M 30.
«NS
l rt t t.
Dorinerstag, den 14. April 1836.
Kunstgeschichte.
Hanns Holbein der Jüngere in seinem Vcrhältniß
zuin deutschen Formschnittwesen, von C. Fr. v.
Rumohr. Leipzig, bei R. Weigel. 1856. 8.
Der Verfasser kommt in diesem Schriftchen auf einen
Gegenstand zurück, über den wir ihm in einem früheren
Jahrgang dieser Blätter (1823) bereits schätzbare Nach-
weisungen und Bemerkungen verdanken, nämlich Holbeins
Arbeiten für den Holzdruck, insbesondere den Todtentanz.
Es ist erfreulich, wenn eine Kennerschaft, die unter den
erhabensten Kunstwerken dies- und jenseits der Alpen
ausgewachsen, die lange so verächtlich behandelten alt-
deutschen Holzschnitte ihrer Aufmerksamkeit auch nicht
unwerth hält und echten Kunstwerth im Großen wie im
Kleinen, im Staffeleibild, wie im Abdruck zu schätzen
weiß. Mit Recht macht sie ex ungue leonem zu ihrem
Wahlspruch, und verfolgt die Spuren des Geistes und
der von ihm beseelten Hand, die bewunderte Gemälde
schuf, eben so in den Entwürfen und Zeichnungen auf
Holz, Kupfer oder Papier, in denen sich der Meister oft
ungezwungener, selbständiger und genialer, als in jenen
bewegt hat. Mag kunstrichterlicher Dünkel, der sich bloß
an die Mähne hält, alles Uebrige als Mikrologie vor-
nehm bei Seite setzen, mag er bei so manchen Wahr-
nehmungen unsers Verfassers in dem vorliegenden Schrift-
chen die Anekdote von jener Weinzunge wieder auffrischen,
die nicht nur den Jahrgang, sondern auch den Riemen
mit dem Schlüsselchen daran, der in das Weinfaß gefal-
len war, herausschmeckte! Genug, daß, wer die Unent-
behrlichkeit der Kupferstich- und Holzschnittkunde zur
Erwerbung eines sichern Blicks und Takts, sowie wahrer
und umfassender Kunstbildung gehörig zu würdigen weiß,
nicht nur dem Verfasser für die Anwendung seiner feinen
Beobachtungsgabe auf die hier behandelten Gegenstände,
für seine belehrenden Winke und neuen Anregungen,
sondern auch dem verständigen und sinnigen Herausgeber,
Hrn. Rudolph Weigel, für seine Zugaben danken wird,
selbst wenn er sich mit Ersterem in den Hauptsachen nicht
sollte einverstanden erklären können.
Den Vers, hat nämlich seine gerechte Bewunderung
der außerordentlichen Meisterschaft, welche sich in Er-
findung, Zeichnung und Ausführung der kleinen, in Holz
geschnittenen, zu Lyon in mehreren Ausgaben von 1538
bis 1562 herausgekommenen Todtentanz - Vorstellungen
offenbart, zu der Meinung geführt, daß sie kein Anderer
als Holbein selbst könne geschnitten haben, und er sucht
hier nicht nur dies, und daß Holbein auch andere Holz-
schnitte selbst verfertigt habe, ausführlicher darzuthun,
sondern den Satz durchzufechten, daß in alter Zeit über-
haupt die Maler und andere Künstler von eigenthümli-
chem Geist gelegentlich sowohl eigene, als fremde Erfin-
dungen mit Kunst und Sorgfalt in Holz geschnitten ha-
ben. Mag Bartsch, welcher, wie viele Andere nach ihm,
das Gegentheil behauptet hat, dabei von einer mangel-
haften Anschauung der Gesammtverhältnisse jenes Zeit-
alters ausgegangen seyn, so ist doch so viel gewiß, daß
sich kein schriftliches gleichzeitiges Zeugniß von Gewicht
gegen seine Meinung anführen läßt. Daß ein Hanns
Schäufelein unter den Formschneidern genannt wird,
welche an den Platten zu Burgmairs Triumphzug Kaiser
Maximilians gearbeitet haben, läßt den Zweifel übrig,
ob damit dieselbe Person, wie der Maler, gemeint ist;
noch weniger kann aber der in den Beilagen S. 79 ab-
gedruckte Brief des Melch. Lorch auch nur als indirekter
Beweis gelten, indem darin von dem Formschnitt gar
nickt, sondern von seiner Kunst im Allgemeinen, das
heißt also in Bezug auf Architektur, Malerei, Zeichnen
und Stechen und den damit zusammenhängenden theore-
tischen Studien, so wie von seinem Unvermögen, die
Kunstbücher, die er verfaßt, und „die Dinge, so al-
bereit an Kupfer Platten fertig seyn. In
Druck!) zu bringen" die Diebe ist. Ich will damit
nicht bestreiten, obwohl er es nicht sagt, daß unter diesen
«NS
l rt t t.
