichts anderes sei als
eine stetige Entwicklung durch die Hemmungen des sogenannten „Bösen“ hindurch
zum „Guten“, weil, zusammenfassend gesagt, die Seele aus der Unvollkommenheit
zur Vollkommenheit strebe, darum bediene sie sich so gern der Freude, die, wie
schon erwähnt, sich im Lachen äußere.
Auch diese Auskunft befriedigte mich teilweise. Ich fragte noch einen Philo-
sophen, Er belehrte mich: Das Lachen sei eine Funktion des Geistes, Er zitierte
Beaumarchais: Je me häte de rire de tout, de peur d'etre oblige d'en pleurer.
Er sagte, alle wahrhaften Humoristen seien Leidende, ausgehungerte und endlich
zur Einsicht gekommene Tragiker, „Leiden und Enttäuschung schärfen den Blick“,
sagte der Philosoph, „wer viel erlebt hat, sieht tief, und nicht alles erscheint ihm
erfreulich. So einer ist manchmal geneigt, den Wert des Lebens zu unterschätzen,
und der Mensch erscheint ihm oft nur als ein klägliches Gebilde von Wunsch,
Floffnung und Unvermögen mit dem nötigen anatomischen Zubehör, So gelangt er
leicht aus dem Paradies der Natur über den kalten See des Zweifels in die Öde
des ewigen Eises, in die Lebensverneinung. Nun, gibt es wohl schönere Rettung
aus diesen eisigen Zonen als jene durch die Sonne des Humors? Wohl dem, der
das bunte Fenster findet, das Fenster des Humors! Ein Blick hindurch, und die
Welt sieht ganz anders aus. Nun sieht man z, B, die Stockbeine des Helden, die
Roheit des Menschenfreundes, den Hängebauch des Idealisten, kurz und gut die
unheilvolle Doppelseitigkeit des Menschen — dies alles sieht man nun plötzlich
ganz anders, nämlich komisch. So, daß man darüber lachen muß. Dieses Lachen
aber bedeutet nicht Spott, nein, es entspringt vielmehr einer erfrischenden und
schwer zu definierenden Mischung von Mitleid und Zuneigung. Manche meinen,
es deute auf Güte oder gar auf Liebe. Und so ist es auch, man muß diese vorher
gehaßten Geschöpfe einer unergründlichen Natur, (zu denen man vor allem sich
selber rechnet), nun lieben, weil man ihr vorher so bitter empfundenes heterogenes
Gefüge als charaktermäßige Gebundenheit, als unumgängliche Notwendigkeit., als
menschliches Los nun einsieht. Man kann nun lachen, und dieses Lachen bedeutet
Lösung, Ja, der Humor erhebt! Zwar nicht, indem er lobsingt, sondern indem er
tröstet. Der Humor erschüttert! Zwar nicht, indem er Furcht weckt, sondern indem
er Furcht heilt, Humor ist Liebe! Nicht jene seichte Liebe, von der man sagt, sie
mache blind, sondern jene wahre Liebe, die scharfäugig ist und in den kleinsten
Dingen das Große, im verworfensten Menschen den göttlichen Funken entdeckt,
„Also gehen Sie“, —• so schloß der Philosoph, — „und lernen Sie das Lachen."
Diese Auskunft machte meine Befriedigung fast vollkommen,
Ja, rief ich, wenn es so ist, o dann laßt uns fröhlich sein!
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Ich fragte einen Arzt, er sagte: Aus physiologischen Gründen. Das Lachen, eine
Expirationsbewegung mit Intonation der Stimme und unwillkürlichen Bewegungen
der Gesichtsmuskeln sei kurz und gut nichts als eine Funktion des Leibes. Es
beruhe im Wesentlichen auf einer Reflexbewegung des Lachmuskels, die durch
gewisse Gefühlseindrücke wie z. B, Kitzeln an den Fußsohlen ausgelöst würde.
Die oft betonte und wohl bei mäßiger Anwendung unbestreitbare wohltätige
Wirkung des Lachens erkläre sich dadurch, daß auch das Zwerchfell gereizt und
in Vibration versetzt würde, wodurch sich die Tätigkeit lebenswichtiger Organe
wie Leber, Niere, Gallenblase steigere. Übrigens könne sich das Lachen bei reiz-
baren Individuen zum durchaus nicht harmlosen sogenannten Lachkrampf steigern.
