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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 8.1931

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Nr. 2 (Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43624#0089
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aufmerksamen Beobachter aber gerade in einem Augenblick
abberufen wurde, wo vieles erst halbfertig war. Ein Teil der Erb-
schaft bestand aus Fragmenten.
Zunächst war ein halbfertiger Kunsthallenbau unter den schwie-
rigsten äußeren Verhältnissen zu Ende zu führen. Ein solcher Bau
ist ein kunsttaktisches Glaubensbekenntnis; niemand hat das stärker
betont als Lichtwark. Kein ernsthafter Mensch aber kann das
Glaubensbekenntnis eines anderen ohne weiteres mit voller Über-
zeugung übernehmen. In dieser und in mancher anderen Hinsicht
war Pauli vor eine Taktfrage gestellt, die er im schwierigen Ab-
wägen zwischen Entsagung und Behauptung feinfühlig gelöst hat.
Und nun mußte er an den Stellen, wo er Fragmente vorfand,
weiterbauen. Solch ein Tun ist eine undankbare und im allgemeinen
auch von den Freunden wenig beachtete Arbeit; sie ist oft müh-
seliger als das erfrischende Bauen mit neuen Steinen, Für Hamburg
aber war es ein Segen, daß es einen Mann bekommen hatte, der
diesen stillen Ausbau des Begonnenen nicht vernachlässigte. Nie-
mand würde in diesen Tagen dankbarer als Lichtwark selbst aner-
kennen, wie unter Pauli das Bild der Hamburger Romantiker er-
gänzt ist, wie sich der organische Aufbau der impressionistischen
Kunstbewegung, den Lichtwark so liebevoll begonnen hatte, in
glücklicher Weise vollendet hat, wie das weite und schöne Reich
der Graphik, dessen Errichtung Lichtwark nicht mehr erleben
konnte, unter Paulis kundigen Händen lebendig aufgebaut ist, wie
sich die mehr von Mensch zu Mensch wirkende Form der künstle-
rischen Propaganda, die Lichtwark noch so meisterlich ausüben
konnte, in die den Zeitverhältnissen entsprechende breitere Form
der „Freunde der Kunsthalle“ umgestaltet hat.
Aber auch die Schwierigkeiten, die an und für sich in Lichtwarks
Erbschaft lagen, sind nicht das Wesentlichste, was Pauli zu meistern
hatte. Will man seine Hamburger Tätigkeit gerecht beurteilen, so
muß man in erster Linie in Rechnung stellen, daß er diese ganze
schwierige neue Arbeit in einem Augenblick begann, wo der Krieg
alle künstlerischen Fäden entweder abriß oder verwirrte. Die
meisten Kanäle, die Lichtwark zwischen seiner Kunsthalle und den
Einwohnern Hamburgs kunstvoll gebaut hatte, waren durch die Er-
schütterungen der Zeit verschüttet oder verstopft. Aus künstle-
rischen Erbschaften, auf die man mit Sicherheit gebaut hatte, konn-
ten nur die geschicktesten und energischsten Hände das Notwen-
digste retten, von den Traditionen künstlerischen Lebens, mit denen
der Kunstleiter einer Stadt im allgemeinen rechnen kann, war nicht
viel mehr als äußere Ansprüche übriggeblieben.
Neben dieser Verwirrung des Apparates trat aber zugleich eine
weitere innerliche Verwirrung hervor; die revolutionären Erschei-
nungen der Zeit zeigten sich vielleicht auf keinem Lebensgebiet hef-
tiger als auf dem der Kunst, insbesondere auf dem der am leich-
testen beweglichen Malerei, Äußerlich wäre es sehr dankbar ge-

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