Nach Britannien zurückgekehrt segelte er entlang dessen Ostküste südwärts
bis zum Vorgebirge „Kantion" (Kent). Von da nahm seine Erkundung des
Bernsteinlandes ihren Ausgang. Sie führte ihn über die Rheinmündungen bis
in die Gegend von Helgoland vor der Deutschen Bucht. Pytheas durchmaß
von den Säulen des Herkules bis Thule (Nidaros) fast 30 Breitengrade und
legte dabei durch Messungen mit dem von ihm verbesserten Vertikalstab
„Gnomon" (Schattenwerfer) die im Verlaufe der Fahrt nordwärts sich ändern-
den Sonnenhöhen für verschiedene Orte fest.
Nach Massilia zurückgekehrt schrieb er einen Bericht „Vom Ozean" über
diese Nordlandfahrt. Wir kennen die verschollene Abhandlung leider nicht
selbst, sondern nur Bruchstücke davon, da sich im Schrifttume der Alten eine
lebhafte Aussprache für, vor allem aber dawider entwickelte. Vielen nie über
die engere Heimat hinausgekommenen Schriftstellern waren eben die von
Pytheas geschilderten Verhältnisse völlig unglaublich, weil sie zu weit ab-
wichen von denen des ihnen seit frühester Kindheit vertrauten Mittelmeeres.
Nur einige solcher Besprechungen aus zweiter oder gar dritter Hand wurden
uns aus der Urschrift übermittelt.
Bei der Fahrt des Pytheas von Kantion (Kent) in die deutsche Bucht machten
die ihm ungewohnten Tideerscheinungen unseres Wattengebietes, wo sie sich
ja wegen dessen Seichtmeernatur auffällig auswirken, vermutlich den größten
Eindruck. Leider sind uns aus seinem Berichte darüber nur ganz geringe An-
deutungen erhalten. Der geschichtskundige Diodor fußend auf dem siziliani-
schen Geographen Timaios (rd. 364—250 vor Chr.), der seinerseits aus Pytheas
schöpfte, schreibt nämlich um Chr. Geb., daß an den Inseln zwischen Britannien
und dem europäischen Festlande ihre sie voneinander trennenden und sich
bei Flut füllenden Wasserstraßen (das sind unsere Priele, Baljen und See-
gatten) sie als wirkliche Inseln erscheinen lassen, wogegen sie bei ablaufen-
dem Wasser, „wenn das Meer zurückströmt und große Flächen freigibt",
gleich Halbinseln gestaltet sind. Noch heute können ja ortskundige Watt-
wanderer bei Ebbe zu Fuß vom Festlande bis an die Nordstrände unserer
ostfriesischen Inseln wie über Halbinseln gehen.
Seine Ostfahrt führte den Massilier auf dem uralten Segelkurse zwischen
Britannien und dem Bernsteinlande nach damaliger Seefahrtsweise in Land-
sicht längs der an der äußersten Wattkante liegenden ostfriesischen Inseln
zum gemeinsamen Mündungstrichter von Weser und Elbe, deren Namen
Pytheas aber nicht nennt. Davor lag nun in See seine Bernsteininsel „Abalus",
die in mehreren Besprechungen dieses Teiles seines Fahrtberichtes von späte-
ren Schriftstellern des Altertums erwähnt wird. Ob Pytheas die Insel selbst
sah und besuchte oder nur nach Erzählungen von küstenbewohnenden Ge-
währsleuten berichtet, weiß man nicht; wahrscheinlicher ist die letzte An-
nahme.
„Abalus" ist als keltisches Wort die Bezeichnung für die glückselige Welt
Abgeschiedener, also ähnlichen Sinngehaltes wie das damit verwandte Wort
„Avalon" (mhd: „Avalun"), jenes Feeneiland, in das der sagenhafte Kelten-
könig Artus nach schwerer Verwundung entrückt wurde. In der nordischen
Überlieferung gibt es zudem einen obersten Leiter göttlichen Gerichtes, Bal-
durs Sohn „Forsites". Damit hängt der altfriesische Name Helgolands „For-
Daß Hirse z. Z. des Pytheas noch in Thule wachsen konnte, ermöglichte nur die den
Klimaabfall anfänglich dort noch verzögernde Wirkung des auf die norwegische Küste
gerichteten warmen Golfstromes.
