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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 7.1930

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Nr. 7/8 (Juli-August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43618#0498
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dern sich aus einer elementaren Kraftregung und dem Gefühl der
Fremdheit gegen anderes Blut entluden. Damit verband sich ein rätsel-
hafter Hang zur Grausamkeit, der auch uns noch zu verwirren ver-
mag. Durch das Christentum wurden diese regellosen Ausbrüche des
Bluterbes wohl besänftigt, gebändigt und geordnet wurden sie vor
allem durch den Staat*). Der Staat wurde zuletzt der alleinige Or-
ganisator des Krieges. Mit der Demokratisierung des staatlichen
Lebens wuchs diese Organisation ins Maßlose und Massenhafte, Die
damit verbundene Rationalisierung machte aus den bluthaften Be-
zügen zum kriegerischen Geschehen eine vorwiegend propagandi-
stisch-chauvinistische Angelegenheit. Der gleichzeitige Aufschwung
der Technik gab endlich die Mittel in die Hand, den Krieg bis zur
Vernichtung seines elementar-menschlichen Sinnes zu übersteigern.
Wenn die technischen Höhepunkte des Weltkrieges, die Material-
schlachten, für einzelne vom Schlage Ernst Jüngers von schöpfe-
rischer Bedeutung wurden, so hat hier trotz eines entarteten Krie-
ges ein Mensch gesiegt. Das Gesamtergebnis dieses Krieges aber
spricht eine andere Sprache,
Wie die Maschine als Geistesprodukt sich von ihrem Erzeuger
und seinem Lebenszusammenhang löste und ihn wiederum ihrem
mechanischen Gesetze versklavte, so bedroht uns der zivilisierte
Massen- und Materialkrieg, ein Produkt unserer entfesselten Gei-
stes- und zersetzten Blutkräfte, mit der Vernichtung unseres kultu-
rellen und nationalen Daseins, Inwieweit dieses Schicksal ein nur
europäisches oder gar planetarisches ist, soll hier nicht behandelt
werden; an erster Stelle ist es ein deutsches. Es ergibt sich; Die
Überwindung des Krieges ist nicht eine auf besondere Lebensgebiete
begrenzte Angelegenheit, sie wird nur aus einer Gesamtordnung
unserer Lebenszusammenhänge geleistet werden. Aber diese Lebens-
erneuerung glauben die Befürworter des Krieges ja gerade durch
den Krieg zu erreichen. Für sie war bereits der Weltkrieg nur der
großartige Ausbruch des deutschen Wesens gegen die westliche
Zivilisation, und auch die Niederlage habe diesen Sinn des Krieges
für den Deutschen nicht zerstört. Da ist aber festzustellen: Der
Durchbruch zur Nation geschah bereits von den Kreisen des Wan-
dervogels aus vor 1914 und aus einem anderen Erlebnis als dem des
Krieges, aus dem naturhaften Erlebnis der Landschaft und der ele-
mentaren Seelenkräfte. Das Ergebnis des Krieges für Deutschland
und Europa dagegen ist der Sieg der westlichen Zivilisation auf
ganzer Linie. Und der kommende Krieg, zu dem die Jugend der
nationalen Lager rüstet, dessen Sinn die Darstellung der Nation sein
soll, er wird trotz aller Gegenwehr jener Wackeren, die sich um
die schwarze Fahne zu sammeln beginnen, in jedem Falle den
Triumph des entwurzelten, zivilisierten und intellektuellen Euro-
päers bringen. Will man doch diesen kommenden Krieg führen mit
*) Vgl, G, Günther: Die Bändigung des Krieges durch den Staat in „Krieg und
Krieger“, hg. v, E, Jünger, Verl, Junker u, Dünnhaupt. Berlin 1930,
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