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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 66.1915-1916

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Zur ersten Sonderausstellung des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins, "alte und neue Eisenarbeiten"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7140#0239
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ist. Die andere Form der Eisenbearbeitung: die
Runst in Schmiedeeisen ist auch die langen
Friedensjahre hindurch nicht verlassen worden. Die
Fülle der Gebrauchs- und Ziergegenstände in
Schmiedeeisen ist so groß, daß eine Beschränkung
in der Ausstellung aus kleine Schassensgebiete
geboten erschien. Ls sollten in der Hauptsache
nur alte Gegenstände, eigentlich nur Grabkreuze
gezeigt werden, die ja leider in unserer Zeit ein
gar begehrter Artikel geworden sind.

Zn dem kleinen verträumten Gärtchen der benach-
barten Dreifaltigkeitskirche fand eine Fülle origi-
nellster Schöpfungen aus unserer engeren bseimat
und dem Lande Tirol Aufstellung, lauter kunst-
gewerbliche Gegenstände, welche volkstümliches
Rönnen im reinsten Sinne darstellten. Die Zahl
der Abwandlungen der verzierten Rreuzesform mit
oder ohne Bemalung ist Legion.

Sie legt beredtes Zeugnis für die fruchtbare künst-
lerische Phantasie und die solide meisterhafte Tech-
nik unserer Altvorderen ab. Nirgends ein Versuch
der Typisierung, wie er doch bei einem so unver-
änderlichen Symbol eigentlich nahe liegt; immer
und überall die Freude an künstlerischem Indivi-
dualismus ! Rein Papierkünstler unserer Tage
kann sich mit Bleistift und Pinsel mit dieser sprü-
henden Formengebung des Hammers und Meißels
messen!

Zn vereinzelten Stücken konnte die Ausstellung
auch Werkzeuge aufweisen, denen die Lust an
schönem Aussehen eine unserer jetzigen Generation
beinahe unverständliche Formengebung angedeihen
ließ. Alles in allem eine zum Studium und Vor-
bild dienende kleine Sammlung, welcher man eine
ernste Beachtung wohl wünschen durfte.

Daß wir wieder im allgemeinen aus guten wegen
wandeln, zeigte die Angliederung von ähnlichen
Werken der Neuzeit; gehört doch die Eisenzunst zu
den wenigen kunstgewerblichen Praktiken, die sich
nie ganz von der guten alten Tradition losgelöst hat."
Die Ausstellung, welche in der Beschränkung auf
einen kleinen Rahmen doch so viel Neues und Be-
merkenswertes bot, hat als erste die gegenwär-
tige Bedeutung des Eisens für unser künstlerisches
und kunstgewerbliches Schaffen dargetan. Daß in
der Folge auch an anderen Orten solche Veranstal-
tungen in die Wege geleitet wurden, beweist, wie
sehr sie einem Bedürfnis entsprang. Daß sie in
der breiten Öffentlichkeit nicht ganz so gewürdigt
wurde, wie sie es verdiente, mag daran liegen,
daß in einer so bewegten Zeit, wo den einzelnen
mehr denn je die Verhältnisse des Tages und der
Stunde bestimmen, Ausstellungen nicht dieselbe

Zugkraft ausüben wie im Frieden. Um so wert-
voller ist da das Urteil berufener Renner, das
darin übereinstimmte, daß diese kleine aber seine
Veranstaltung eine dankenswerte pädagogische Auf-
gabe erfüllt, indem sie auf die künstlerischen werte
und Ausdrucksmöglichkeiten, auf vielfältige Tech-
niken und Handwerksgriffe der alten Lisenarbeit
hingewiesen habe.

So hat die Ausstellung vielfachen Anlaß zu einer
Orientierung in der Geschichte süddeutscher Eisen-
arbeiten gegeben. Sie hat auch gezeigt, daß der
Eisenguß im Süden eine alte Tradition in den
prächtigen Ofenplattengüssen hat und daß auch der
spätere Eisenkunstguß zu Beginn des fst. Jahr-
hunderts nicht ausschließlich in norddeutschen Guß-
hütten gepflegt wurde. Die Annahme, daß er aus-
schließlich ein Berliner Produkt wäre und darin
im engsten Zusammenhang mit dem Schassen
Schinkels u. a. stehe, woraus neuerdings ein
preußischer Lisenftil konstruiert wurde, ist insofern
nicht ganz gerechtfertigt, als fast gleichzeitig sich
auch im Süden Leo v. Rlenze um die Formung
des Eisens bemühte und bayerische Gußhütten,
vor allem Bodenwöhr wie auch Hüttenwerke in
Steiermark, Lisenkunstgüsse von bemerkenswerter
Feinheit herstellten, das bedeutsame wirken und
Schaffen von Wasseralfingen nicht zu vergessen.
Der Wunsch der Vereins- und der Ausstellungs-
leitung war darum wohl gerechtfertigt, das viele
Gute, das die Ausstellung zutage gefördert, über
die emphemere Erscheinung einer zeitlich begrenz-
ten Veranstaltung hinaus im Bilde festzuhallen.
Die Leitung des Vereins gab daher im Einver-
nehmen mit der Redaktionskommission die Anre-
gung zu dieser Veröffentlichung in Runst und
bsandwerk.

Da die Ausstellung in ihren vielen prächtigen Werken
vor allem für Runsthandwerker und Rünstler frucht-
bar gemacht werden soll, schien es geboten, dem
Bilderteil alle Sorgfalt zuzuwenden und neben den
Ansichten der einzelnen Stücke auch für die Form-
gebung und Herstellung wichtige Einzelheiten auf-
zuführen.

Die Absicht dieser Veröffentlichung begegnet sich
darin mit der der Ausstellung. Möge es gelingen,
der Eisenkunst unserer Tage fruchtbare Anregungen
zu vermitteln, um Neues zu schaffen im Geiste
des Alten!

An dieser Stelle sei auch allen jenen öffentlicher Dank aus-
gesprochen, welche das Zustandekommen dieser Unternehmung
ermöglicht haben, in erster Linie den staatlichen Instituten,
wie dem Bayerischen Nationalmuseum, dem Kgl. Münz-
kabinett und insbesondere der Kgl. Generaldirektion der Berg-,

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