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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 71.1921

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Aus dem Leben des Vereins / Kleine Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8622#0083
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den Verein erhältlich. Unter den Preisrichtern sind: Prof.
Ernst Aufseeser, Lucian Bernhard, Prof. J. V. Cissarz,
Paul Leni, Prof. Emil Orlik, Prof. Bruno Paul, Dr. Hans
Sachs, Carl Schulpig, Lucian Zabel.

Neue Werkstätten für Kunstgewerbe. In Erinnerung
und zur Wiederbelebung der zwar kurzen, aber gewaltigen
Blüte des Alt-Ludwigsburger Porzellans ist jüngst in Lud-
wigsburg eine Porzellanwerkstätte begründet worden.
Was bisher von ihr auf den Markt kam, zeichnet sich durch
Feinheit und Stil im Dekor aus. Soviel wir hören, erfreut
sich darum die Werkstätte bereits großer Beliebtheit und
Schätzung. — Die thüringische staatliche Kunstschnitz-
schule Empfertshausen ist erweitert und nach Dermbach
verlegt worden. Zum Direktor wurde aus Weimar der
Bildhauer Fritz Basista berufen. Die Schule soll auch
Kindern unbemittelter Eltern Gelegenheit geben, sich in
der Bildhauerei auszubilden, sowie auch älteren Personen,
die die Holzschnitzerei nur im Nebenberuf betreiben wollen.
Die Lehrfächer sind: Schnitzen in Holz, Elfenbein, Bern-
stein, Meerschaum, Modellieren für Groß- und Kleinplastik,
Freihandzeichnen, Darstellungsübungen, Ausführung von
Werkstattzeichnungen, schließlich Gießen und Formen in
Gips. Im allgemeinen ist eine drei-bis fünfjährige Studienzeit
zur Ausbildung nötig.

Ein neuer Angriff der Entente auf unseren Kunstbesitz.
Die Kathedrale von Besanjon besitzt ein berühmtes Werk
des Florentiner Renaissancemalers Fra Bartolomeo, die
„Madonna mit dem heiligen Sebastian". Sie bildete das
Hauptstück eines Altarwerkes des Ferri Carondelet, das der
kunstsinnige Erzdiakon des Domkapitels 1511 der Kathe-
drale gestiftet hatte. Das Tympanon über der Haupttafel
enthielt ein Gemälde der „Marienkrönung", das Fra Barto-
lomeos Mitarbeiter, Mariotto Albertineiii, gemalt hat.
Es hängt jetzt im Museum von Stuttgart. In ausländischen
Blättern findet man jetzt den Hinweis, die Reparations-
kommission solle den Versuch machen, von Deutschland
die Rückgabe des Werkes zu verlangen. Ein solcher Ver-
such wäre, wenn er wirklich unternommen werden sollte,
gänzlich aussichtslos. Das Gemälde, alter Besitz der Stutt-
garter Galerie, ist seit langen Jahren rechtmäßig erworbenes
Eigentum des württembergischen Staates.

Die „Kunsthalle" des Kultusministeriums. Die Berl.
Börsenzeitung teilt unter dieser Aufschrift mit: Das
Preußische Ministerium für Kunstwissenschaft und Volks-
bildung will seiner Aufgabe, dem Volk das Beste an künst-
lerischen und wissenschaftlichen Erscheinungen zu ver-
mitteln, durch ein neues Unternehmen dienen, das soeben ins
Leben tritt. Es ist dem Ministerium gelungen, die dazu
berufenen deutschen Verleger, nämlich die Firmen Julius
Bard, Deutsche Verlagsanstalt, G. Grote, Julius Hoff-
mann, Insel-Verlag, E. A. Seemann und die Vereinigung
wissenschaftlicher Verleger, zu dem Deutschen Kunstverlag
zusammenzuschließen, die nur hochwertige Werke in muster-
hafter Ausstattung herausbringen werden. Außerdem
ist von der amtlichen Stelle in Verbindung mit dem neuen
Verlag eine Buch- und Kunsthandlung geschaffen worden,
die in den vom Architekten Albert Geßner künstlerisch
ausgestatteten Parterreräumen des Ministeriums unter-
gebracht ist und in den nächsten Tagen eröffnet wird.
Diese „Kunsthalle" des Kultusministeriums bietet dem
Publikum die Gewähr, daß durch sie nur künstlerisch und
literarisch einwandfreie Veröffentlichungen vermittelt wer-
den. Das neuartige Unternehmen soll dem idealen Zweck

dienen, den künstlerisch interessierten Kreisen die edelste
geistige Nahrung zu spenden.

