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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 68.1917-1918

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Lill, Georg: Nymphenburger Porzellan
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https://doi.org/10.11588/diglit.10300#0037
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niemals zu erreichen war. Lin zweites, gewal-
tiges Service für ein anderes deutsches Fürsten-
paar harrt noch der Fertigstellung, über das aber
zurzeit noch nichts Näheres berichtet werden darf.
Lin besonderer Vorzug der Nymphenburger Malerei
besteht darin, daß prinzipiell nur eigentliche Lsand-
malerei gefertigt wird, nicht Stahl- und Buntdrucke
mit Schablonen, wie es bei andern Fabriken üb-
lich ist. Also auch hier nur (Qualität, nicht Massen-
fabrikation. Die schönsten Teller mit den reizenden
Rokokoszenen nach alten Vorbildern rühren von
der Lsand der Brüder ksugo und Artur Ohme her.
Ganz allmählich ging dann Nymphenburg, nach-
dem es die alte Tradition wiedergewonnen hatte,
zur Schaffung neuer Muster und Figuren über.
Dabei bevorzugte es die Unterglasurmalerei, die
von Kopenhagen aus ihren Siegeszug angetreten,
ohne aber dort erfunden worden zu sein, wie all-
gemein geglaubt wird; denn schon um zgzo wur-
den in Nymphenburg Versuchsstücke in dieser Tech-
nik angefertigt, später in größerem Maßstab in
Sevres. Die technische Ligenart besteht darin,
daß man chemische Farbenzusammensetzungen er-
fand, die den ungeheuren Hitzegrad des Garbrandes,
der die Glasur zum Schmelzen bringt, aushalten
kann, während man die bemalten Gegenstände
früher einem weiteren Prozeß, dem Muffeln mit
schwachem Feuer, unterziehen mußte. Das Por-
zellan hat aber damit einen neuen künstlerischen Reiz
gewonnen. Denn jetzt zerflossen die Farben unter
der Glasur in unregelmäßigen, mannigfach schattier-
ten Flecken, es waren keine Lokalfarben mehr mög-
lich, sondern es wurden die gerade dem modernen
Geschmack sympathischen zarten Velours und Über-
gänge gewonnen, wie von selbst drängte diese
Ligenart auf Nachbildungen vonNaturerscheinungen,
die farbig ähnliche Übergänge aufweisen, das
war das Tierfell. )n der Tierfigur konnte man
auch das Spielerische, Rassige geben, was der
modernen Zeit für die Menschenfigur nicht mehr
so liegt. Damit entstanden jene reizenden Tier-
figuren und Tiergruppen, die in ihrer feinen
Naturbeobachtung, ihrer glänzenden Bemalung
und ihrer vorsichtigen Stilisierung zu den schönsten
Erzeugnissen der modernen keramischen Kunst ge-
hören. vor allem hat sich hier wackerle als her-
vorragender Plastiker bewährt. Aber auch Hans
Behrens mit seinen prächtigen Tigern, die das
katzenartig Geschmeidige so unnachahmlich zum

Ausdruck bringen, Willi Zügel, Theodor Kerner
und Neuhäuser mit verschiedenen Vögeln und
Tieren, Frl. Soennecken und wittmann mit putzigen
Kücken, Kerner mit dem lauschenden Hasen und
dem prächtigere Leibpferd des Erbprinzen wären
rühmend zu nennen, wackerle hat dann auch
zahlreiche Figurengruppen geschaffen, die absolut
modern sind und doch der Ligenart des Porzellans
gerecht werden. Derb und massig in der Model-
lierung, doch keck, selbst bizarr in der Linie, wie jene
Halbweltdame in ihrer gewagten Stellung, das
verliebte Harlekinpaar, der schneidige Husar, das
spanische Tänzerpaar, die einfältige Oberländern:
und Ähnliches. Bei besonderen Anlässen fertigte
er auch jene schönen Ehrengeschenke für den König,
wie den Lhevauleger und Ulan zu Pferd. Große,
dekorative Figuren, deren besondere Schwierigkeiten
vor aliem im Technischen beruhen, waren jene
bizarren Lallotfiguren und Papageien für Garten-
anlagen, die auf der Münchener Ausstellung ^908
berechtigtes Aufsehen erregten, da sie in ihrer star-
ken bunten Färbung einen effektvollen Gegen-
satz'zu ihrem grünen Hintergrund bilden, wackerle
hat auch geschmackvolles Blumendekor für Vasen
entworfen. Line andere, sehr geeignete Kraft wurde
in R. Sieck gewonnen, der Wandteller mit jenen
zarten duftigen Frühlingslandschaften schmückte,
die heute allgemein beliebt sind, aber auch ein
neues Blumenservice und ein Service mit Wiesen-
blumen entwarf. Glänzend sind ferner die Ar-
beiten von Hans Kratzer, der Entwerfer und Maler
in einer Person ist und von dem deshalb auch jedes
Stück als ein Original im vollsten Sinne des Wortes
anzuschauen ist. Großfigurig, häufig unbekümmert
um Form und Struktur des Gegenstandes wirft
er seine Jagd- und Rokokoszenen hin, impressio-
nistisch und doch stilistisch gebändigt. Ohne irgend-
wie in Kleinigkeiten zu verfallen, zaubert er, Mo-
dernes mit Altem verbindend, ein Gebilde von
Licht, Luft und Raum hervor.

Ohne Zweifel dürfen wir von der Porzellanmanu-
faktur Nymphenburg in ihrer glücklichen Vereini-
gung von alter Tradition und fortschrittlichem
neuem Schaffen, wenn erst einmal ruhige Zeiten
wieder gekommen sind, neue, bedeutende kunst-
gewerbliche Schöpfungen erwarten, die ihrem
alten Namen und dem Rufe des Münchener Kunst-
gewerbes würdig sind.

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