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Kunst und Handwerk am Oberrhein: Jahrbuch des Badischen Kunstgewerbevereins und des Kunstgewerbevereins Pforzheim — 2.1926-1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.12927#0013
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BAUKUNST UND KUNSTGEWERBE

EINE ZEITKRITISCHE BETRACHTUNG UBER WEGE
UND ZIELE DER BAU- UND WOHNKULTUR

Der Krieg und die Nachkriegszeit haben ganz in Flädie, Raum und Maf|e. Dazu kommt das Den-

zweifellos in unfere technifch-wirtjchaftliche Entwick- ken und Arbeiten in gröperen Abjchnitten, mit

lung eine ungeheuere Befdileunigung gebradit. gröperen Siditweiten, wodurch naturgemäp klein-

Hand in Hand drangt und |uchtdiegei(tigeStruktur liches, unwe|entliches Beiwerk von |elbfr auper adit

unferer Zeit nadi neuen, faff ungeahnten Formen. bleibt.Techni|di-wirt|cha|tlich ausgedrückt, zwingen

Nodifrehen wir mitten in einem gewaltigen Ringen uns jdion die Kapitalkrijis, das Bevölkerungspro

der Gei(?er. Die wirt|chaftlidien: |ozialen, gefell- blem, Roh(toff- und Produktionsbedingungen

Jdiaftlichen und ftaatlichen Grundlagen unferer ge- u.a.m. dazu.

famten Zivili|ation erfahren eine ftarke Umprä- Iß diefe Purifizierung nun notwendig als Zeit-

gung, deren Endgeftal tungwirnodi niditüber|ehen erfdieinung oder als Ubergangsform? Mir cleudite

können. Immerhin |cheint ein Weg fiditbar zu wer- ja, als Ubergang.

den, der zu einem wohl fernen Ziele einer neuen, JedeaufbauendeArbeiterfordertzweiVorgänge.

freieren Ge|ell)chaftsordnung führen wird. Erfrens eine Zer(törung und dann den Neuaufbau.

Der fiditbare Ausdruck jeder Kulturepodie hat Ehe der Bauer den Samen der Erde übergibt,

|idi immennfeinerArd~)itektur,feinerBaugefinnung mup er den Boden umbredien; ehe er das Korn

geoffenbart. Was Wunder, dap die Baukunjt un- mahlt, mup er das Leben der Pflanze verniditen,

|erer Zeit ein Spiegelbild der geifrigen Kämpfe im Mähen, im Ernten. Ehe das neue Haus ent-

unferes Volkes oder - will man weiter jehen — fteht, mup der Baugrund ge|prengt werden, muffen

eines Teiles der Men|diheit ifr. Aber wohl gerade die Materialien Stein, Holz, Eifen bejchafft werden

dadurch hat die Baukunfr den gropen Vorzug, von durch Umwühlen der Erde, Fällen der Bäume ufw.

allen Betätigungen, die auf gei|tig und Verbandes- Es wird eine frändige Evolution, das „panta rhei"

mäpig arbeitender Baps beruhen, diejenige zu der Alten, dafür forgen, dap das Neue aus dem

(ein, die am frärk[ten hineingreift in alle modernen Mutterfdiop des Vorhandenen (idi entwickelt unter

Probleme, am weiteren voran ift in der Erfaf|ung Zerbrediung alt gewordener, überlebter Fe||eln.

aller neuen Ideen. So wird, mag er[? einmal ein So fcheint auch in der Jetztzeit die Notwenclig-

Kriftallijationspunkt der werdenden Ge|diehni|fe keit gekommen zu [ein, eine gründlidie Reini-

fich zeigen, unfere Baukunp als erfte in der Lage gung aller kün|tleri|chen, ge|dimacklidien und

fein, den neugefdiaffenen Bedürfniffen und An- äfrhetifchen Begriffe vorzunehmen. Dap diefe

[chauungen (innfällig und klar zu entfprechen. Ob Reinigung über den Weg der nüditernen, kon|truk-

dazwifdien kleinere oder gröpere Irrtümer mit- tiven, lebensnotwendigen, bedarfsmäpigen Sadi-

unterlaufen pnd, fpielt keine Rolle. lichkeit geht, iff kein Sdiaden, viclleidit der einzig

Worin befteht nun die nädif?liegende (ichtbare gangbare Weg, den unterbewupt die |uchende

Auperung die(er Entwicklung? Man könnte fagen, Seele aus dem Labyrinth überfdiaditelter Stil-und

in einer bis zurNacktheit (idi (teigernden Ernüdite- Kunftformen vergangener Jahrzehnte und Jahr-

rung und Vereinfachung aller Erfcheinungsformen hunderte fudit.

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