Eine Kunstgewerbeschau in Palästina. Seit Jahrhun-
derten ist zum ersten Male wieder in Palästina ein Auf-
schwung der Kunstübting zu spüren. Ein Zeichen dieser
Bewegung ist die Kunstgewerbeschau in Jerusalem, die von
der Pro-Jerusalem-Vereinigung veranstaltet und durch
den englischen Oberkommissar Sir Herbert Samuel feierlich
eröffnet worden ist. Wie ein Bericht über dieses Unter-
nehmen im „Kunstwanderer" mitteilt, ist schon der Ort
der Ausstellung der höchste malerische Reiz. Das Ge-
bäude liegt inmitten von Ruinen der Zitadelle und der alten
Davidstore, stammt wahrscheinlich aus dem 14. Jahr-
hundert und setzt sich aus einer Gruppe von Türmen zu-
sammen, deren Gemächer von Grund auf wiederhergestellt
wurden und dauernd zu Ausstellungszwecken dienen sollen.
Die Kunstschau will nicht nur einen Überblick über das
geben, was die jetzt in Palästina lebenden Künstler geschaf-
fen haben, sondern sie will überhaupt die örtliche Kunst
und Industrie befruchten und die Einfuhr fremder Waren
möglichst ausschalten. Die Ausstellung besteht aus drei
Abteilungen: Kunst und Handwerk der Vereinigung
jüdischer Künstler, Mohammedanische Kunst und Stadt-
bauwesen.

Die Japaner kaufen ihre Kunstschätze zurück. Während
die Japaner in den ersten Jahrzehnten der Europäisierung
ihres Landes sich weniger um ihre alten Kunstschätze
kümmerten und so viele hervorragende Werke ins Ausland
gelangen konnten, ist gegenwärtig wieder eine leidenschaft-
liche Liebe zur altjapanischen Kunst in der Heimat erwacht,
und die Japaner kaufen jetzt alles, was sie nur bekommen
können, in Europa zurück. Dies mag ihnen in Ländern mit
schlechter Valuta wie bei uns leicht werden, aber es ist
auch in England der Fall. Japaner durchreisen das vereinigte
Königreich und erwerben von privaten Sammlern wie von
Händlern kostbare altjapanische Sachen, z. T. zu lächerlich
geringen Preisen. So kaufte z. B. ein Japaner in einem
Antiquitätenladen für 10Schilling eine japanischeSchnitzerei,
die der Engländer als ein „Puppenhaus oder etwas Ähn-
liches" bezeichnete. Es war aber eine wundervolle kleine
Pagode, die mindestens das Hundertfache des bezahlten
Preises wert war. Da sich die Untertanen des Mikados
heute auch bereits mitten im „Maschinenzeitalter" befinden,
so sind für sie alle die Gegenstände von hoher Bedeutung,
die in früherer Zeit von ausgezeichneten Arbeitern mit der
Hand gefertigt wurden, und deshalb kaufen sie nicht nur
kostbare Kunstwerke, sondern auch alle möglichen Ge-
brauchsgegenstände, die noch aus der guten alten Zeit
stammen, zurück.

Psychiatrie in der bildenden Kunst. In der Berliner „Post"
ist zu lesen: Motive aus dem grausigen Bereich des Irre-
seins haben die Künstler in allen Kulturkreisen beschäftigt,
wie ein Überblick zeigt, den Weygandt in einem in der
Deutschen Mediz. Wochenschr. wiedergegebenen Vortrag
durchgeführt hat. Schon in der primitiven Kunst sind
Degenerationsformen festgehalten. Die weibliche Idealfigur
der Steinzeit, wie sie in der Venus von Villendorf verkörpert
ist, zeigt hochgradige Fettsucht. Die altperuanischen Bild-
werke enthalten viele Anleihen aus dem Bereich des Krank-
haften. Die japanische Kunst hat pathologische Motive in
großem Umfang festgehalten, tanzende Irrsinnige, Amok-
läufer, Menschen mit Wasserköpfen usw. In der Antike
sind solche Darstellungen selten; nur auf den Terrakotten

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