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Kümmel, Otto; Cohn, William [Editor]
Die Kunst des Ostens (Band 4): Die Kunst Ostasiens — Berlin: Cassirer, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.73698#0011
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VORBEMERKUNG

1

I.
Dieses Buch hat keinerlei wissenschaftlichen Wert. Es will weder kunst-
geschichtliche Tatsachen mitteilen, noch kunstwissenschaftliche Gesetze
aufzeigen; wer dergleichen sucht, nehme es lieber nicht in die Hand.
Es wendet sich ausschließlich an den Kunstfreund, dem Kunstgeschichte
und Kunstwissenschaft gleichgültig oder nebensächlich sind. Nur der innere
Wert der Werke, in einzelnen Fällen ihre besondere technische Meisterschaft,
hat über ihre Aufnahme bestimmt. Manche Arbeiten von höchster kunst-
geschichtlicher Bedeutung, ja ganze Schulen, die jahrhundertelang eine beherr-
schende Stellung eingenommen haben, wird man daher vergebens suchen.
Die Kunst Ostasiens ist uns freilich zu einem großen, vielleicht zum besten
Teile, noch unbekannt. Fortschreitende Forschung wird uns höchst wahrscheinlich
noch Außerordentliches kennen lehren, und manches außerordentlich scheinende
in die Masse des gewöhnlichen verweisen. Aber selbst dem Bekannten stehen
wir heute noch mit unsicherem Gefühle gegenüber. Über das europäische
Kunstgut sitzt seit Jahrhunderten ein unsichtbarer Areopag zu Gericht, der, von
Irrtum zu Irrtum schreitend, über die Haupterscheinungen doch zu einem sichereren
Urteile gelangt ist als die exakten Wissenschaften über die Erscheinungen ihres
Forschungsgebietes. Daß ein großes Museum eine ganze Sammlung von Massen-
kopien nach Werken der europäischen Hauptmeister erwirbt und als Meister-
werke ausstellt, daß eine Sammlung europäischer Meisterwerke für gewöhnliche
Trödelware erklärt wird, ist nicht mehr möglich. Über ostasiatische Kunst aber
ist in Europa kein Urteil unmöglich. Eine Auswahl von Kunstwerken muß daher
durchaus persönlich und willkürlich, wird aber um so wertvoller sein, je ent-
schiedener und offener sie ein persönliches Urteil ausdrückt.
Dieses Urteil konnte sich hier allerdings nicht ganz frei äußern, da die
Auswahl nicht nur die künstlerischen und technischen Eigenschaften der Werke,
sondern auch die Möglichkeit in Betracht ziehen mußte, diese Eigenschaften
in der Vervielfältigung wiederzugeben. Einzelne Gemälde, deren Schönheit
vorzüglich auf der Farbe beruht, wie vor allem viele japanische Kultbilder,
mußten von vornherein ausscheiden, weil die schwarze Nachbildung dem Vorbilde
alles schuldig geblieben wäre. Ebenso mußte die japanische Tosamalerei, deren
miniaturenhaft feine Ausführung sich mit der groben Technik der Netzätzung
nicht verträgt, zu Unrecht vernachlässigt werden. Nicht wenige der edelsten
Schöpfungen ostasiatischer Kunst sind überhaupt nicht, oder so schlecht verviel-
 
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