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IV. DIE LEGENDE VON DEN DREI LEBENDEN UND

DEN DREI TOTEN.

(MW Bild an der Südwand der St Jodokskapelle in Überlingen, wo drei
skM fürstliche Personen drei Toten begegnen, wurde oben 1 nur kurz be-
schrieben ; im folgenden soll dieser merkwürdigen Darstellung und der ihr zu
Grunde liegenden Legende eine eingehende literarische und ikonographische
Untersuchung gewidmet werden.

1. DER SPRUCH DER TOTEN AN DIE LEBENDEN.

Vom 11. Jahrhundert an begegnet uns in der sepulkralen Sprache aller
Kulturvölker der Ruf der Toten an die Lebenden:

Quod fuimus, estis; quod suraus, vos eritis.

Mit kleinen Variationen ist er in Italien, Frankreich, England, Dänemark,
Schweden, Deutschland zu konstatieren und hat sich bis heute erhalten2.
Woher stammt der Spruch ? Seinem Inhalte nach kann er sehr wohl heidnischen
Ursprungs sein, wie Kraus annimmt, wenn er im Zusammenhang mit der
Legende von den drei Königen, die drei Totengerippen begegnen, schreibt:
„Man muß, scheint mir, weiter hinaufsteigen, um den Ursprung der Toten-
tanzbilder zu erklären. Der Gedanke, daß der Tod uns alle einmal erfaßt,
ist in zahlreichen Inschriften des griechischen und römischen Altertums
ausgesprochen. Die Formen wechseln; z. B.: Non fueras, nunc es, iterum
nunc desines esse, oder: Quod-fuimus, estis, quod sumus, vos eritis." Dazu
ist zu bemerken, daß die letztere Formel: Quod fuimus etc. weder in latei-
nischen noch in griechischen Inschriften der antiken Zeit auftritt, sondern erst
im christlichen Mittelalter zu belegen ist. Der Hexameter:
Non fueras, nunc es, iterum nunc desines esse,

der von einem heidnischen Grabdenkmal Afrikas stammt3, darf nicht als
Variante unserer Mahnung der Toten an die Lebenden gelten, weil darin ja
das Fortleben nach dem Tode, das unser Spruch zur Voraussetzung hat,
ausdrücklich in Abrede gestellt wird. Allerdings ist auch die Formel:
Quod fuimus, estis; quod sumus, vos eritis, nicht positiv christlich, aber als
Erinnerung an die Vergänglichkeit des Irdischen kann er von Christen ver-

1 Vgl. oben S. 8 und Taf. I.

2 Zuerst stellte Mafämann im Serapeum
VIII (1847) 137 ff die ihm bekannten Formeln
zusammen. Viel umfangreicher ist die Samm-
lung von B. Köhler, Germania V (1860)
220—226. Johannes Bolte ergänzte den Auf-

satz in den Kleineren Schriften von R. Köhler
II 27 ff. Vgl. dazu Ersilia Caetani
L o v a t e 11 i, Römische Essays, Leipzig
1891, 6 49 und Stephens, Academy 1884
II 341.

3 C. I. L. VIII 2885.
 
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