Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunde — N.F. 23.1972

DOI Artikel:
Körner, Gerhard: Die Sieben Berge
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.73995#0058

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Sieben Berge

Von
Gerhard Körner
Mit 1 Tafel
In der Heimat unseres Jubilars W. Wegewitz, in der Feldmark des Dorfes
Ohrensen im Kreise Stade, gibt es ein Flurstück, die Sieben Berge genannt.
Es handelt sich um ziemlich ebenes Gelände, in dem mehrere Grabhügel liegen,
die in der Sprache des Landes leichthin Berge genannt werden.
Es ist auffällig, die Ansammlung von nahezu einem Dutzend Grabhügeln
mit sieben beziffert zu sehen.
In der Umschau nach ähnlichen Erscheinungen drängen sich als schnell
zuhanden Beispiele auf, bei denen die Zahlbenennung ebenfalls nicht zutrifft.
Man denke an die sieben Weltwunder des Altertums, deren Katalog umfäng-
licher war \ an das Siebengebirge, das mehr als sieben Gipfel hat 2, aber auch
an das Siebengestirn, bei dem das unbewaffnete Auge mit Mühe sechs Sterne
zu zählen vermag 3, und gar alle Siebensachen, bei denen alles andere als
die genaue Menge bezeichnet ist.
Man weiß aus der Zahlenmystik, daß der Sieben eine magische Bedeutung
anhaftet, indessen gibt es im ersten Dutzend wohl keine Zahl, die keine hätte 4.
Unsere Beispiele scheinen weniger mystischer Natur zu sein, als daß sym-
bolisch „eine ganze Menge" ausgedrückt werden soll, für die nun nicht der
reale, abzählbare Bestand maßgebend ist, sondern die wohlklingende Doppel-
silbe Sieben. Mögen Kenntnisreichere ruhig Mystisches bei der Verwendung
der Sieben feststellen; hier genügt es zu bemerken, daß es außer in den
Fällen, wo wirklich wie bei dem Wolf und den sieben Geißlein und in anderen
Dingen haargenau sieben Stück gemeint sind, auch andere Fälle erkannt zu
werden vermögen, wo ganz bestimmt nicht sieben Stück gemeint sind, wie
sich jedermann durch Nachzählen zu überzeugen vermag.
Der Sachverhalt sollte den Archäologen zu denken geben, die bei den Sieben-
steinhäusern im Kreise Fallingbostel immer noch zwei verlorengegangenen
Gräbern nachtrauern, die es wohl nie gegeben hat. Der Besucher zählt fünf Stein-
gräber, er kann gar nicht daran vorbei, sie zählen zu müssen, und reimt sich
im Vergleich mit dem Eigennamen den Verlust von zweien zusammen. Nun
gehören aber diese Monumente des Altertums zu denen, die seit langem
bekannt und immer wieder beschrieben worden sind. Neben dem Karlstein
bei Osnabrück und den Lübbensteinen bei Helmstedt, denen ob ihrer günstigen

1 H. Freudenthal, Die Sieben Weltwunder. Volkskundliche Streiflichter auf das
Zeitgeschehen XI, Nr. 49 in Beiträge zur deutschen Volks- und Altertumskunde 13,
1969, 69.

2 Brockhaus' Konversations-Lexikon 14. Aufl., 14. Band, Leipzig 1895, 945.

3 ebd. 946.

4 F. C. Endres, Die Zahl in Mystik und Glauben der Naturvölker. Zürich und
Leipzig 1935.

44
 
Annotationen