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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 67.1916-1917

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Karlinger, Hans: Buchzeichen in alter Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7004#0057
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^ glänzendstem Augsburger Rokoko arrangiertes
— tillebert, dem die Arzneilehre, chirurgische Ge-
räte, , der Reiher und. die Apothekexbüchse nicht,
6 *en' Überhaupt darf man nicht, vergessen,,, dast
^ spätere \-7. und 18. Jahrhundert das Stil-
e en pflegte, wie keine Zeit vorher und daß
Qtum gerade dem späteren Barock und Rokoko
das kleine Gelegenheitsbild, wie es die Devise
kMes Buchzeichens schuf, geeigneter lag als irgend
ein anderes Vorbild. Ls ist ganz charakteristisch,
daß der Heraldiker von seinem Standpunkt über
den verfall der wappendarftellung im i?. und
Jahrhundert sich beklagt; nichts stand der auf
^as Sinnfällig-Anschauliche und -Anmutige aus-
gehenden Zeit ferner als die strenge Stilisierung
heraldischer Natur. Im heraldischen Beiwerk liegt
lur den Maler und Graphiker des bürgerlichen
Zeitalters seit Lnde des Dreißigjährigen Krieges
nicht eine gesetzmäßige Notwendigkeit, sondern
die Möglichkeit zu dekorativen Gestaltungen,
ü'e gelehrte Zeit des frühen 18. Jahrhunderts,
Üch so viel um den Besitz großer Bibliotheken
emühte und den Grundboden schuf für unseren
nrodernen wissenschaftlichen Betrieb — man denke
“n die Anfänge der kritischen Geschichtswissenschaft
urch Urkundensammlungen, an die Anfänge wissen-
nhaftlicher Kompendien, aus denen die Enzyklopä-
> en u, hervorgingen — hat auch in einer
e anderen Gattung von Buchzeichen sich ver-
kwigt, den Exlibris, denen als Bildvorwurf ein
^ibliotheksaal dient. Ls gibt eine ganze Anzahl
sicher Buchzeichen, wie etwa das eines Zach.
Ec>nr. von Uffenbach ein Beispiel (Abb. S. 63)
äkigt. Namentlich Gelehrte und Klosterbiblio-
theken haben gern das Motiv der bücherreichen
-ammlung für ihr Befitzerzeichen gewählt bis
Zur Gegenwart. '

®n ^egenbild! Liegt in dem Buchzeichen mit
dein weiträunrigerr, büchergefüllten Saal die ganze
Würde gelehrter Repräsentation, die in dem Buch
ausschließlich den gelehrten (yuell sieht — „non
Omnibus idem est quod placet“ steht bezeichnend
Devise auf dem Exlibris von Uffenbach — so
die zweite Hälfte des (8. Jahrhunderts
^d das frühe 19. Jahrhundert eine reizvolle
e . 'Un9 eleganter Gelegenheitsbildchen, die daran
eri?'^"' bin Buch der beste Freund für den
^ 0 ungg- erfrischungsbedürftigen Geist fein

11n- Namentlich die gegen das Lnde des 18. Iahr-
nöerts immer zahlreicher werdenden Damen-
> liotheken bevorzugten das kleine gefällige Blätt-
chen, dem ein spielender Genius, ein Blumen-
ltuck oder Ähnliches den bildlichen Inhalt leiht.

(vgl., die Abbildungen S. 64 u. 65.) Gerade diese Ms
des Buchzeichens, mit seinen mrgemein anmutigen^
spielend vorgetragenen Gedanken aus der Glanz-
zeit . der..deutschen ; Lyrik hat auf - die. modernes
Bestrebungen wieder in erfreulichster Weise ge-
wirkt. vieles von dem Leichten, Gefälligen des
modernsten Buchzeichens taucht in dieser glück-
lichen Heit an der wende vom 18. zum 19. Jahr-
hundert zuerst auf.

Noch wäre endlich einer Gattung zu gedenken,
die — in ihrem Wesen zeitlos — doch am stärksten
von der jeweiligen Höhe und Entwicklung der
graphischen Gewerbe bedingt wird, das typographi-
sche Buchzeichen und seine verwandten. Nichts
ist wohl für den Tiefstand der Typographie im
Lauf des 19. Jahrhunderts und ihre künstlerische
Wiedergeburt bezeichnender als eine Statistik mo-
derner Exlibris nach dieser Seite, angefangen
von den verschnörkelten krausen Gebilden der
Romantikergotik bis zur vornehmen, ganz auf das
Sachliche beschränkten Schrifttype der Gegenwart,
wie sie etwa Ehmke u. a. schufen. Einen Über-
blick über Proben älterer Zeit gibt S. 66; wir
sehen die einfachen Lettern der Renaissance in
nordischer Ausführung (Helena Ringckin) und ein
Beispiel der feinen Venezianer Type (Nicolao
de Nobili), die den Werken der Iuntas eigen ist.
wir sehen weiter Beispiele, wie das Schriftexlibris
auch von der Graphik reizvoll verwertet wurde in
den Beispielen S. wyß, L. wild, Th. Laut und
D. v. Mmpteda. Letztere Art, die Schaffung
eines dekorativen Rahmens, erinnert an die An-
fangszeiten der Renaissance, aber gerade in dem
scheinbar gleichen Vorwurf liegt hier der Gegen-
satz dreier Jahrhunderte: dort der Rahmen als
notwendig empfundener Halt für das Bild, hier
der Rahmen als Bild selbst.

Damit wäre die in ihrem Wesen einfache Ent-
wicklung des Buchzeichens in den gröbsten
Strichen gekennzeichnet. Line Vielheit der Auf-
gaben und Lösungen tritt uns erst im 19. Jahr-
hundert entgegen, entsprechend dem höheren Be-
darf und Drang, Bücher zu besitzen und Biblio-
theken sein eigen zu nennen. Dieselbe Zeit, die
den Buchstempel für die große Bibliothek als not-
wendig gewordenes Abel in weitestem Maße ver-
wendete, hat auch dem reizvollen graphischen Blatt
seine größte Aufmerksamkeit geschenkt. Zugute
kam dabei der ungeahnte Aufschwung der Ver-
vielfältigungstechniken, der von der üblen —
mechanischen Seite — namentlich auf die Schöp-
fungen der siebziger und achtziger Jahre seine
Schatten warf. Erst den letzten Jahrzehnten blieb

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