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Krenn, Margit; Winterer, Christoph
Mit Pinsel und Federkiel: Geschichte der mittelalterlichen Buchmalerei — Darmstadt: WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), 2009

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.71566#0013
License: Creative Commons - Attribution - NonCommercial
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Selbstverständlich kennt nicht nur das Mittelal-
ter die Buchmalerei. Auch noch in der Renaissance
sind manche prachtvolle Miniaturen für handge-
schriebene oder gedruckte Bücher geschaffen wor-
den. Vor allem hat auch schon die Antike Malereien
in ihrer Art des Buches gekannt, ja das Mittelalter
hat sogar sehr viel aus der antiken Buchkultur
geerbt. Aber zur Antike gibt es wesentliche Unter-
schiede: Da ist einmal die andere Form und das ver-
änderte Material. Das antike Buch bestand ur-
sprünglich aus zusammengeklebten Papyrusstreifen,
die einseitig beschrieben waren und als Rollen gela-
gert wurden. Zumeist war der Text quer zum Lauf
der Streifen in Kolumnen geschrieben, die jeweils
von rechts nach links weitergerollt wurden. Dicke-
re Farben ließen sich wegen der Einrollung und der
Sprödigkeit des Papyrus nicht auftragen, höchstens
kolorierte Zeichnungen waren möglich, und es sind
auch einige Fragmente solcher Rollen mit Zeich-
nungen erhalten geblieben. Jedoch ließ sich auch
nicht einfach auf diese Bilder zugreifen. Vor- und
Zurückdrehen war erheblich aufwändiger als das
Blättern in einem Buchblock; dadurch mussten sich
Bilder sinnvollerweise auf nahegelegene Textstellen
beziehen und konnten nur mit Aufwand mehrfach
betrachtet werden. Das Format der Bücher durfte
obendrein im Interesse der Handhabung nicht zu
groß werden und war im Übrigen durch die Stan-
dards der ägyptischen Papyrusfabriken schon vor-
gegeben. Anders als bei dem lokal hergestellten Be-
schreibmaterial Pergament war es kaum möglich,
das Format an eine gewünschte Illustrationsgröße
anzupassen.
Ab etwa dem Ende des 1. Jahrhunderts nach
Christus war aber auch jene Buchform bekannt, die
in Mittelalter und Neuzeit die vorherrschende sein
sollte. Dieses Medium erhielt seinen Namen „Co-
dex" von der Bezeichnung für einen Holzblock,
weil es im geschlossenen Zustand an einen solchen
erinnert. Zudem waren zuvor schon holzgerahmte
Wachstäfelchen ganz ähnlich zu Blöcken zusam-
mengeschnürt worden. Ganz zu Anfang sind die
Codices wohl noch aus Papyrus gefertigt worden,
doch schon in der Spätantike ging diese Buchform
eine für lange Zeit enge Bindung mit dem Material
Pergament ein, die erst durch das Aufkommen des
Papiers ab dem Spätmittelalter langsam gelockert
wurde. Der Codex konnte weit mehr Text in einem
einzigen Buch fassen und nutzte das Material schon
dadurch erheblich besser aus, dass nun die Blätter
beidseitig beschrieben wurden. Pergament, die
Haut von Ziegen, Schafen oder Kälbern, brachte

noch ganz andere Vorteile. So ist es viel beständiger
als Papyrus, und das auch unter weniger günstigen
Bedingungen. Papyrus überdauert am besten in
sehr trockenem Klima, weshalb ein nicht geringer
Teil der erhaltenen Papyri in der ägyptischen Wüs-
te gefunden wurde. Auch der Gebrauch schadet
den Papyri weit stärker als den Pergamentblättern.
Ein weiterer Vorteil des Pergaments war die ortsna-
he Herstellung, die Preise und Qualität regulieren
half, von der Einfuhr aus Ägypten unabhängig
machte und eine Vielfalt an Formaten zuließ. Ab
dem 4.Jahrhundert wurden dann auch Codices
häufiger aus Pergament als aus Papyrus hergestellt.
Während für die Urkunden Papyrus noch lange
verwendet wurde - das letzte erhaltene Exemplar
aus der päpstlichen Kanzlei, das auf diesen Stoff ge-
schrieben wurde, stammt aus dem Jahr 1057 -,
scheint es dann aus den Büchern recht schnell ver-
schwunden zu sein.
Abgesehen von der materiellen Neuerung, die
dem Mittelalter ein extrem beständiges und sehr
fassungsfähiges Informationsmedium in die Hand
gab, vollzogen sich jedoch auch kulturelle Wand-
lungen, die dem mittelalterlichen Buch erst seinen
herausragenden Status verschafften. War das Buch,
ob als Rolle oder als Codex, in der Antike als Aus-
weis von Bildung sicher sehr angesehen gewesen,
wurde es von der neuen Religion der Christen als
Träger der göttlichen Offenbarung angesehen. Kein
römischer oder griechischer Gott wurde mit einem
Buch als Attribut dargestellt. Da nach dem Evange-
listen Johannes aber Christus selbst das fleischge-
wordene Gotteswort war, wurde nun das Buch, das
seine Taten enthielt, als Repräsentant des Erlösers
in der Welt behandelt. Die Bezeichnung „Buchreli-
gion" ist keine bloße Formel. Das Evangelium
konnte (und kann!) auf einen Thron gesetzt werden
und bei Kirchenversammlungen den Vorsitz füh-
ren, man legte es Bischöfen bei der Weihe aufge-
schlagen auf die Schultern, auf ihm wurden Schwü-
re abgelegt. Das Evangelienbuch wurde auch auf
feierlichen Prozessionen mit verhüllten Händen
mitgeführt und hochgestellten Besuchern beim
Einzug an einen Ort entgegengetragen.
Vor allem drang das Buch nun in einem Maß in
den religiösen Kult ein, das die heidnischen Religi-
onen der Antike nicht gekannt hatten. Nur das Ju-
dentum war dem Christentum in dieser Frage noch
vergleichbar und in vielerlei Hinsicht vorbildlich.
So achtete bereits die frühe Kirche darauf, die Be-
richte über Leben, Sterben und Auferstehung Jesu
Christi so vollständig wie möglich im Verlauf des

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• Bild im
Mittelalter
 
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