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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 8.1931

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Nr. 12 (Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43624#0753
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ganz kurz wegkommt, in den von Bayreuth gebilligten etwa 20
Wagner-Briefbänden gar nicht erscheint. Und nun lese man das
inhaltschwere Schreiben eines der größten Dramatiker, der Denker
war und scharfblickender Diplomat.
Verehrter Freund!
Ich muß Ihnen einige Auskunft geben, und namentlich habe ich wegen des
Briefes, den Sie mir anvertrauten, Sie zu beruhigen. Was meinen Fall betrifft,
so kann ich nichts mehr wünschen, als daß meine Freunde ihn als unaufgeklärt
und unverständlich vorläufig ganz unbesprochen lassen. Ich selbst habe mir
das strikteste Schweigen zur Pflicht gemacht, und um mir dies zu ermöglichen,
gehe ich so weit, keine Zeitung zu lesen. Ich kann kein Wort sagen, was
nicht den König bloßstellen und diskreditieren müßte: darauf, daß Er nicht nur
erstarke, sondern daß auch der Glaube an ihn nicht unrettbar verloren gehe,
baue ich alle letzte Hoffnung — für Ihn — weil ich ihn liebe. —
Doch ist es mir lieb, bei einem gewissenhaften und verständigen Freunde,
schon jetzt und für alle Fälle den pragmatischen Hergang der mich betreffenden
Vorfälle in prägnantester Form niederzulegen. —
Was die eigentlichen Veranlassungen zu der im Februar d. J, gegen mich
losgelassenen Agitation waren, wird mir neuerdings wieder etwas undeutlich:
ich glaube, man wollte darüber aufs Reine kommen, woran man mit mir sei,
da nun einmal ersichtlich wurde, daß der König in seiner Liebe zu mir nicht
irr zu machen war. Pfistermeister schien möglicherweise aufgegeben werden
zu müssen, da schickte man mir aus Regensburg Hr. v, Geuben mit einem
alten Bekannten von mir, dem eh. Staatsrath Klindworth, politischer Agent
Österreichs in Brüssel, in das Haus. Mir wurde auf eine sonderbare Weise
Teilnahme an einem großen Finanzunternehmen des Fürsten Taxis angeboten.
Ich blieb dumm. Die Beiden kamen wieder, mit Klindw.’s Tochter, welche ihre
ältere Freundschaft mit Fr. v. Bülow zu benutzen hatte, Der alte Kl. bot mir
offen seine Dienste an, wenn ich ihn statt Pf, beim König unterbringen wollte.
Abermals blieb ich dumm. — Andrerseits vertuschte nun Pf., so gut es ging,
das Vorgefallene, brachte das Sempersche Theater, Kunstschule. Tristan und
Isolde mit Feuer auf das Tapet, stellte mir einen unbegrenzten Kredit in Aus-
sicht, veranstaltete den Ankauf meines Wohnhauses für die Zivilliste usw,,
immer aber brachte er (im Namen des Königs — mit dem ich doch selbst stets
ungestört korrespondierte) meine neuesten Ansichten über Religion u. Staat
auf das Register des zu besprechenden: er wollte strikte Auskünfte, und zwar
mit unverhohlener Schmeichelei. Nichts fleckte: ich blieb dabei, meine Kunst-
pläne, und nichts anderes im Sinne zu haben. Ich war also nicht zu werben.
Somit mußte die Gelegenheit gegen mich ersehen werden. Wiederholt, auch
bei der Verzögerung der Aufführungen meines neuen Werkes, suchten sie den
König zu schrecken und gegen mich, als eine Unmöglichkeit einzunehmen. Man
organisierte mir künstliche Finanzverlegenheiten, um Schmach über mich zu
bringen. Gegen sie mußte ich mich offen an den König wenden. Dies benützte
man, um durch Fr, v. Bülow, Katholikin und Liszts Tochter, über mich Zusagen
zu erhalten. Meine Antwort war mein Vorschlag, Sie zu berufen, von welchem
mir Lutz gestand, daß Kabinet und Minister sich darüber entsetzt hätten. Neue
furchtbare Agitation auf den König: Sturm durch den alten König Ludwig.
Der junge K, antwortet endlich hierauf durch einen Ausflug nach der Schweiz
und meine Einladung nach Hohenschwangau. Dort wurde ich 8 Tage wie ein
naher Verwandter bewirtet, fuhr vierspännig mit Vorreiter mit ihm aus, wurde
so zwei Stationen weit zur Eisenbahn von ihm begleitet, nahm alle Mahlzeiten
allein mit ihm gemeinschaftlich, Pfist, entfernt, — Nun nahm mich Lutz vor.
Letzter Versuch, mich zu gewinnen: Offenes Bekenntniß des Gehorsams gegen
Bismarck, volle Reaktion, Reduktion der Verfassung usw. Ich blieb dabei,
nichts mit alledem zu tun haben zu wollen. Mit dem K. beriet ich die An-

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