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a t t.

Dienstag, 8

Februar l 8 5 l


Verlinischc Briefe über Kunst und Kunstsachcn.

Neunter Brief.

Die Gemälde-Sammlung dev K. MuseumS.

Von den ernsten Bildern der alten plastischen Kunst
führe ich Sie in die von Farben und Gestalten schim-
mernden Raume der neuern Malerei.

Nachdem die früheren Beherrscher von Brandenburg
und Preußen, vorzüglich der große Kurfürst, König Fried-
rich der Erste und Friedrich der Große ihre Schlösser
zu Berlin, Potsdam, Charlottenburg und Sanssouci mit
Gemälden geschmückt und dadurch zu einer künftigen Gal-
lerte den Grund gelegt hatten, wurde von des jetzo re-
gierenden Königs Majestät durch die Ankäufe der Galle-
rien Giustiniani zu Paris im Jahr 1815 und der großen
Sammlung des englischen Kaufmanns Eduard So Uv
im Jahr 1821 die Herstellung einer solchen nach einem
bis jetzo, obwohl von Andern gefaßten, aber noch nicht
ausgeführten Plane möglich gemacht. Die Solly'schen
Bilder liefern eine reiche Fülle der ältesten italienischen
und deutschen Schulen bis zur Vollendung ihrer Kunst
und wurden durch eine von Herrn von Rumohr veran-
staltete kleinere aber sehr wertbvolle Sammlung im Jahr
1829 sehr zweckmäßig ergänzt. Aus dem Giustinianischen
reichen Vorrathe konnten besonders die Epochen der Car-
racci und des Michael Angelo Caravaggio, aus dem frühe-
ren Vorrathe der Schlösser aber die niederländischen
Schulen genommen, und so aus diesen dreien ein Cpclus
beinahe aller Malerschulen, von ihrem Ursprung bis zu
ihrer Ausartung, zugleich kunsthistorisch und artistisch be-
lehrend. hergestelll werden. Dadurch bestimmt sich der
eigenthümliche Charakter dieser ausnehmend reichen und
vorzüglichen Gemäldegallerie.

Ueberall geht sie darauf aus, die Anfänge der Schule,
ihre ersten Fortschritte, die Art ihrer Entfaltung, ihr
Ziel, ihre Eigenschaften, die guten wie die schlechten, die
Auffassung und Behandlung der Stoffe, mit einem Worte,
ihren Geist und. ihre Geschichte durch sichere, lautere und
wohlgeordnete Urkunden vor Augen und zur klaren Ein-
sicht zu dringen.

Von überwiegendem Reichthum sind die Jncunabeln
der italienischen und deutschen Schule, und die Werke
der an die Gründer sich anschließenden ältern Meister
einer jeden bat man nirgends in einer solchen Folge
und Fülle, so bedeutsam und werthvoll beisammen ge-
sehen. Italien hat in seinen Städten bei Aufhebung
seiner Klöster und vielen Kirchen die bis dahin in
ihnen verborgenen Schätze seiner älteren Malerschu-
len in Gallerien vereinigt, und Venedig wie Mai-
land, Florenz wie Bologna und Siena wetteifern jetzo
mit einander an Sammlungen, welche den Ursprung, den
Wachsthum und die Arten ihrer Malerschulen in großer
Vollständigkeit darlegen; aber sie sind größtentheils auf
die einheimiichen Malerschulen ihrer Stadt beschränkt,
während hier die Sammlung einen allgemeinen Charak-
ter trägt, und, was die oben genannten an Vollständig-
keit in einzelnen Schulen voraushaben, durch die das
Ganze aller Schulen umfassende Folge und Uebersicht mehr
denn aufwiegt.

So ist es auch mit den deutschen und niederländi-
schen Schulen von dem ehrwürdigen Van Epk an bis auf
unfern Albrecht Dürer herauf, und dann wieder, welche
Fülle der durch die Carracci wieder belebten Malerei,
und der theils feinen, theils lebensvollen und unerschöpf-
lichen niederländischen Meister! Zurücktretend gegen die-
sen Reichthum erscheint allerdings die Sammlung in
dem, was man die Krone der Malerei nennen kann,
in den Werken von Raphael, Correggio, Tizian,
nicht als ob hier Lücken wären , im Gegentheil sind ein-
zelne Werke von großer Schönheit vorhanden, von Ra-
phael namentlich eine unschätzbare Folge von Bildern sei-
ner srühereu Zeit bis auf das Bild aus dem Pallaste
Colonmvg aber sie stehen zwischen den andern gleichsam
verloren und sind nur als Proben des Höchsten und Be-
sten, was hierin geleistet ward, zu betrachten. Gerade
dadurch, daß in diesem höchsten und äußersten Gebiete
die Gallerie des benachbarten Dresdens jene glückliche
Folge unvergänglicher Meisterwerke besitzt, hebt sie sich
nicht nur über die Berliner, sondern überhaupt über alle
Gemäldesammlungen aller Länder siegreich empor.
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