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Formen und eine gewisse Mäßigkeit des Details,
welche die Erhabenheit des Stpls, jedoch nicht auf Ko-
sten der Natur bewirkt, endlich die Freiheit der Behänd-
ung, verbunden mit einer Wahrheit der Nachahmung,
wolche, üblen Zustand, in dem uns diese
^reliefs entgegentretcn, beinahe eine Täuschung der
^^klichkeik hervorbringt. So scheinen die zerstreuten
Wieder, Hände, Arme und Schenkel, welche vom
Körper getrennt sind, fast wie über die Natur abgcformt, so
die zerbrochenen Marmorstücke einem Stück des mensch-
"kl>en Körpers gleichen, welches noch zuckt. Diese Vortrefsiich-
^oit ist besonders sichtbar an derGrnppedesHercules
und des Stiers, in der Figur des liegenden Lö-
wen, in dem F ragm en t derGruppe des Gcryon
und vor allen in der Minerva, einer Figur von aus-
öezeichncter Schönheit. Das Graziöse und Einfache des
^tyls, verbunden mit einer auf den höchsten Grad ge-
steigerten Naturwahrheit, hat hier eine der originellsten
Gestalten des reinen griechischen Stpls hervorgebracht,
die auf uns gekommen sind.
Der Charakter in den Köpfen des Hercules und
der Minerva, der einzigen unzerstört aufgcfundenen
Figuren, ist nicht weniger neu und merkwürdig. Der-
lenige der fünf Herculesköpfe, welcher am wenigsten ge-
litten hat, zeigt keinen Zug von der Bildung, welche
man den Darstellungen des Hercules ausschließlich an-
gehorig glaubt. ES ist ein durchaus neuer Typus, wel-
cher sich vorzüglich durch Wahrheit auszeichnet und uns
ohne Zweifel einen der schönsten griechischen, mehr der
ausgewählten Natur als einem abstrakten Ideal entnom-
menen, Köpfe zeigt. Dasselbe gilt in noch höherem Grade
ovu dem Kopf der Minerva: die Entdeckung dieses
Kopfes allein, der von so reinem Charakter und so
naivem Ausdruck ist, daß man in ihm die Züge einer
schönen Eleischen Jungfrau wieder zu erkennen meint, ist
ünreichend um jene willkührlichen Theorien zu vcrnich-
en' "ach denen die griechische Kunst für jeden Götter-
und Heroencharakter nur Eine Darstellungsweise und
nur Eine Gesichtsbildung kannte, und nach denen na-
mentlich die der Minerva beständig eine gewisse Strenge
or Formen und eine gewisse Härte des Ausdrucks affek-
"t hätte. Hier ist alles naiv, einfach, liebenswürdig
nnd wahr. Die Göttin erscheint jezt zwar mit unbe-
o-tem Haupte, aber obgleich diese Ausnahme nicht ganz
Nie Beispiel ist, so ist es doch wahrscheinlicher, daß
Jemals ihr Kopf mit einem von Bronze angebrachten
se^'wbedeckt gewesen, so wie sie einen Oelzweig aus dem-
der"' ^otall in der Hand hielt, nach jenem System
land s^^omen Sculptur, welches im altem Griechen-
Hand -^'Eliche Anwendungen fand und von dessen Vor-
ahnd t n,ttu ovr wenigen Jahren noch kaum etwas
e o« Aber eine Eigenheit, welche durchaus neu
scheint, ist die Werfe, wie an den Köpfen des Hercules
und derMinerva die Haare durch Massen ohne
irgend eine Art von Details angedeutet find,
eine Weise, die gleichförmig bis zum Bart der Hercu-
lesköpfe durchgeführt ist. Es ist sehr schwer, jsagt Hr.
R. R., Gründe für diese gänzliche Abwesenheit des De-
tails in Bart und Haaren an Figuren zu finden, die
übrigens mit aller Sorgfalt und mit aller für eine solche
Arbeit erforderlichen Geschicklichkeit ansgeführt sind, wenn
man nicht in Anschlag bringt, daß diese Sculpturen un-
ter dem Portikus ausgestellt waren und zwar in einer
Höhe, in die das freie Tageslicht nicht unmittelbar hin-
gelangte, wobei es also in der Absicht des Künstlers liegen
konnte, sich ans die bloße Andeutung kleinerer Tbeilezu be-
schränken. Von einer sorgfältigem Ausführung gerade dieser
Theile konnten den Künstler dazwischen getretene Umstände
wohl nicht abgehakten haben, da diese Reliefs nicht wie der
Tempel von Kalktuff, sondern aus pentelischem
Marmor und also wohl in einem Attelier gearbeitet
worden sind. Spuren von Farben finden sich, nach Hrn.