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bis zum Vorgebirge „Kantion" (Kent). Von da nahm seine Erkundung des
Bernsteinlandes ihren Ausgang. Sie führte ihn über die Rheinmündungen bis
in die Gegend von Helgoland vor der Deutschen Bucht. Pytheas durchmaß
von den Säulen des Herkules bis Thule (Nidaros) fast 30 Breitengrade und
legte dabei durch Messungen mit dem von ihm verbesserten Vertikalstab
„Gnomon" (Schattenwerfer) die im Verlaufe der Fahrt nordwärts sich ändern-
den Sonnenhöhen für verschiedene Orte fest.
Nach Massilia zurückgekehrt schrieb er einen Bericht „Vom Ozean" über
diese Nordlandfahrt. Wir kennen die verschollene Abhandlung leider nicht
selbst, sondern nur Bruchstücke davon, da sich im Schrifttume der Alten eine
lebhafte Aussprache für, vor allem aber dawider entwickelte. Vielen nie über
die engere Heimat hinausgekommenen Schriftstellern waren eben die von
Pytheas geschilderten Verhältnisse völlig unglaublich, weil sie zu weit ab-
wichen von denen des ihnen seit frühester Kindheit vertrauten Mittelmeeres.
Nur einige solcher Besprechungen aus zweiter oder gar dritter Hand wurden
uns aus der Urschrift übermittelt.
Bei der Fahrt des Pytheas von Kantion (Kent) in die deutsche Bucht machten
die ihm ungewohnten Tideerscheinungen unseres Wattengebietes, wo sie sich
ja wegen dessen Seichtmeernatur auffällig auswirken, vermutlich den größten
Eindruck. Leider sind uns aus seinem Berichte darüber nur ganz geringe An-
deutungen erhalten. Der geschichtskundige Diodor fußend auf dem siziliani-
schen Geographen Timaios (rd. 364—250 vor Chr.), der seinerseits aus Pytheas
schöpfte, schreibt nämlich um Chr. Geb., daß an den Inseln zwischen Britannien
und dem europäischen Festlande ihre sie voneinander trennenden und sich
bei Flut füllenden Wasserstraßen (das sind unsere Priele, Baljen und See-
gatten) sie als wirkliche Inseln erscheinen lassen, wogegen sie bei ablaufen-
dem Wasser, „wenn das Meer zurückströmt und große Flächen freigibt",
gleich Halbinseln gestaltet sind. Noch heute können ja ortskundige Watt-
wanderer bei Ebbe zu Fuß vom Festlande bis an die Nordstrände unserer
ostfriesischen Inseln wie über Halbinseln gehen.
Seine Ostfahrt führte den Massilier auf dem uralten Segelkurse zwischen
Britannien und dem Bernsteinlande nach damaliger Seefahrtsweise in Land-
sicht längs der an der äußersten Wattkante liegenden ostfriesischen Inseln
zum gemeinsamen Mündungstrichter von Weser und Elbe, deren Namen
Pytheas aber nicht nennt. Davor lag nun in See seine Bernsteininsel „Abalus",
die in mehreren Besprechungen dieses Teiles seines Fahrtberichtes von späte-
ren Schriftstellern des Altertums erwähnt wird. Ob Pytheas die Insel selbst
sah und besuchte oder nur nach Erzählungen von küstenbewohnenden Ge-
währsleuten berichtet, weiß man nicht; wahrscheinlicher ist die letzte An-
nahme.
„Abalus" ist als keltisches Wort die Bezeichnung für die glückselige Welt
Abgeschiedener, also ähnlichen Sinngehaltes wie das damit verwandte Wort
„Avalon" (mhd: „Avalun"), jenes Feeneiland, in das der sagenhafte Kelten-
könig Artus nach schwerer Verwundung entrückt wurde. In der nordischen
Überlieferung gibt es zudem einen obersten Leiter göttlichen Gerichtes, Bal-
durs Sohn „Forsites". Damit hängt der altfriesische Name Helgolands „For-
Daß Hirse z. Z. des Pytheas noch in Thule wachsen konnte, ermöglichte nur die den
Klimaabfall anfänglich dort noch verzögernde Wirkung des auf die norwegische Küste
gerichteten warmen Golfstromes.
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