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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 68.1917-1918

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Mader, Felix: Figürliche Goldschmiedearbeiten in Unterfranken
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https://doi.org/10.11588/diglit.10300#0057
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chen besetzt. Leider vermag die Abbildung den
Farbenschmelz dieser köstlichen Goldschmiededichtung
nicht wiederzugeben. In der Tiara klingt die Büste
volltönend in stilvollster Geschlossenheit aus. Die
freigearbeiteten Kronen derselben sind ebenso be-
deutend in der Erfindung wie vollendet in der Aus-
führung.

Die mittelalterliche Goldschmiedekunst hielt also
mit dem Können der übrigen Kunstzweige jener
kraftvollen Zeit die gleiche Höhe.

Einige figürliche Treibarbeiten aus unterfränkischen
Kirchen mögen die Richtung und das Können
der Barock- und Rokokozeit auf diesem Gebiet
illustrieren. Die gleichen Gesinnungen, die das
Mittelalter veranlaßten, die Schatzkammern reicher
Kirchen mit Werken der Goldschmiedekunst zu
füllen, wirkten in der Barockzeit fort: das all-
gemein menschliche Bedürfnis, festliche Zeiten
mit festlichem Aufwand zu begehen, wie die
Büsten der Patrone St. Peter und Alexander
an Festtagen den Pauptaltar der Aschaffenburger
Stiftskirche schmückten —- auch heute ist das noch
der Fall — so stellte auch die Barockzeit an Fest-
tagen Silberleuchter auf den Altar und piero-
theken in Goldschmiedearbeit und hing silberne
Prachtampeln vor dem Altäre auf. wo die Mittel
es gestatteten, oder ein hochherziger Stifter sich
fand, war man darauf bedacht, die Bildnisse der
Kirchenpatrone, namentlich aber Marienbildnisse
in Silber dem Kirchenschatz einzuverleiben, die
sodann den hohen Festen ihren gesteigerten Glanz
gaben. Bruderschaften und Kongregationen ent-
falteten in dieser Richtung einen besonderen Wett-
eifer. Diesen Bestrebungen verdanken verschiedene
unterfränkische Kirchen wertvolle Silberfiguren.
Allerweise handelt es sich um Marienstatuen,
wir müssen uns im folgenden auf drei Beispiele
beschränken.

Da ist zunächst eine Figur der Immakulata in
der Stadtpfarrkirche zu Karlstadt. Die Inschrift
am Sockel meldet, daß der Karlstadter Senator
und Senior Georg Adam Adelmann im Jahre
t?30 die Statue gestiftet habe. Die Marken er-
weisen sie als Schöpfung des Augsburger Gold-
schmiedes Ioh. Martin Maurer.

Das Standbild hat mit Einschluß des Sockels die
pöhe von \,50 m. Die Marienfigur steht auf
einem feinprofilierten Sockel aus schwarz gebeiztem
polz. Zierliches Silberbeschläg in Bandwerkformen
mit Gitterfüllungen belebt den Sockel. Maria
ist als unbefleckt Empfangene dargestellt, in der
typischen Ikonographie. Sie tritt der Schlange
auf den Kopf und hat den Mond unter den Füßen,

in der Linken hält sie einen Lilienzweig, ein Nim-
bus mit zwölf Sternen umgibt ihr Paupt. Der
nach oben gewendete Blick und die begeistert aus-
gestreckte Rechte deuten darauf hin, daß der Meister
an das Magnifikat dachte, als er die Figur kon-
zipierte. Die Haltung der Figur hält sich von
überschwänglichem Pathos ferne; sie ist edel wie
auch der Typus der Unbefleckten. Auch in der Be-
wegung der Gewandung überschreitet der Meister
nirgends die Grenzen einer gut abgewogenen
Rhythmik. Die festliche Wirkung erhöhte er durch
Damaszierung des Mantels, und den Saum des-
selben schmückte er mit einer aufgelegten durch-
brochenen Borde.

Im gleichen Jahr wie das Karlstädter Silber-
bildnis entstand ein zweites. Es befindet sich in
der Kirche des Bürgerspitales zu Würzburg,
und zwar als Eigentum einer Bruderschaft. Die
Würzburger Figur ist Schöpfung eines Münchener
Meisters, nämlich des Franz Keßler. Keßler über-
nahm eine erschwerte Aufgabe. Auch er stellte
die Immakulata dar, aber in jenem ikonographi-
schen Typus, der Maria als Mutter, mit dem
Jesuskind zusammen, darstellt. Das Kind setzt
der Schlange, die sich um die Erdkugel ringelt,
den langen Kreuzesschaft wie einen Speer sieg-
reich auf das Haupt. Dieser Typus, der eine Er-
weiterung des dogmatischen Gedankens bedeutet,
bürgerte sich seit dem \7. Jahrhundert neben der
älteren Darstellung ein.

Die Würzburger und Karlstädter Silberfigur ent-
standen im gleichen Jahr, wi^wir schon bemerkt
haben. Ein starker Gegensatz trennt jedoch die
beiden Meister, soweit die künstlerische Ausdrucks-
weise, besser gesagt, das figürliche Ideal in Frage
kommt. In Karlstadl ein lebhaft bewegtes Tem-
perament, hier vornehme, zurückhaltende Ruhe.
Die Keßlersche Gruppe ist ganz auf würde ge-
stimmt: würde spricht aus dem edlen frauenhaften
Antlitz Marias, würde aus der großen Haltung,
würde aus der großen, geschlossenen Gewand-
anordnung, die fliegende Motive durchaus ver-
meidet, würde auch aus dem Jesuskind. Die
Strahlenmandorla hinter der Gruppe erhöht den
Eindruck ruhiger Geschlossenheit. Gleich dem Augs-
burger Meister verzichtet auch Keßler nicht auf
die dekorativen Reize, die ein damaszierter Mantel,
ein Brustkreuz mit Steinen und steinbesetzte Ge-
wandsäume dem weichen, spiegelnden Glanz des
Silbers beigeben. Beigefügt sei noch, daß die
Marienfigur ohne den hohen Sockel 0,9z m mißt.
Eine dritte Marienfigur besitzt die Marianische
Kongregation in Aschaffenburg. Dieselbe ist

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