Beobachtungen an Quarzitschlagstellen im südlichsten
Niedersachsen 1
Von F. B. Jünemann
Mit 4 Abbildungen im Text und 13 Abbildungen auf 8 Tafeln
1956 erkannte ein Oberschüler in der Gemarkung Dankelshausen, Kreis
Münden, auf der Hochfläche über der Schedener Rötsenke einen durch Wind-
politur patinierten Faustkeil 2 aus feinkörnigem hellgrauem Tertiärquarzit
(Abb. 1).
Adolf Luttropps Entdeckungen und einzigartigen Sammlungen im hessischen
Kreise Ziegenhain 3, sodann O. Uenzes 4, H. Krügers 5 und J. Bergmanns 6
Arbeiten im weiteren Nieder- und Oberhessen zeigen seit Jahren, daß paläo-
lithische Oberflächenfunde aus Quarzit 7 keine Absonderlichkeit darstellen.
Die Nachsuche am Fundplatz von Dankelshausen erbrachte jedoch derart viele
artefaktverdächtige Stücke, daß ich skeptisch wurde und versuchte, den Nach-
weis einer natürlichen, erddruck- und temperaturbedingten, Entstehung der
fraglichen Steinformen zu finden. Wer bislang in seinem Arbeitsgebiet nur
Feuersteinplätze mit einigen Händen voll Spänen und wenigen Geräten kennt,
überwindet schwer sein Mißtrauen gegenüber der neuartigen Materialfülle.
Erst ein Besuch der Station Lenderscheid im Kreise Ziegenhain unter
Luttropps Führung überzeugte mich, daß im örtlich anstehenden Quarzit quan-
titativ und größenmäßig tatsächlich andere Maßstäbe gelten als an Stellen
mit importiertem Flint.
Darüber hinaus — um das einzufügen —, tragen erhalten gebliebene
Schlagplätze im Braunkohlenquarzit so unvermittelt die Atmosphäre einer
andersartigen Arbeitswelt, daß Sehen und Erkennen der hier gültigen Eigen-
arten erst ihre neue, von Verwöhnung und unbewußter Voreingenommenheit
1 Dem nachstehenden Beitrag liegt ein Kurzreferat zugrunde, das Verf. 1958 auf
der Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung in Alfeld (Leine)
hielt.
2 F. B. Jünemann, Ein Faustkeilfund im südhannoverschen Kreise Münden;
Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Nr. 25, 1956, S. 3 ff. — K. H.Jacob-
Friesen, Einführung in Niedersachsens Urgeschichte, l.Teil Steinzeit, 4. Aufl. Hil-
desheim 1959, S. 62 f.
3 A.Luttropp, Paläolithische Funde in der Gegend von Ziegenhain; in: Hes-
sische Funde (Schriften zur Urgeschichte II, 1949) S. 5 ff. — Derselbe, Altsteinzeit-
liche Funde im Kreise Ziegenhain; Germania 33, 1955, S. 311 ff. — R. Grahmann,
Urgeschichte der Menschheit, 2. Aufl. Stuttgart 1956, S. 240 f.
4 O. Uenze, die Kultur der Urzeit (Vorgeschichte von Nordhessen, l. Teil) Mar-
burg 1953, S. 22 ff. — Derselbe, Vorgeschichte der Hessischen Senke in Karten,
1953, Text S. 6 ff.
5 H.Krüger, Germania 30, 1952, Fundchronik S. 446 f. — Derselbe, Paläo-
lithikum in Oberhessen, Quartär 7/8, 1956, S.5 ff. — Derselbe, Frühpaläolithische
Geröllartefakte vom Typ „Pebble tool" in Oberhessen?; Eiszeitalter und Gegenwart,
Bd. 10, S. 165 ff.
6 J.Bergmann, Ein neues Mittelpaläolithikum aus Kieselschiefer in Nieder-
hessen; Germania 37, 1959, S. 1 ff.
7 Einschließlich anderer Gesteinsarten im Unterschied zu Feuerstein. Vgl.
H.Schwabedissen, Eine neue Fundprovinz des Paläolithikums in Mitteleuropa;
Germania 36, 1958, S. 1 ff.