Diese Auskunft befriedigte mich teilweise. Ich fragte dann einen Psychologen.
Er deutete mir an, das Leben sei eine Funktion der Seele. Es sei cum grano
salis der dem Menschen eigentümliche Ausdruck der Freude. ,,Betrachten Sie
einen Lachenden", sagte er, ,.beurteilen Sie Mimik, Gestik, Stimme, spricht nicht
aus allem dies ,ich freue mich!'?" Ein Mensch aber, der sich freue, so behauptete
er, könne nichts Böses tun. Und weil in der menschlichen Seele bekanntlich das
Böse mit dem Guten im Kampfe läge, weil der Lebensprozeß der menschlichen
Seele (er bäte, sich ganz im Groben so äußern zu dürfen) nichts anderes sei als
eine stetige Entwicklung durch die Hemmungen des sogenannten „Bösen“ hindurch
zum „Guten“, weil, zusammenfassend gesagt, die Seele aus der Unvollkommenheit
zur Vollkommenheit strebe, darum bediene sie sich so gern der Freude, die, wie
schon erwähnt, sich im Lachen äußere.
Auch diese Auskunft befriedigte mich teilweise. Ich fragte noch einen Philo-
sophen, Er belehrte mich: Das Lachen sei eine Funktion des Geistes, Er zitierte
Beaumarchais: Je me häte de rire de tout, de peur d'etre oblige d'en pleurer.
Er sagte, alle wahrhaften Humoristen seien Leidende, ausgehungerte und endlich
zur Einsicht gekommene Tragiker, „Leiden und Enttäuschung schärfen den Blick“,
sagte der Philosoph, „wer viel erlebt hat, sieht tief, und nicht alles erscheint ihm
erfreulich. So einer ist manchmal geneigt, den Wert des Lebens zu unterschätzen,
und der Mensch erscheint ihm oft nur als ein klägliches Gebilde von Wunsch,
Floffnung und Unvermögen mit dem nötigen anatomischen Zubehör, So gelangt er
leicht aus dem Paradies der Natur über den kalten See des Zweifels in die Öde
des ewigen Eises, in die Lebensverneinung. Nun, gibt es wohl schönere Rettung
aus diesen eisigen Zonen als jene durch die Sonne des Humors? Wohl dem, der
das bunte Fenster findet, das Fenster des Humors! Ein Blick hindurch, und die
Welt sieht ganz anders aus. Nun sieht man z, B, die Stockbeine des Helden, die
Roheit des Menschenfreundes, den Hängebauch des Idealisten, kurz und gut die
unheilvolle Doppelseitigkeit des Menschen — dies alles sieht man nun plötzlich
ganz anders, nämlich komisch. So, daß man darüber lachen muß. Dieses Lachen
aber bedeutet nicht Spott, nein, es entspringt vielmehr einer erfrischenden und
schwer zu definierenden Mischung von Mitleid und Zuneigung. Manche meinen,
es deute auf Güte oder gar auf Liebe. Und so ist es auch, man muß diese vorher
gehaßten Geschöpfe einer unergründlichen Natur, (zu denen man vor allem sich
selber rechnet), nun lieben, weil man ihr vorher so bitter empfundenes heterogenes
Gefüge als charaktermäßige Gebundenheit, als unumgängliche Notwendigkeit., als
menschliches Los nun einsieht. Man kann nun lachen, und dieses Lachen bedeutet
Lösung, Ja, der Humor erhebt! Zwar nicht, indem er lobsingt, sondern indem er
tröstet. Der Humor erschüttert! Zwar nicht, indem er Furcht weckt, sondern indem
er Furcht heilt, Humor ist Liebe! Nicht jene seichte Liebe, von der man sagt, sie
mache blind, sondern jene wahre Liebe, die scharfäugig ist und in den kleinsten
Dingen das Große, im verworfensten Menschen den göttlichen Funken entdeckt,
„Also gehen Sie“, —• so schloß der Philosoph, — „und lernen Sie das Lachen."
Diese Auskunft machte meine Befriedigung fast vollkommen,
Ja, rief ich, wenn es so ist, o dann laßt uns fröhlich sein!
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