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Kuhlmann, Fritz
Bausteine zu neuen Wegen des Zeichenunterrichts (Band 1): Das Pinselzeichnen: eine künstlerische und pädagogische Bedeutung und seine methodische Behandlung in der allgemeinen Schule; mit 14 z. grössten teil farbigen Tafeln von Schülerzeichnungen und griechischen und japanischen Pinselarbeiten — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.23899#0007
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Die Vertreter der Reform empfehlen auf Grund der im Unterricht erzielten
günstigen Erfolge für den Schulunterricht Übungen im freien Zeichnen mit dein
Pinsel, ohne Vorzeichnung. Ihrer Empfehlung steht die dringende Abmahnung
der Gegner der Reform gegenüber, welche — da sie ja auf einer wirklichen Schulpraxis
in diesen Übungen nicht bissen — auf unbegründetem Vorurteil, auf Vermutungen,
günstigstenfalls auf gelegentlichen, also unzureichenden Experimenten beruht. Die
Freunde der Reform halten deshalb unentwegt an diesen Übungen fest und empfehlen
sie mit bester Überzeugung.

Bei den Einwendungen vieler Gegner hat man den Eindruck, dass für sie das
von Muthesins uns zuerst geschilderte Londoner Pinselzeichnen der Inbegriff des
Pinselzeichnens überhaupt ist. Viele glauben, aus Abneigung gegen dieses, das
Pinselzeichnen als solches verdammen zu müssen. Es ist ihnen augenscheinlich gar
nicht in den Sinn gekommen, dass man es auch anders treiben kann : ""sie haben
scheinbar vollkommen übersehen, dass wir es in deutschen Schulen gar nicht in
englischem Sinne getrieben wissen wollen. ^

Einem etwaigen Vorwurf, dass ich, indem ich für das Pinselzeicnnen eintrete,
dem Auslande einen Tribut brächte, möchte ich von vornherein begegnen mit der
Mitteilung,' dass mir das Pinselzeichnen der Londoner Schulen für die deutschen
durchaus nicht vorbildlich erscheint, dass mich selbst weder dieses, noch das ja-
panische Pinselzeichnen zu meinen Schulübungen angeregt haben, wenngleich ich der
Meinung bin, dass wir manches daraus lernen können. Ich habe vielmehr meine
Anregung dazu — lange bevor ich Londons Pinselübungen kannte — an anderer
Quelle geschöpft, einer Quelle, die selbst den schroffsten Gegnern des Neuen oder
Ausländischen einwandfrei erscheinen dürfte. Meines Erachtens darf aber bei Beur-
teilung der Sache gar nicht in Betracht kommen, wroher die Anregung zum Pinsel-
zeichnen im allgemeinen kam. Auch das Fremde dürfen wir annehmen, wenn es
gut ist. Für uns handelt es sich lediglich um die Fragen: Empfiehlt es sich,
mit dem Pinsel zu zeichnen? Empfiehlt es sich, mit unseren Schülern
Übungen vorzunehmen, welche sie befähigen sollen, Formen ohne jede
Vorzeichnung direkt mit dem Pinsel hinzusetzen? Ist das Zeichnen mit
dem Pinsel ein Mittel, die uns gesteckten oder uns vorschwebenden
Ziele zu erreichen? Oder wirkt es nicht — wie manche behaupten —
ihnen entgegen?

Darüber zur Klarheit zu kommen, scheint um so wichtiger, als seitens des
Herrn Ministers in den Ausführungsbestimmungen zu den Lehrplänen für höhere
Schulen vom 3. April 1902, Übungen »im freien Zeichnen mit dem Pinsel (ohne
Vorzeichnung)« strikte vorgeschrieben sind.

Aus meinen Publikationen und Ausstellungen, wie aus den Besuchen meines
Unterrichts dürfte vielen bekannt sein, dass ich sejt Jahren das Pinselzeichnen im
 
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