W. 37.
Kunst-Blatt.
Dienstag, 10. M a i 1831.
Neue Bildwerke in Italien.
Eanova'i Denkmal In der Kirche ai Frari zu Venedig.
selbst hatte dieses Denkmal für Tizian ent-
worfen, die Schüler brauchten nach dem Geiste des Kunst-
werks und der Schule wenig zu ändern uw dem Meister
selbst in diesem Werk ein Ehrcndenkmal zu setzen. Die
ganze Einrichtung desselben ähnelt genau dem Werke
Canovas in der Augustinerkirche zu Wien; wie dort
sind es allegorische Figuren, welche in paffender Bezie-
hung auf das Leben des Verstorbenen stehen sollen;
wie dort schreiten sie aus Stufen zu der pyramiden-
förmigen Erhöhung hinan. Das Ganze ist aber hier in
kolossalerem Maaßstab gehalten, die Hauptfiguren find
über Lebensgröße. — Voran geht die Skulptur« im Be-
griff in die geöffnete Thüre hineinzuschreircn. Sic tragt
gesrnkten Hauptes die Todesurne, ist mit einem langen
Unter - und noch längerem Obergewande bekleidet, das
den Kopf bedeckt, in großen Massen herabfallt und uach-
schleppt. Die Figur selbst ist nicht ohne Adel, das Ge-
sicht aber unbedeutend und leer und, wie man es auch
bei Canooa gewohnt ist, durch nichts als Skulptur zu
erkennen. Deshalb muß der Genius, welcher ihr auf
den Stufe» nachzufolgen im Begriff ist, ausser der Le-
benSfackel noch den Meißel tragen, um den immerwah-
renden Commentar zu seiner Vorgängerin zu bilden,
welche auch sonst nicht leicht jemand in ihrer Eigenthüm-
lichkeit erkennen würde. Auf diese ist sein Blick roll
Trauer und Sehnsucht gerichtet, so daß hier wirklich
sein Körper passen kann, der- nach gewöhnlicher Weise
mit weichen, verfließenden Umrissen gearbeitet ist.
Von der rechten Schulter fällt das Gewand herab; die
linke Seite bleibt auf diese Weise frei, und dürfte ei»
zu langes Bein zeigen. Ihm folgen die Architektur auf
der zweiten, die Malerei auf der hritten Stufe, durch
einen großen Blumenkranz, welchen sie in den Händen
wage», schwesterlich verbunden. Die erste legt die Hände
unter der Brust zusammen und blickt süßlich nieder;
auf ihre Schulter legt die zweite ihre Rechte, das Haupt
leist an ihren Arm neigend. Sie blickt die Schwester
wehmüthig an, der sie schon deswegen ausserordentlich
ähnelt, weil sie, wie jene, ohne allen individuellen Aus-
druck ist. Die Gruppirung ist hier einfach und leicht,
die Gewandung mit Geschick behandelt; an der Malerei
ist der linke Arm weniger gelungen, wie denn auch au
der Architektur die Hände zu voll sind; das Haar ist so,
und um nichts einfacher als man es bei Canova zu sehen
gewohnt ist. Hinter ihnen stehen nun auf der untersten
Stufe ihre erklärenden Genien, mit den bezeichnenden
Werkzeugen und den brennenden Fackeln. Sie blicken
beide nieder, der eine etwas weniger, der andere mehr;
der Genius der Malerei ruht mit der Stochten im Arm
des Andern. Es wird durch dieses zu ängstliche An-
schließen au die Stellung der zwei größer» Figuren, wel-
ches zugleich große Arwuth der Erfindung verräch, auch
der an sich guten Composition der zwei Künste ihr eigen-
thümlicher Werth geschmälert. Sonst ist der zuleztge-
nannte Genius bloß Modell, sein Körper aber weicher
und voller behandelt, als der zu flache seines Gefährten;
das Gewand beider fallt wieder von der rechten Schulter
herab.
Auf der entgegengesezten rechten Seite liegt der
Thür zunächst ein Löwe, unter seinen Tatzen das Buch
der Geschichte haltend, über welches er zu wachen scheint.
Man kann nicht gerade sagen, daß die so hochstehenden
Flügel ihn auf irgend eine Weise bebe». Unter ihm sizt
schlafend die Adria, durch einen schönen Jüngling mit
umgestürzter Fackel, Mohnkranz in den Haaren, und
zwei Flügeln, auf unmöglich kenntliche Weise dargestellt.
Sein Gewand breitet sich unter ihm aus, so daß er
nackt da sizt; das linke Bein hat ganz nachgelassen, und
liegt ausgestreckt da, das rechte ist im Knie gestüzt.
So gut die Figur im Ganzen gearbeitet ist, so wenig
dürfte doch ein Schlafender in dieser sitzenden Stellung
verharren können. Neben ihm liegt ein Lorbeerkranz,
und Werkzeuge in demselben.
Ueber der Eingangöthür halten zwei schwebende Ge-
nien das Bildniß Canovas, in Relief gearbeitet. Eine reckt
pompöse Inschrift läßt der Jtaliäner sich nicht leicht neh-
men, er will nicht allein seinen Gegenstand, er will
Kunst-Blatt.
