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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 68.1917-1918

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Muchall-Viebrook, Thomas: Über einige Entwürfe für alte Goldschmiedearbeiten im Bayerischen Nationalmuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.10300#0059
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nach rechts umgebogen scheint. Line weitere
Verzeichnung weist die rechte Bogenhälfte des
Bügels auf, die zu weit nach unten gerutscht
und zu sehr in die Vorderfläche gerückt erscheint.
Den Ausguß belebt wieder ein zierlicher Rankenfries.
)n seinem einfach geschlossenen, durch die obere
Ausweitung belebten Umriß ist dieser Gefäß-
entwurf nicht wertlos als Anregung für Uletall-
arbeiten unserer Zeit.

Die folgende, bräunlich angetuschte Federzeichnung
ist ein ovaler Vasenentwurf auf niedrigem Baluster-
fuß mit weitausladendem, gewölbten Körper und
darüber in einer Hohlkehle verengertem und vor-
kragendem Halse. Die «Öffnung, von einem perl-
stab umgeben, rahmen seitlich zwei auf Voluten
sitzende Aktfiguren ein. Pfeifenornament und
Fruchtfries, beide in Treibarbeit gedacht, beleben
die Leibung, als Griffe dienen Frauenleiber, aus
denen Rankenkelche sprießen. Italienisches Kunst-
gerät hat auch hier wieder beeinflussend gewirkt,
aber trotz des sehr dekorativ empfundenen Gesamt-
entwurfs deutet eine tastende Unsicherheit der
Formensprache und ein unorganisches Zusammen-
setzen der Grnamentteile, besonders an den Griffen,
wohl auch hier auf nichtitalienischen Ursprung.
Stilistische Gründe machen es wahrscheinlich, daß
diese Zeichnung Ende des (6. Jahrhunderts im
Kreise und in der Werkstatt des italienisierenden
niederländischen Hofkünstlers Herzog Wilhelms V.
von Bayern, des Friedrich Sustris, entstanden
ist. Sustris wird den Silberschmieden, denen der
Herzog den jetzt großenteils verlorenen SchatzH
an kirchlichen Geräten für die von ihm den Je-
suiten erbaute Michaelskirche in Auftrag gab,
manche Entwürfe hiefür geliefert haben.

Linen Entwurf zu einer Kanne zeigt eine grau-
H ■ angetuschte Federzeichnung. Sie wirkt in erster
Linie durch den schön gegliederten, einfach klaren
Aufbau, der die tektonische Form sprechen läßt.
Das Ornament in Treibarbeit beschränkt sich

i) Erhalten haben sich zwei Bände mit ziemlich gleich-
zeitig entstandenen Nachzeichnungen in der Art eines In-
ventars (Leopold Gmelin „Alte Handzeichnungen nach dem
verlorenen Rirchenschatz der St. Michaelskirche zu München",
München (888).

nur auf Bossenkränze am kugeligen Zwischenstück
über dem Fuß, an der Schulter, am Übergang
zum Hals und am Deckel. Die auch hier wieder
nicht schlicht eiförmige, sondern nach unten stark
eingezogene Kannenleibung und der Hals find
ganz glatt gehalten, um die Lichtreflexe auf der
Metallfläche voll zur Wirkung kommen zu lassen.

Ins Dekorative aufgelöst sind der Ausguß in Form
eines aus Akanthus wachsenden Drachenkopfes und
der Henkel mit Schlangenkopf an zwei verflochtenen
Schlangenleibern, eine für Griffe an Renaissance-
gefäßen immer wieder beliebte Lösung. Das
Stück gehört der zweiten Hälfte des (6. Jahr-
hunderts an.

Die zwei folgenden Zeichnungen von Trinkgefäßen 1f .Ci •'-k.
bilden eine stilistisch zusammengehörige Reihe und
geben gute Beispiele für die in der Zeit von etwa
(580 bis in den Anfang des (7. Jahrhunderts
herrschende Dekorationsrichtung, deren Formen-
vorrat sich vor allem aus dem zum flächigen, ge-
schwungenen Bande abgewandelten Rollwerk, dann
aus Fruchtbündeln, Blumenstauden, Masken und
Grotesken zusammensetzt. Größere Serien ge-
stochener vorlageir für Gefäßentwürfe mit dieser
Dekorationsweise sind von einer Reihe von Meistern
noch erhalten, die vielfach selber die Goldschmiede-
arbeit übten und in Nürnberg ihren Sitz hatten.

Zu nennen sind da besonders: Georg wechter,

Bernhard Zahn, der Meister I. S. (Jonas Silber?)
und vor allem Paul Flindt, gest. (6(8, £>er jn
seinen spätesten Vorzeichnungen die letzte Ab-
wandlung dieser Ornamentrichtung vertritt*). Alle
Stiche dieser Künstler sind in der Technik des
Punzenstichs ausgeführt, der die Zeichnung auch
in den Schattierungen in feinen, mit der Gold-
schmiedspunze hergestellten Punktierlinien wie-
dergibt. Die Zeichnungen des Nationalmuseums
die von solchen Vorlagen abhängig sind, sind sämt-
lich mit der Feder ausgeführt und mit dem Rot-
stift schattiert. Für alle ist die Ausführung des
reichen Dekors in Treibarbeit zu denken.

i) Interessantes Vergleichsmaterial in „Paul Flindts
Meisterentwürfe zu Gefäßen usw.", 33 Tafeln, Leipzig, Hirse-
mann (Y05.

Kunst und Handwerk. 68. Iahrg. 3. vierteljahrsheft.

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