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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 67.1916-1917

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Braungart, Richard: Hubert Wilm
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https://doi.org/10.11588/diglit.7004#0060
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Tradition „gehei-
ligter" Geschmack-
losigkeiten mit
künstlerisch eigen-
artigen, sinn- und
stilvollen Entwür-
fen etwas auszu-
richten vermag.
Am weitesten ver-
breitet und am
häufigsten begehrt
sind jedoch seine
Gebrauchsgraphi-
ken im engeren
und engsten Sinn:
Glückwunsch- und
Umzugskarten,Be-
suchskarten und Ex-
libris. Vor allem
auf dem ganz zuletzt genannten Gebiet ist er seit
dem Jahre (906 sehr tätig gewesen, so daß bis zum
Sommer bereits (72 Exlibris, darunter über

(00 Radierungen, vorliegen. Auch wilm hat, wie
so ziemlich alle seine „Kollegen" auf diesem Sonder-
gebiet, der Versuchung nicht widerstehen können,
Luxusexlibris zu radieren, d. h. solche, die viel zu
kostbar und reich erdacht und ausgeführt sind, als
daß sie zu Gebrauchsexlibris geeignet wären. Diese
fast nur Sammelzwecken dienenden „Bibliothek"-
zeichen nehmen aber in seinem Exlibriswerk bei
weitem nicht den Raum ein wie in dem so manchen
anderen Künstlers. Man kann vielmehr feststellen,
daß schon seine ersten Exlibris fast alle rein dekora-
tive Marken von vortrefflichem Aufbau gewesen
sind, daß er dann später wohl eine weile (und
mit vielem Geschick und Geschmack), aber nicht
ausschließlich das Luxusexlibris gepflegt hat und
daß er nun schon wieder seit Jahren nur Exlibris
radiert, die als nachahmenswerte Beispiele de-
korativer, flächenhafter Gebrauchsexlibris gelten
können. Ihre Symbolik ist stets auch ohne Vor-
kenntnisse und Kommentare leicht zu fassen; die
Schriften (um die es gerade bei Exlibris oft schlimm
genug bestellt ist!) sind klar, gut leserlich und fügen
sich dem Gesamtcharakter jedes Blattes als ein
wesentlicher Schmuckbestandteil zwanglos ein. Und
die Ornamentik, die ihre Grundformen meist aus
dem Pflanzenreich holt, ist einfach und doch reich.
Es erscheint aus allen diesen Gründen selbstver-
ständlich, daß man die Exlibris wilms immer wieder
mit Genuß und Befriedigung zur Hand nimmt,
während die Blätter von Künstlern, die weichere
Klänge bevorzugen oder zusehr ins Bildmäßige

abirren, oft schon nach kurzer Zeit viel von ihrem
Reiz verlieren. Die Exlibris wilms dagegen machen
durchaus den Eindruck, als seien sie imstande,
selbst den gründlichsten Wechsel des Geschmacks
und der Mode zu überdauern, wie das u. a. von
den Blättern Sattlers, Grliks und Klingers gesagt
werden kann.

Die gleichen Vorzüge, die hauptsächlich einem glück-
lich entwickelten, sicheren Instinkt für das Not-
wendige und das Stilvoll-Gefällige zu danken
sind, eignen auch anderen gebrauchsgraphischen
Blättern wilms, z. B. seinen Besuchs-, Glückwunsch-
und Umzugskarten und ähnlichen Arbeiten. Auch
seiner Kriegsgraphik, deren Krorre das oben schon
gerühmte Blatt „Ewiger Friede" ist, sind diese
positiven Seiten der Begabung wilms zugute
gekommen, so daß sie sich aus der ungeheuren
Menge durchschnittlicher, meist gleichartiger Schil-
derungen des Tatsächlichen an und hinter der
Front als Persönlichkeitsäußerungen — mit der
für wilm bezeichnenden Stilisierungstendenz —
deutlich hervorheben. Im Grunde freilich kann es
nicht überraschen, daß einem Künstler mit so unver-
kennbarer Bestimmung zum Schmücken der Krieg
in keiner weise „liegt". Und deshalb verdient
es Anerkennung, daß wilm zu dem großen Thema
unserer Zeit als Künstler nur soweit Stellung ge-
nommen hat, als seine Natur es ihm ohne Ver-
gewaltigung gestattete.

Um so größere, sich ständig steigernde Erfolge
hat er seit einigen Jahren mit einer „Spezialität",
die aber keineswegs eine Spielerei, sondern als
Beweis einer spezifischen Begabung durchaus ernst
zu nehmen ist: nämlich mit Elfenbeinmalereien
für Vorstecker, Anhänger und Dosen, die an Mi-
niaturen, besonders der Biedermeierzeit, anklingen
mögen, aber ganz und gar von modernem Geist
erfüllt und wahre Kleinodien vornehmen Ge-
schmacks und unerschöpflicher dekorativer Erfin-
dung sind. Der Gegenstand dieser reizvollen
Schmuckstücke, von denen bereits eine große Zahl
vorliegt, ist fast stets ein zum Flachornament um-
stilisierter Blumenstrauß in einem ebensolchen
Korb, Glas oder Kelch. Auch einige Kriegsalle-
gorien sind in ähnlicher weise dekorativ verarbeitet.
Zuweilen ist der Hintergrund schwarz oder tief-
blau, in sehr vielen Fällen aber gibt der warme
Ton des Elfenbeins die Folie für die gedämpfte
und doch ungemein frische und eigenartige Bunt-
heit dieser mit feinem rhythmischem und Flächen-
gefühl komponierten Sträuße, in denen nur selten
Rosen als Kern- und Angelpunkte des Motivs
fehlen, wie sehr übrigens das in jedem Betracht

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