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Niedersachsen 1
Von F. B. Jünemann
Mit 4 Abbildungen im Text und 13 Abbildungen auf 8 Tafeln
1956 erkannte ein Oberschüler in der Gemarkung Dankelshausen, Kreis
Münden, auf der Hochfläche über der Schedener Rötsenke einen durch Wind-
politur patinierten Faustkeil 2 aus feinkörnigem hellgrauem Tertiärquarzit
(Abb. 1).
Adolf Luttropps Entdeckungen und einzigartigen Sammlungen im hessischen
Kreise Ziegenhain 3, sodann O. Uenzes 4, H. Krügers 5 und J. Bergmanns 6
Arbeiten im weiteren Nieder- und Oberhessen zeigen seit Jahren, daß paläo-
lithische Oberflächenfunde aus Quarzit 7 keine Absonderlichkeit darstellen.
Die Nachsuche am Fundplatz von Dankelshausen erbrachte jedoch derart viele
artefaktverdächtige Stücke, daß ich skeptisch wurde und versuchte, den Nach-
weis einer natürlichen, erddruck- und temperaturbedingten, Entstehung der
fraglichen Steinformen zu finden. Wer bislang in seinem Arbeitsgebiet nur
Feuersteinplätze mit einigen Händen voll Spänen und wenigen Geräten kennt,
überwindet schwer sein Mißtrauen gegenüber der neuartigen Materialfülle.
Erst ein Besuch der Station Lenderscheid im Kreise Ziegenhain unter
Luttropps Führung überzeugte mich, daß im örtlich anstehenden Quarzit quan-
titativ und größenmäßig tatsächlich andere Maßstäbe gelten als an Stellen
mit importiertem Flint.
Darüber hinaus — um das einzufügen —, tragen erhalten gebliebene
Schlagplätze im Braunkohlenquarzit so unvermittelt die Atmosphäre einer
andersartigen Arbeitswelt, daß Sehen und Erkennen der hier gültigen Eigen-
arten erst ihre neue, von Verwöhnung und unbewußter Voreingenommenheit
1 Dem nachstehenden Beitrag liegt ein Kurzreferat zugrunde, das Verf. 1958 auf
der Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung in Alfeld (Leine)
hielt.
2 F. B. Jünemann, Ein Faustkeilfund im südhannoverschen Kreise Münden;
Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Nr. 25, 1956, S. 3 ff. — K. H.Jacob-
Friesen, Einführung in Niedersachsens Urgeschichte, l.Teil Steinzeit, 4. Aufl. Hil-
desheim 1959, S. 62 f.
3 A.Luttropp, Paläolithische Funde in der Gegend von Ziegenhain; in: Hes-
sische Funde (Schriften zur Urgeschichte II, 1949) S. 5 ff. — Derselbe, Altsteinzeit-
liche Funde im Kreise Ziegenhain; Germania 33, 1955, S. 311 ff. — R. Grahmann,
Urgeschichte der Menschheit, 2. Aufl. Stuttgart 1956, S. 240 f.
4 O. Uenze, die Kultur der Urzeit (Vorgeschichte von Nordhessen, l. Teil) Mar-
burg 1953, S. 22 ff. — Derselbe, Vorgeschichte der Hessischen Senke in Karten,
1953, Text S. 6 ff.
5 H.Krüger, Germania 30, 1952, Fundchronik S. 446 f. — Derselbe, Paläo-
lithikum in Oberhessen, Quartär 7/8, 1956, S.5 ff. — Derselbe, Frühpaläolithische
Geröllartefakte vom Typ „Pebble tool" in Oberhessen?; Eiszeitalter und Gegenwart,
Bd. 10, S. 165 ff.
6 J.Bergmann, Ein neues Mittelpaläolithikum aus Kieselschiefer in Nieder-
hessen; Germania 37, 1959, S. 1 ff.
7 Einschließlich anderer Gesteinsarten im Unterschied zu Feuerstein. Vgl.
H.Schwabedissen, Eine neue Fundprovinz des Paläolithikums in Mitteleuropa;
Germania 36, 1958, S. 1 ff.
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