R. R., außer wenigen Andeutungen mit rotherFarbe
am Munde der Minerva, und den Resten eines enkanstischen
Ueberzugs, welcher den Marmor bedeckte, nicht, und er glaubte
daherum so weniger annehmen zu dürfen, daß jene Theile mit
Farben ausgeführt waren, als die Architektur des Tempels
nichts von einer solchen Anwendung der Malerei zeigt, ob-
gleich der poröse Stein, aus dem der Tempel erbaut war, sich
gnt zur Anbringung von buntem Stncco eignete, welche
Verzierung auch zu der Statue des Phidias im Innern
des Tempels gepaßt haben würde.
Diese Behandlungsweise steht ganz im Gegensätze
mit der, welche in der berühmten Aeginetischen Schule
befolgt wurde, an deren Bildwerken Bart und Haare
mit einem so vielfältigen Detail und mit der kleinlich-
sten Sorgfalt ausgeführt sind. Derselbe Contrast findet
sich, obgleich in geringerem Grade, in der Behandlung
des Nackten und der Draperie. Die Art der Ausfüh-
rung, welche die Sculpturen von Olympia zeigen, em-
pfiehlt sich im Allgemeinen durch einfachen und dennoch
reichen Geschmack in der Bekleidung, und im Nackten
durch eine große Mäßigkeit in der Ausführung des Ein-
zelnen. Ganz entgegeugesezte Prinzipien zeigen gerade,
die Aeginetischen Sculpturen, welche sich Unter allen de-
nen der verschiedenen gricchischcn Künstlerschulen durch
enge und regelmäßige Falten, so wie im Nackten durch
Ueberfluß und Feinheit des Details auszeichnen. In
Hinsicht auf neue und authentische Elemente für die
Kunstgeschichte sind die Basreliefs von Olympia vielleicht
von einer noch größeren Wichtigkeit als durch ihr wirk-
liches Verdienst. Obgleich die Ausführung dieser Bas-
reliefs nach dem bekannten Alter des Denkmals, an dem
sie angebracht waren, eine gute Epoche der Kunst bezeugt.
Formen und eine gewisse Mäßigkeit des Details,
welche die Erhabenheit des Stpls, jedoch nicht auf Ko-
sten der Natur bewirkt, endlich die Freiheit der Behänd-
ung, verbunden mit einer Wahrheit der Nachahmung,
wolche, üblen Zustand, in dem uns diese
^reliefs entgegentretcn, beinahe eine Täuschung der
^^klichkeik hervorbringt. So scheinen die zerstreuten
Wieder, Hände, Arme und Schenkel, welche vom
Körper getrennt sind, fast wie über die Natur abgcformt, so
die zerbrochenen Marmorstücke einem Stück des mensch-
"kl>en Körpers gleichen, welches noch zuckt. Diese Vortrefsiich-
^oit ist besonders sichtbar an derGrnppedesHercules
und des Stiers, in der Figur des liegenden Lö-
wen, in dem F ragm en t derGruppe des Gcryon
und vor allen in der Minerva, einer Figur von aus-
öezeichncter Schönheit. Das Graziöse und Einfache des
^tyls, verbunden mit einer auf den höchsten Grad ge-
steigerten Naturwahrheit, hat hier eine der originellsten
Gestalten des reinen griechischen Stpls hervorgebracht,
die auf uns gekommen sind.
