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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 8.1931

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Nr. 2 (Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43624#0147
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Nein, auch nicht Scherer. „Vielleicht einer der alten Organisten; oder vielleicht
Bach, der sich um die Stellung bewarb." Keiner von ihnen. „Dann wohl Hans
Henny Jahnn, der die Rettung und Neuherstellung der Orgel durchsetzte."
Auch er nicht, „Dann Schweitzer oder Mahrenholz, deren Gutachten die Ret-
tung ermöglichten." Auch sie nicht. „Dann Kemper, der die Orgel wieder-
hergestellt hat,“ Auch dieser nicht. „Aber es muß doch jemand sein, der mit
der Orgel oder dem Büchlein in Zusammenhang steht!" Ist es auch, „Dann
also vielleicht der Verleger," Nein. „Der Hauptpastor." Nein. „Einer der
15 Orgelbaugehilfen." Nein. „Die Heilige Cäcilie." Nein. „Der Bälgetreter."
Nein, alles vorbeigeraten. Ich will es euch sagen: Karl Mehrkens. „Der Or-
ganist Karl Mehrkens!?" Der Organist Karl Mehrkens. „In seinem eigenen
Buch!?" In seinem eigenen Buch. Was gibt es da zu lachen? Ein schönes
Brustbild, von Karl Siemsen und Sohn aufgenommen! Karl Mehrkens, wie er
lebt! Mit hellgetupftem Schlips und einem Kavaliertuch in der Brusttasche
blickt er uns lustig an. Wir sind weit davon entfernt, dies Bild in diesem Buche
für überflüssig zu halten; wir meinen vielmehr, daß es nur gut sein kann, wenn
ein Autor sein Gesicht zeigt.
Nun zur Geschichte der Orgel selbst! Von Arp Schnitger ab 1688 erbaut,
gehörte sie, zumal Schnitger auch Teile der älteren Werke verwendet hatte,
zu den schönsten Werken des niederdeutschen Orgelbaues. Dann wurde sie
im 19. Jahrhundert wie alle ihre Schwesterwerke vom Erfindungsteufel geholt
und von verbesserungswütigen Pfuschern schwer beschädigt. Bis Hans Henny
Jahnn und Gottlieb Harms sie gegen den Willen ihres Organisten Karl Mehr-
kens und mancher anderer von den Schäden wieder befreiten. Als der Organist
Karl Mehrkens nicht aufhörte, nach modernen „Verbesserungen" zu verlangen,
die den Klang der Orgel zerstört hätten, waren es die Gutachten von Schweit-
zer und Mahrenholz, die die Orgel vor der Erfüllung seiner Wünsche bewahrten
und denen er sich beugte. Jetzt sitzt er, ein Glücklicher wider Willen, an
einer der schönsten Orgeln, die man sich denken kann, und spielt darauf so
schlecht, daß man weinen könnte.
Treuherzig und nicht ohne Selbstironie erzählt Karl Mehrkens die Geschichte
seiner Orgel und seiner selbst, berichtet über die „einschneidenden Verände-
rungen" von 1865 (die oben erwähnten Schädigungen), die „dem Werk zum
großen Vorteil gereichten", und zwei Zeilen weiter darüber, daß die damals
eingebauten Register nunmehr „wieder entfernt worden, weil sie im Gegensatz
zu den alten Pfeifen einen Fremdkörper an der Orgel darstellten". Dann lobt
er den Klang des Instruments (des damaligen, verdorbenen!) und erklärt, war-
um man darauf schwer konzertieren konnte; moderne Werke nämlich konnte
man darauf nicht registrieren, und „in damaliger Zeit waren eben die .alten’
Meister noch nicht .modern’." Er plaudert von seinen Kriegserlebnissen,
schmückt den Bericht mit einigen kleinen „lustigen" Anekdoten und gelangt
endlich zu der „Renaissance für die Kirchenmusik“, die denn auch an seine
wohlverschlossenen Pforten ihre Wogen warf. Er lobt den Orgelbauwissen-
schaftler Hans Henny Jahnn und berichtet nur Gutes von ihm; „seine ganze
Kraft, Zeit und auch sein Geld" habe er „der guten Sache geopfert". Er lobt
den Orgelbauer Kemper, er druckt die Gutachten ab, die ihn von seinen
schlimmen Absichten kurierten, die beiden gewissenhaften und weisen Schutz-
maßnahmen von Albert Schweitzer und Christhard Mahrenholz von 1928, er
berichtet schließlich über die letzte Wiederherstellung der Orgel im Jahr 1930
und preist am Ende den Herrn.
Wer das Büchlein aus der Hand legt, hat den Eindruck: das könnte auch
der Bälgetreter allenfalls geschrieben haben (dessen Tätigkeit im übrigen seit
1904 von einem Windmotor besorgt wird). Nicht nur die heiteren Anekdoten
würden seinem Niveau entsprechen (etwa die Geschichte von dem Prinzen der
Niederlande und dem „schlagfertigen" Organisten, der sich — so wie der Prinz
mit einem Diner — mit einer Predigt pro Sonntag begnügt, oder die Geschichte
von der Gehaltszahlung nach niedergedrückten Pfunden), auch das „Sachliche“

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