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Kunst und Handwerk am Oberrhein: Jahrbuch des Badischen Kunstgewerbevereins und des Kunstgewerbevereins Pforzheim — 2.1926-1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.12927#0015
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A LI S EINEM BRIEFE HANS T H OMAS*)

Gern füge ich auf wunfeh der Frau Stamm-
Hagemann eine kleine Befürwortung bei für ihre
Hinterglasmalerei - zur Erklärung dieferTechnik,
die kaum mehr geübt wird. Die|e Glasmalerei
i|t oder war eine handwerksmäßige Dauernkunfr,
die in Bayern und auch im Schwarzwald ge-
bräuchlich war. Die farbenjehönen Tafeln [ahen
|owohl an den braunen Holzwänden als aufweip-
getünditen Mauern der Bauern|tuben recht wie
Schmuckßücke aus: fie wurden aber von dem
Farbendruck verdrängt, und |o ging der letzte Re|t
von wirklicher Handmalerei im Volk und für das
Volk verloren. So bäuerijdi ungeschickt auch die|e
handgemalten Heiligenbilder in ihrer farben-
frohen Symbolik waren, [o ift doch zu bedauern,
dap diefe Selbstbeteiligung des Volkes an der
Kunff verlorengegangen i|t. Jetzt veifucht man die

wenigen Re|te, die noch vorhanden (ind, für Samm-
lungen zu erwerben. Mein Spezielles Interefje an
diefen Via! ereien kommt aber daher, dap ein On-
kel von mir in Bernau [olche Glastafeln-Heilige ge-
malt hat und dap wohl dic|e Handwerks-! radition
daran schuld haben könnte, dap idi Maler bin. So
viel überdiel echnikdiefer Mal erei, die mit Ölfarbe
hinter Glas ausgeführt wird. Dap Frau Stamm-
Hagemann mit ihrem groben erfindungsreichen
I alent die|e Technik wieder aufgenommen hat,
freut mich (ehr. F.s kommt wohl die Zeit, wo das
deutfcheVolk |o arm ift, dap es |ich (eine Kunji felber
machen mup - zu |einem eigenen Vergnügen . .
Karlsruhe, 5. Februar 1910.

H ans I h 0 m a.
*) Mit Erlaubnis des Nachlaßverwalters erftmals ver-
öffentlicht. (Zu Seite it, sowie Bond I Seite 78.)

BEMERKUNGEN ZU BUCHEINBÄNDEN

Fs i|t eine nicht zu unterdrückende Beobach-
tung, dap ßch in den letzten Jahren das Interejje
der für Kunft überhaupt empfänglichen Menfchen
etwas von der „freien'' und „hohen'' Kunft hin-
weg zur „angewandten" ver|dioben hat - eine! at-
[ache, die immerhin wert ifr, dap man |ich über
fie |eine Gedanken machte.

Einer der Gründe mag fein, dap der einzelne
|idi nicht mehr [o repräsentativ empfindet wie ehe-
dem. Eine Ge|chidite des Bildniffes würde das
betätigen. So flüchtet denn die Kunftliebe zum
weniger Verbindlichen, zum Intimeren und das
Perfönliche mehr Andeutenden des kun|thand-
werklichen Gegenjtancles. Ein anderer Grund
von vielleicht gröperer Dedeutfamkeit i(r der er-
wachende Sinn für die Wirkung des techni|ch
benutzten Materials.

Wir |agen „für die Wirkung" des Materials,

denn unleugbar henjeht hierbei bis jetzt meift
noch ein etwas dünnblütiger äffhetifcher Senfua-
lismus vor, dem die neu erweckten Reize der
Oberfläche genügen, und er |trebt danach, |ie
durch die mehr oder weniger feinfühlig angeord-
neteOrnamcntik zu heben und auskoffen zu lassen.

Die Bedenklichkeit die|er Einteilung - es ift
über |ie das böfeW ort von der „Fünfuhrtee-Kultur"
geprägt worden - hat man inzwifchen begriffen
und geglaubt, durch Vernichtung des Ornaments
und Erhebung der reinen Zweckkonfrruktion zum
Formge|etz der Lage Herr zu werden. Doch i(f
da vieles Gejte geblieben - die Grundform
jelbcr wurde oft genug ornamental - , und wo
man das Programm durchführte, erw ies es jich als
ein I riumphdes Reipbrett|diematismus. DieFragc
iff al|o, ob es nicht einen anderen Weg gibt, um
der kunjrgewerblichen Phrafeologie zu entgehen.

IX
 
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