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Die Kunde — N.F.10.1959

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Heft 1-2
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Tackenberg, Kurt: Die Scherben der Grabung Wellie
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https://doi.org/10.11588/diglit.71587#0101

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nach außen gebogen und zum gewölbten Körper abgesetzt gewesen ist. Seit
langem fassen wir diese, für das Mittelwesergebiet geläufige Form unter
dem Begriff: Gefäße vom Nienburger Typ zusammen (Abb. 8, 9 und 14). Wir
kennen sie in vielen Belegen aus Gräbern. Dann ist ihnen sehr oft ein mit
den mannigfaltigsten Mustern verziertes Band um die größte Wölbung des
Gefäßkörpers eigen. Im Haushalt von Wellie bildeten derartig reichverzierte
Terrinen wohl eine Ausnahme. Unter den Scherben, die auf Gefäße vom
Nienburger Typ zurückzuführen sind, gibt es nur ganz wenige mit Mustern
(Abb. 8, 16 und 17), wenn man alle Terrinenbruchstücke in Betracht zieht.
Die Ritzlinien, die auf den Scherben zu erkennen sind, hat man ganz fein
eingekratzt. Diese Art, die Verzierung anzubringen, gibt es vor allem am
Anfang der Entwicklung der Nienburger Terrinen und am Ende. In unserem
Zusammenhang ist verständlich, an den Endabschnitt zu denken. Dafür, daß
wir in der Datierung auf dem richtigen Wege sind, spricht neben den anderen
Hinweisen, die schon gegeben wurden, die Tatsache, daß gelegentlich der
Rand der Nienburger Gefäße von Wellie verdickt ist (Abb. 8, 15), was darauf
hinweist, daß wir uns in chronologischer Hinsicht der Stufe Latene D — dem
1. Jahrhundert v. Chr. Geb. — nähern, in dem verdickte Ränder an Gefäßen
eine übliche Erscheinung darstellen.
Der Zeitansatz, den Genrich für Wellie gegeben hat (s. S. 75) ist durch
die Scherbenanalyse bestätigt worden. Ich meine allerdings, daß die Siedlung
eher im 2. Jahrhundert v. Chr. Geb. bestand als etwa schon im 3., und daß
sie vielleicht noch etwas ins 1. Jahrhundert v. Chr. Geb. hineinreichte. Mich
bringen zu dieser späten Fixierung vor allem die Scherben mit verdicktem
Rand, die schon in die Spätlatenezeit überleiten.
Die Wichtigkeit der Lage des Wohnplatzes Wellie in der Weseraue hat
Strautz schon gebührend herausgestellt. Es ist anzunehmen, daß sich mit der
Zeit Hinweise von Daueraufenthalt in den Flußauen Niedersachsens gerade
für die 2. Hälfte der frühen Eisenzeit häufiger ergeben werden. In dieser
Epoche hat offenbar Trockenheit so lange und so intensiv geherrscht, daß
man sich in den Auen niederlassen konnte, ohne Gefahr zu laufen, durch
Hochwasser geschädigt oder gar vertrieben zu werden. Aus meiner hannö-
verschen Zeit kenne ich Siedlungsreste aus anmoorigem Gebiet an der
Wümme bei Ottersberg, die in den jüngeren Abschnitt der frühen Eisenzeit
fallen. Auch dort sind die Bedingungen, sich anzusiedeln, nur gegeben, wenn
größte Trockenheit herrschte. Das gleiche gilt für mittel- bis spätlatenezeit-
liche Siedlungsreste in der Rheinaue. Um noch einen Beleg für ein Klima-
optimum vor Chr. Geb. zu geben, sei darauf verwiesen, daß Cäsar während
des Gallischen Feldzuges einmal sein Winterlager in Bibrakte aufschlug und
seine Legionen es dort während der schlechten Monate ohne Schwierigkeiten
aushielten, obwohl die Stadt etwa 750 bis 800 m hoch lag in einem Gelände,
in dem heute der Ungunst des Klimas wegen keine Siedlung mehr vorhanden
ist.
Die ausgezeichnete klimatische Situation in der zweiten Hälfte der frühen
Eisenzeit steht im Gegensatz zu der der ersten Hälfte (etwa 7. bis 5. Jahr-
hundert v. Chr. Geb.), in welcher es offenbar regen- und wasserreicher gewe-
sen ist. Als ein Beispiel für viele sei angeführt, daß in dieser Zeitspanne die
Schwäbische Alb stark bevölkert gewesen ist, was als Voraussetzung hatte,
daß der Kalkboden dieses Gebietes so durchfeuchtet war, daß er sich für
Ackerbau und Viehzucht gut ausnützen ließ. Diese Bedingungen bestanden
nicht für alle vor- und frühgeschichtlichen Epochen auf der Schwäbischen Alb.

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