Dienstag, 10. M a i 1831.
Neue Bildwerke in Italien.
Eanova'i Denkmal In der Kirche ai Frari zu Venedig.
selbst hatte dieses Denkmal für Tizian ent-
worfen, die Schüler brauchten nach dem Geiste des Kunst-
werks und der Schule wenig zu ändern uw dem Meister
selbst in diesem Werk ein Ehrcndenkmal zu setzen. Die
ganze Einrichtung desselben ähnelt genau dem Werke
Canovas in der Augustinerkirche zu Wien; wie dort
sind es allegorische Figuren, welche in paffender Bezie-
hung auf das Leben des Verstorbenen stehen sollen;
wie dort schreiten sie aus Stufen zu der pyramiden-
förmigen Erhöhung hinan. Das Ganze ist aber hier in
kolossalerem Maaßstab gehalten, die Hauptfiguren find
über Lebensgröße. — Voran geht die Skulptur« im Be-
griff in die geöffnete Thüre hineinzuschreircn. Sic tragt
gesrnkten Hauptes die Todesurne, ist mit einem langen
Unter - und noch längerem Obergewande bekleidet, das
den Kopf bedeckt, in großen Massen herabfallt und uach-
schleppt. Die Figur selbst ist nicht ohne Adel, das Ge-
sicht aber unbedeutend und leer und, wie man es auch
bei Canooa gewohnt ist, durch nichts als Skulptur zu
erkennen. Deshalb muß der Genius, welcher ihr auf
den Stufe» nachzufolgen im Begriff ist, ausser der Le-
benSfackel noch den Meißel tragen, um den immerwah-
renden Commentar zu seiner Vorgängerin zu bilden,
welche auch sonst nicht leicht jemand in ihrer Eigenthüm-
lichkeit erkennen würde. Auf diese ist sein Blick roll
Trauer und Sehnsucht gerichtet, so daß hier wirklich
sein Körper passen kann, der- nach gewöhnlicher Weise
mit weichen, verfließenden Umrissen gearbeitet ist.
Von der rechten Schulter fällt das Gewand herab; die
linke Seite bleibt auf diese Weise frei, und dürfte ei»
zu langes Bein zeigen. Ihm folgen die Architektur auf
der zweiten, die Malerei auf der hritten Stufe, durch
einen großen Blumenkranz, welchen sie in den Händen
wage», schwesterlich verbunden. Die erste legt die Hände
unter der Brust zusammen und blickt süßlich nieder;
auf ihre Schulter legt die zweite ihre Rechte, das Haupt
leist an ihren Arm neigend. Sie blickt die Schwester
wehmüthig an, der sie schon deswegen ausserordentlich
ähnelt, weil sie, wie jene, ohne allen individuellen Aus-
druck ist. Die Gruppirung ist hier einfach und leicht,
die Gewandung mit Geschick behandelt; an der Malerei
ist der linke Arm weniger gelungen, wie denn auch au
der Architektur die Hände zu voll sind; das Haar ist so,
und um nichts einfacher als man es bei Canova zu sehen
gewohnt ist. Hinter ihnen stehen nun auf der untersten
Stufe ihre erklärenden Genien, mit den bezeichnenden
Werkzeugen und den brennenden Fackeln. Sie blicken
beide nieder, der eine etwas weniger, der andere mehr;
der Genius der Malerei ruht mit der Stochten im Arm
des Andern. Es wird durch dieses zu ängstliche An-
schließen au die Stellung der zwei größer» Figuren, wel-
ches zugleich große Arwuth der Erfindung verräch, auch
der an sich guten Composition der zwei Künste ihr eigen-
thümlicher Werth geschmälert. Sonst ist der zuleztge-
nannte Genius bloß Modell, sein Körper aber weicher
und voller behandelt, als der zu flache seines Gefährten;
das Gewand beider fallt wieder von der rechten Schulter
herab.
Auf der entgegengesezten rechten Seite liegt der
Thür zunächst ein Löwe, unter seinen Tatzen das Buch
der Geschichte haltend, über welches er zu wachen scheint.
Man kann nicht gerade sagen, daß die so hochstehenden
Flügel ihn auf irgend eine Weise bebe». Unter ihm sizt
schlafend die Adria, durch einen schönen Jüngling mit
umgestürzter Fackel, Mohnkranz in den Haaren, und
zwei Flügeln, auf unmöglich kenntliche Weise dargestellt.
Sein Gewand breitet sich unter ihm aus, so daß er
nackt da sizt; das linke Bein hat ganz nachgelassen, und
liegt ausgestreckt da, das rechte ist im Knie gestüzt.
So gut die Figur im Ganzen gearbeitet ist, so wenig
dürfte doch ein Schlafender in dieser sitzenden Stellung
verharren können. Neben ihm liegt ein Lorbeerkranz,
und Werkzeuge in demselben.
Ueber der Eingangöthür halten zwei schwebende Ge-
nien das Bildniß Canovas, in Relief gearbeitet. Eine reckt
pompöse Inschrift läßt der Jtaliäner sich nicht leicht neh-
men, er will nicht allein seinen Gegenstand, er will