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2M01.

Kunst-Wtatt.


wienstag, -en 20. December 1836.

Aeber den neuerbauten Tempel im englischen
Garten bei München.

(Beschluß.)

Die Wahl der jonischen Saulenordnung für diesen
runden Tempel zeigt, wie weit der Baumeister in den
wahren Geist der reinen griechischen Kunst vvrgedrungen.
So wie nämlich die Art der Säulen-Stellung bei runden
Tempeln einerseits den gleichzeitigen Anblick der man-
nichfaltigen Schönheitsformen gewährt, welche das jonische
Capitell von den verschiedenen Seiten betrachtet darbietet,
so hebt derselbe auch zugleich die bei dem viereckigen Tem-
pel mit jonischer Säulenordnung stets eintretende Noth-
wendigkeit der Umgestaltung des Eckcapitells auf, welche
sehr schwierig ist und selbst bei den griechischen Gebäuden
keine ganz vollkommen schön zu nennende Form hervor-
brachte. Diese eigenthümliche Wirkung wird außerdem
noch durch die zarten, lieblichen und anmuthigen Formen
der ganzen jonischen Säulenordnung erhöht.

Aber auch die. Art der Farbenanwendung an diesem
Tempel beweist den tief denkenden Architekten und dessen
feinen Farbensinn. Die alten Tempel der Griechen hat-
ten, so wie Herr v. Klenze es in mehreren seiner Werke
entwickelte und begründete, in ihren Hauptformen eine
strenge Gebundenheit, welche, aus der natürlichen Con-
structivn und den Gesetzen der Statik entwickelt, die Effect-
sncherei verschmähte. Diese einfachen statischen Formen
genügten jedoch dem phantasiereichen Griechen in der
Umgebung seiner farbenreichen Natur nicht, und deßhalb
mußte denn nothwendigerweise noch die Färbung und
Malerei hinzutreten, um ein harmonisches Ganzes her-
zustellen. Diese Theorie, welche Herr von Klenze zuerst
aufstellte, war es wohl auch, welche ihn bei den Zierden
dieses Tempels geleitet zu haben scheint. Hell und heiter
in freundlichen Farben erscheint dieses Monument mit
der dasselbe umgebenden Natur im schönsten Einklänge.
Die an demselben angewendeten Hauptfarben sind reine,

zinnoberroth, himmelblau, helleres und dunkleres Gelb,
und von den gemischten grün und violett; also so ziemlich
dieselben, wie man sie an den Tempeln der Griechen ent-
decken kann. Jedoch ist diese Malerei keine sklavische
Nachahmung der griechischen Denkmale, sondern sie zeigt
viele neue und mehr mannichfaltlgere Zusammenstellun-
gen; ja man darf füglich sagen, daß an denselben jene
griechische Malerei, ohne ihre Zartheit und Harmonie zu
verletzen, ganz im Geiste derselben weiter entwickelt
worden ist.

Das neue Postgebäude in München, nach dem Plane
desselben Meisters ausgeführt, ein würdiges vis « vis zum
neuen Königsbaue bildend, zeigt uns, wie schön sich solche
Polychromie auch an andern Gebäuden unserer Zeit an-
wenden laßt. Aber hier treten durch die Mannichfaltig-
keit und Menge der Forderungen, durch die Größe der
Massen und verschiedenartigen Abtheilungen derselben,
andere und große Schwierigkeiten ein. Denn leicht wird
iu dieser Kunst entweder mit den Farben zu weit gegan-
gen, oder zu wenig gethan, und jedenfalls ist die eigent-
liche Harmonie der Farben sehr schwer zu erreichen. Nur
ein angebornes feines Gefühl für Farben und große Er-
fahrung über deren Wirkung und Harmonie wird solche
Aufgabe so schön lösen, wie es auch an diesem Gebäude
geschehen ist.

Bei dem Tempel beginnt die Farbenanwendung ei-
gentlich erst mit dem Capitell, wenn man die auf die
Cannelirungen hindeutenden, pfeilartig abwärts gehenden
blauen Blättchen auf goldgelbem Grunde unterhalb des
Astragals nicht mit einrechnet. Der Hals des Capitells
ist, wie beim Poliastempel zu Athen mit Sculptur, so
hier mit gemalten Pfianzen-Ornamenten verziert, welche
sich harmonisch mit den übrigen Pflanzenformen des Aba-
kus, Echinus und Rundftäbchens, so wie mit den farbigen
Streifen der Volute vereinigen. Ueberhaupt hat dies
Capitell eine ganz neue und eigenthümlich schöne Farben-
'zusammenstellung, welche in mancher Hinsicht den bis jezt
gefundenen älteren vorzuziehen sevn möchte. Der mittelste
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