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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 68.1917-1918

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Scharvogel, Jakob Julius: Hausrat oder Neuheiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.10300#0052
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zustellen, die nach viel aussehen und verhältnis-
mäßig wenig kosten. Auf diese weise entsteht
eben kein echtes Kunstgewerbe und wenn auch
der schönste Professortitel mit ihm einherginge,
wenn ein Gegenstand bleibenden wert für uns
haben soll, so verlangen wir eben mehr von ihm
als daß er die Merkmale industrieller Produktions-
weise an der Stirne trage, ein Einschlag ins
handwerkliche wird unerläßlich sein und der läßt
sich im Großbetrieb ebenso ermöglichen als im
Kleinbetrieb.

was aber in erster Linie verlangt werden muß,
das ist, daß die Gegenstände sich als dasjenige
geben, was sie sind, daß sie weder unter falschem
Namen oder unter klangvollen Devisen angeboten
werden. Dergleichen frommt zur Not der großen
Menge, macht aber auf Leute mit gutem Ge-
schmack einen schlechten Eindruck,
wie geht es aber in Wirklichkeit zu? wie ist es,
um bei der Sache zu bleiben, auf dem Gebiet der
Keramik bestellt? wer sich hierüber Aufschluß
zu verschaffen gedenkt, der möge die Leipziger
Mustermesse besuchen. Musterlager an Muster-
lager reihen sich dort aneinander. Ganze Gebäude-
komplexe sind mit Musterkollektionen angesüllt,
die darauf hinauslaufen, möglichst viel „Neu-
heiten" zu bieten, wer nicht mittut, bleibt un-
beachtet und zieht den Kürzeren und nur der kommt
ans Ziel, dem bei diesem wettlauf der Atem
nicht ausgeht. Daß bei dieser Sachlage nur wenig
Gediegenes zustande kommt, versteht sich von
selbst, denn wo sollten denn all die guten Gedanken
Herkommen. Das Niveau kann nicht anders als
flach sein. Der Geschmackvolle kommt dabei nicht
auf seine Rechnung, er wird nach wie vor zu den
Altertümern greifen müssen, indem er sich mit
Recht sagt: „hier habe ich etwas, was der Mode
nicht unterworfen ist, was seinen wert behält."
Es soll durchaus nicht verkannt werden, daß der
Gang der Dinge, wie wir ihn z. Zt. zu beobachten
Gelegenheit haben, auch seine Berechtigung hat.
Die Hauptsache für eine Fabrik ist und bleibt,
daß ihr Aufträge in hinreichendem Maße zufließen,
damit sie Arbeit für ihre Leute hat, und ihre Ein-
richtungen in vollem Umfange ausnützen kann.
Da wird denn nichts anderes übrig bleiben als
emsig mitzutun. Aber demgegenüber ist es auch
Tatsache, daß nicht jede Fabrik, die sich genötigt
sieht, Zahr für Zahr „Neuheiten" herauszubringen,
dabei auf ihre Rechnung kommt und das gilt be-
sonders für die keramische Branche. Bekannter-
maßen findet nur ein kleiner Teil der neuen Muster
Anklang und auf den übrigen bleibt die Fabrik

sitzen, wenn man dabei bedenkt, was dazu ge-
hört, ein neues keramisches Stück bis zu dem Grad
herzustellen daß es fabrikationsfähig ist, nament-
lich da, wo es sich um neue Formen handelt,
so wird man zugeben müssen, daß das Risiko,
das die Fabrik bei der Erstellung einer neuen
Musterkollektion läuft, ein unverhältnismäßig hohes
ist, und zwar derart, daß selbst kapitalskräftige
Betriebe sich wiederholt veranlaßt gesehen haben,
den wettlauf vorübergehend einzustellen. Auf
anderen Gebieten tut sich der Fabrikant weit
leichter, namentlich da, wo es sich bloß darum dreht,
ein neues Dekor zu bieten. Ls ist daher ein un-
billiges Verlangen, angesichts der schwierigen kera-
mischen Technik auch hier das Gleiche zu verlangen,
umsomehr, als wirklich Gediegenes, das von
Dauer wäre, nur in den seltensten Fällen dabei
herauskommt. Bei Licht betrachtet, handelt es
sich also um einen wettlauf, der wenig Sinn hat,
da er der Natur des Materials zuwiderläuft!
Demgegenüber dürfte die Frage wohl berechtigt
sein, ob es ratsam ist, auf der bisherigen Bahn zu
verharren oder ob nicht doch daran gedacht werden
sollte, Erzeugnisse auf den Markt zu bringen,
denen eine längere Lebensdauer beschieden sein
wird, wir glauben, diese Frage nach dem oben
Gesagten bejahen zu können.

Der Kamps mit den Altertümern kann unseres
Erachtens getrost ausgenommen werden, ganz
abgesehen davon, daß es Ehrenpflicht ist, ihn zu
unternehmen, wenn überhaupt künftighin von
Kunstgewerbe noch die Rede sein soll. Neben der
massenhaften Herstellung für den alltäglichen Ge-
brauch sollten Dinge von bleibendem wert sich
doch wohl behaupten können, die Erfahrung spricht
wenigstens nicht dagegen. Er braucht bloß an das
Meißner Zwiebelmuster (wir meinen nicht dessen
Verwässerung) oder den Doulton-Zug, der in
keiner englischen Familie fehlen darf, zu erinnern,
warum sollte es nicht gelingen, Gleichwertiges
auch heute in die Welt zu setzen? An Vorwürfen
dazu mangelt es gewiß nicht. Ls braucht nur daran
erinnert zu werden, was in früheren Zeiten an
schönen Sachen alles zu haben war, die man ge-
trost denjenigen schenken konnte, denen man
Verehrung schuldig zu sein glaubte, wie schwer
tut sich der Käufer dagegen heute, wenn er der-
gleichen zu erwerben sucht. Kaum, daß er etwas
findet, das ihm gut genug erschiene, und das gilt
bis herunter zur einfachen Geburtstagstasse.
Ebenso trübe sieht es auf dem Gebiete der Reise-
andenken aus. wie gerne würde man von der
oder jener Stadt etwas mitnehmen, was für diese
 
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