Dorinerstag, den 14. April 1836.
Kunstgeschichte.
Hanns Holbein der Jüngere in seinem Vcrhältniß
zuin deutschen Formschnittwesen, von C. Fr. v.
Rumohr. Leipzig, bei R. Weigel. 1856. 8.
Der Verfasser kommt in diesem Schriftchen auf einen
Gegenstand zurück, über den wir ihm in einem früheren
Jahrgang dieser Blätter (1823) bereits schätzbare Nach-
weisungen und Bemerkungen verdanken, nämlich Holbeins
Arbeiten für den Holzdruck, insbesondere den Todtentanz.
Es ist erfreulich, wenn eine Kennerschaft, die unter den
erhabensten Kunstwerken dies- und jenseits der Alpen
ausgewachsen, die lange so verächtlich behandelten alt-
deutschen Holzschnitte ihrer Aufmerksamkeit auch nicht
unwerth hält und echten Kunstwerth im Großen wie im
Kleinen, im Staffeleibild, wie im Abdruck zu schätzen
weiß. Mit Recht macht sie ex ungue leonem zu ihrem
Wahlspruch, und verfolgt die Spuren des Geistes und
der von ihm beseelten Hand, die bewunderte Gemälde
schuf, eben so in den Entwürfen und Zeichnungen auf
Holz, Kupfer oder Papier, in denen sich der Meister oft
ungezwungener, selbständiger und genialer, als in jenen
bewegt hat. Mag kunstrichterlicher Dünkel, der sich bloß
an die Mähne hält, alles Uebrige als Mikrologie vor-
nehm bei Seite setzen, mag er bei so manchen Wahr-
nehmungen unsers Verfassers in dem vorliegenden Schrift-
chen die Anekdote von jener Weinzunge wieder auffrischen,
die nicht nur den Jahrgang, sondern auch den Riemen
mit dem Schlüsselchen daran, der in das Weinfaß gefal-
len war, herausschmeckte! Genug, daß, wer die Unent-
behrlichkeit der Kupferstich- und Holzschnittkunde zur
Erwerbung eines sichern Blicks und Takts, sowie wahrer
und umfassender Kunstbildung gehörig zu würdigen weiß,
nicht nur dem Verfasser für die Anwendung seiner feinen
Beobachtungsgabe auf die hier behandelten Gegenstände,
für seine belehrenden Winke und neuen Anregungen,
sondern auch dem verständigen und sinnigen Herausgeber,
Hrn. Rudolph Weigel, für seine Zugaben danken wird,
selbst wenn er sich mit Ersterem in den Hauptsachen nicht
sollte einverstanden erklären können.
Den Vers, hat nämlich seine gerechte Bewunderung
der außerordentlichen Meisterschaft, welche sich in Er-
findung, Zeichnung und Ausführung der kleinen, in Holz
geschnittenen, zu Lyon in mehreren Ausgaben von 1538
bis 1562 herausgekommenen Todtentanz - Vorstellungen
offenbart, zu der Meinung geführt, daß sie kein Anderer
als Holbein selbst könne geschnitten haben, und er sucht
hier nicht nur dies, und daß Holbein auch andere Holz-
schnitte selbst verfertigt habe, ausführlicher darzuthun,
sondern den Satz durchzufechten, daß in alter Zeit über-
haupt die Maler und andere Künstler von eigenthümli-
chem Geist gelegentlich sowohl eigene, als fremde Erfin-
dungen mit Kunst und Sorgfalt in Holz geschnitten ha-
ben. Mag Bartsch, welcher, wie viele Andere nach ihm,
das Gegentheil behauptet hat, dabei von einer mangel-
haften Anschauung der Gesammtverhältnisse jenes Zeit-
alters ausgegangen seyn, so ist doch so viel gewiß, daß
sich kein schriftliches gleichzeitiges Zeugniß von Gewicht
gegen seine Meinung anführen läßt. Daß ein Hanns
Schäufelein unter den Formschneidern genannt wird,
welche an den Platten zu Burgmairs Triumphzug Kaiser
Maximilians gearbeitet haben, läßt den Zweifel übrig,
ob damit dieselbe Person, wie der Maler, gemeint ist;
noch weniger kann aber der in den Beilagen S. 79 ab-
gedruckte Brief des Melch. Lorch auch nur als indirekter
Beweis gelten, indem darin von dem Formschnitt gar
nickt, sondern von seiner Kunst im Allgemeinen, das
heißt also in Bezug auf Architektur, Malerei, Zeichnen
und Stechen und den damit zusammenhängenden theore-
tischen Studien, so wie von seinem Unvermögen, die
Kunstbücher, die er verfaßt, und „die Dinge, so al-
bereit an Kupfer Platten fertig seyn. In
Druck!) zu bringen" die Diebe ist. Ich will damit
nicht bestreiten, obwohl er es nicht sagt, daß unter diesen