Der Charakter in den Köpfen des Hercules und
der Minerva, der einzigen unzerstört aufgcfundenen
Figuren, ist nicht weniger neu und merkwürdig. Der-
lenige der fünf Herculesköpfe, welcher am wenigsten ge-
litten hat, zeigt keinen Zug von der Bildung, welche
man den Darstellungen des Hercules ausschließlich an-
gehorig glaubt. ES ist ein durchaus neuer Typus, wel-
cher sich vorzüglich durch Wahrheit auszeichnet und uns
ohne Zweifel einen der schönsten griechischen, mehr der
ausgewählten Natur als einem abstrakten Ideal entnom-
menen, Köpfe zeigt. Dasselbe gilt in noch höherem Grade
ovu dem Kopf der Minerva: die Entdeckung dieses
Kopfes allein, der von so reinem Charakter und so
naivem Ausdruck ist, daß man in ihm die Züge einer
schönen Eleischen Jungfrau wieder zu erkennen meint, ist
ünreichend um jene willkührlichen Theorien zu vcrnich-
en' "ach denen die griechische Kunst für jeden Götter-
und Heroencharakter nur Eine Darstellungsweise und
nur Eine Gesichtsbildung kannte, und nach denen na-
mentlich die der Minerva beständig eine gewisse Strenge
or Formen und eine gewisse Härte des Ausdrucks affek-
"t hätte. Hier ist alles naiv, einfach, liebenswürdig
nnd wahr. Die Göttin erscheint jezt zwar mit unbe-
o-tem Haupte, aber obgleich diese Ausnahme nicht ganz
Nie Beispiel ist, so ist es doch wahrscheinlicher, daß
Jemals ihr Kopf mit einem von Bronze angebrachten
se^'wbedeckt gewesen, so wie sie einen Oelzweig aus dem-
der"' ^otall in der Hand hielt, nach jenem System
land s^^omen Sculptur, welches im altem Griechen-
Hand -^'Eliche Anwendungen fand und von dessen Vor-
ahnd t n,ttu ovr wenigen Jahren noch kaum etwas
e o« Aber eine Eigenheit, welche durchaus neu
scheint, ist die Werfe, wie an den Köpfen des Hercules
und derMinerva die Haare durch Massen ohne
irgend eine Art von Details angedeutet find,
eine Weise, die gleichförmig bis zum Bart der Hercu-
lesköpfe durchgeführt ist. Es ist sehr schwer, jsagt Hr.
R. R., Gründe für diese gänzliche Abwesenheit des De-
tails in Bart und Haaren an Figuren zu finden, die
übrigens mit aller Sorgfalt und mit aller für eine solche
Arbeit erforderlichen Geschicklichkeit ansgeführt sind, wenn
man nicht in Anschlag bringt, daß diese Sculpturen un-
ter dem Portikus ausgestellt waren und zwar in einer
Höhe, in die das freie Tageslicht nicht unmittelbar hin-
gelangte, wobei es also in der Absicht des Künstlers liegen
konnte, sich ans die bloße Andeutung kleinerer Tbeilezu be-
schränken. Von einer sorgfältigem Ausführung gerade dieser
Theile konnten den Künstler dazwischen getretene Umstände
wohl nicht abgehakten haben, da diese Reliefs nicht wie der
Tempel von Kalktuff, sondern aus pentelischem
Marmor und also wohl in einem Attelier gearbeitet
worden sind. Spuren von Farben finden sich, nach Hrn.
R. R., außer wenigen Andeutungen mit rotherFarbe
am Munde der Minerva, und den Resten eines enkanstischen
Ueberzugs, welcher den Marmor bedeckte, nicht, und er glaubte
daherum so weniger annehmen zu dürfen, daß jene Theile mit
Farben ausgeführt waren, als die Architektur des Tempels
nichts von einer solchen Anwendung der Malerei zeigt, ob-
gleich der poröse Stein, aus dem der Tempel erbaut war, sich
gnt zur Anbringung von buntem Stncco eignete, welche
Verzierung auch zu der Statue des Phidias im Innern
des Tempels gepaßt haben würde.
Diese Behandlungsweise steht ganz im Gegensätze
mit der, welche in der berühmten Aeginetischen Schule
befolgt wurde, an deren Bildwerken Bart und Haare
mit einem so vielfältigen Detail und mit der kleinlich-
sten Sorgfalt ausgeführt sind. Derselbe Contrast findet
sich, obgleich in geringerem Grade, in der Behandlung
des Nackten und der Draperie. Die Art der Ausfüh-
rung, welche die Sculpturen von Olympia zeigen, em-
pfiehlt sich im Allgemeinen durch einfachen und dennoch
reichen Geschmack in der Bekleidung, und im Nackten
durch eine große Mäßigkeit in der Ausführung des Ein-
zelnen. Ganz entgegeugesezte Prinzipien zeigen gerade,
die Aeginetischen Sculpturen, welche sich Unter allen de-
nen der verschiedenen gricchischcn Künstlerschulen durch
enge und regelmäßige Falten, so wie im Nackten durch
Ueberfluß und Feinheit des Details auszeichnen. In
Hinsicht auf neue und authentische Elemente für die
Kunstgeschichte sind die Basreliefs von Olympia vielleicht
von einer noch größeren Wichtigkeit als durch ihr wirk-
liches Verdienst. Obgleich die Ausführung dieser Bas-
reliefs nach dem bekannten Alter des Denkmals, an dem
sie angebracht waren, eine gute Epoche der Kunst bezeugt.