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Die Kunde — N.F.10.1959

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Heft 1-2
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Thielemann, Otto: Eine mittel-bis jungsteinzeitliche Siedlung bei Oedishausen, K. Gandersheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.71587#0050

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hang des Hahauser Triassattels. Allgemein bevorzugen unsere Mesolithiker sonst
nach Süden und Osten offene Plätze und Hänge von landschaftlichem Reiz. Ebenso
ist hier die Platzwahl auf mittlerem Buntsandstein etwas ungewöhnlich, auch ist der
vorhanden gewesene Werkstoff im ganzen nicht von besonderer Güte. Vielleicht hat
also die Herzbrunnen-Quelle in erster Linie die Wahl bestimmt.
So haben wir es bei unserer Oedishauser Siedlung mit einem urgeschichtlichen
Wohnplatz zu tun, der Steinzeitsiedler durch mehrere Jahrtausende wohl weniger
durch eine bevorzugte Lage als vielleicht mehr durch seine gesicherte Wasserversor-
gung angelockt hat, allerdings — das ist nicht zu übersehen — auch in einer Art
Verstecklage getarnt, die zugleich eine Kontrolle über einen nahe vorbeiführenden
Paßweg ermöglichte.
Die Überschau der rund 100 als Geräte anzusprechenden Fundstücke vermittelt als
weitere Eigenart das Bild einer nicht ganz einheitlichen Kulturhinterlassenschaft. Die
Fundlese erbrachte große und grobe Abschläge neben feinsten Mikrolithen, plumpe
Breitgeräte und andererseits zahlreich auffallend lange Schmalklingen, wie sie sonst
hierzulande rar sind, urtümliche Werkzeuge (Handgriffschaber!) neben erstaunlich
eleganten Pfeilspitzen, Artefakte mit zarter Mikroschärfung (auch an Grobgeräten),
solche mit breiteren, bestechend ebenmäßigen Lamellen und — wenn auch seltener —
flach aufgreifende Retuschen und schließlich mehrfach umlaufende Randbearbeitung
neben flüchtiger Teilschärfung. In so unterschiedlichen Zügen spiegeln sich nicht nur
verschiedene Siedlungsspannen vom frühen Mesolithikum bis zur späten Jungsteinzeit
(s. die hochentwickelten Pfeilspitzen!) etwa von 8000—2000 v. Chr., sondern
wohl auch mehrfache, einander durchdringende Kulturströmungen. So gesehen, muß
der große Handgriffschaber, der auf Beziehungen zum mesolithischen Nordkreis
weist und m. W. hier erstmalig im nordharzer Fundgut auftritt, als Unikum in
unserem Fundbestand gewertet werden 10, möglich auch, daß Einzelstücke — so be-
sonders die nachbearbeiteten und schräg auf die Fläche retuschierten — noch von
neolithischen Siedlern zugerichtet und benutzt wurden.
Die Masse des Oedishauser Fundinventars zeigt aber mit den Grobgeräten, der
stark vertretenen Kratzerindustrie, den Klingen mit Hohlbucht, terminaler Retusche
und Mikroschärfung sowie im Mikrolithbestand eindeutig mittelsteinzeitliches
Gepräge. Es ist ersichtlich, daß auch die Mesolithiker nicht nur mit Kleinstgeräten
hantierten, sondern — was durchaus natürlich ist — auch widerstandsfähige Groß-
geräte benötigten11. In diesem mesolithischen Fundbild unserer Siedlung — das
unter 6) aufgeführte Fundgut scheidet hier bei der weiteren Beurteilung völlig aus —
fehlen Stielspitzen, Stichel und Messer. Zeugenwert für die Einstufung haben vor
allem die Mikrolithen. Wenige Zonhovenspitzen deuten auf frühe Stufen, das
Segment und das Breittrapez — letzteres sicher keine Quer-Pfeilschneide — sowie
die kleinen Rundschaber weisen ins Endmesolithikum. Im ganzen erscheint der
Mikrolithenschatz typenarm. Bei Bevorzugung mehr gleichmäßiger atypischer Breit-
formen mangelt es gänzlich an geometrischen Dreiecken und langschmalen Spitzen.
Neben einigen feingerätigen Spitzen herrschen besonders die blattförmigen Klein-
formen vor, und im ganzen gesehen ähnelt hier der Mikrolithschatz dem der Marten-
kamp-Siedlung von Deilmissen, die W. Barner 1928 veröffentlicht hat12.

10 H. Schwabedissen, Die mittlere Steinzeit im nordwestlichen Deutschland, S. 138. Neu-
münster 1944.

11 H. Schwabedissen, a.a.O. Anmerkung 10 allgemein. — P. Zylmann, Ein mesolithi-
scher Fundplatz am Brookzetelermeer in Ostfriesland. Nachrichten aus Niedersachsens Ur-
geschichte 1937, Heft 11, S. 82. — Vergl. hier auch die entspreclienden Mikrolith-Typen wie
bei Oedishausen (Abb. 19-25 auf S. 72) und ein als Angelhaken angesprochenes Gerät (Abb. 63
auf S. 80).

12 W. Barner, Steinzeitliche Siedelplätze am Nordabhange des Thüster Berges im Kreise
Gronau, Taf. 4, Hildesheim 1928.

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