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I.V.* Berichte, Kritiken. Erörterungen.

Für Historienmaler.

(Museum 1836, No. 6.)

Die Künstler, welche aus den Werken der romantischen Poesie Stoii
und Anregung zu bildlicher Darstellung entnommen haben, waren bisher
im Wesentlichen noch auf eine geringe Anzahl von Dichtungen beschränkt
Vornehmlich wurden in dieser Beziehung die epischen Gedichte der Italie-
ner mannigfach benutzt, sodann das Nibelungenlied, welches durch ver-
schiedene Uebersetzungen und Bearbeitungen (besonders durch die treffliche
Uebersetzung von Simrock) einem grösseren Kreise von Lesern zugäng-
lich ist. Die grosse Fülle der übrigen Gedichte des deutschen Mittelalters,
in denen so verschiedenartige, zur Darstellung wohlgeeignete Situationen
vorhanden sind, ist unsrer Künstlerwelt noch so gut wie unbekannt, und
fast nur die von Fouque" und F. Schlegel nach alten Vorbildern gedichteten
Romanzen der Ronceval-Schlacht haben zu Gemälden Anlass gegeben.
Selbst der reiche Schatz unsrer so allgemein zugänglichen Volkssagen ist
noch eine fast unbenutzte Fundgrube: welche Stoffe aber hierin verborgen
liegen, hat uns jüngst Begas' Loreley dargethan.

Wir erlauben uns. die Künstler auf die so eben erschienene Ueber-
setzung eines der vorzüglichsten Gedichte der deutschen Vorzeit aufmerk-
sam zu machen; „Parcival, Rittergedicht von Wolfram von
Esche-nbach. Aus dem Mittelhochdeutschen zum ersten Male übersetzt
von San Marte. Magdeburg, Verlag der Creutz'schen Buchhandlung-
1836." — In diesem Gedichte, welches mit dem Nibelungenliede um den
Preis ringt, entfaltet sich der grösste Reichthum interessanter Situationen,
welche durch die liebenswürdige Naivetät des Dichters, durch warmes.
lebendiges Gefühl, durch scharfe, sichere Charakteristik und anschauliche
Darstellung der äusseren gesellschaftlichen Verhältnisse, den bildenden
Künstler, wie wenig andre Werke der Zeit, zum Wettkampfe einladen
dürften. In Anerkennung der Bedeutsamkeit dieses Gedichtes ist dessen
Inhalt auch bereits zu den bildlichen Dekorationen des neuen Königsbaue»
in München benutzt und eins der Zimmer daselbst mit einer Reihe hieran
bezüglicher Darstellungen von K. Herrmann ausgemalt worden. Aber auf
zu einzelnen Gemälden, deren Vcrstäudniss nicht die Bekanntschaft Bit
dem Gesammtinhalte der Dichtung voraussetzen darf, ist hier vielfache1"
Anlass vorhanden, da die Situationen überall prägnant und entschieden
genug sind, um sie zu selbständigen Werken benutzen zu können.

Zum Belege dessen heben wir die folgende Stelle des Gedichtes aus.
Nur zum Verständniss des Textes, nicht der Situation, bemerken wir vor-
her, dass Parcival, ein junger Ritter, der sich jüngst erst die Sporen ><<
dient hat, auf seinen abenteuerlichen Zügen in eine von Feinden bedroh
Stadt kommt, wo Hungersnoth herrscht, dass er der Herrin der Stadt (d
schutzlosen Tochter des verstorbenen Königs, die nachmals sein ye
wird) seine Hülfe zugesagt hat und in ihrem Schlosse aufgenommen is •

Drauf in ein Zimmer mich verziert

Ward er zur Ruhestatt geführt:

Hier war nicht Armuth. Die Kerzen, ich wähne,

"Waren bessres als Fichtenspäne;
 
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