5H 31.
a t t.
Dienstag, den 19. April 1836.
Kunstgeschichte.
Hanns Holbcm der Jüngere in seinem Verhältnis)
zum deutschen Formschnittwesen, von C. Fr. v.
Rumohr. Leipzig, bei R. Weigel. 1836. 8.
(Fortsetzung.)
Wenn ich nun aber gezeigt zu haben glaube, daß
der Maler nicht nöthig hat, Formschneider zu seyn, und
wenn ich die Thätigkeit des Lezteru, im Gegensatz zu
der des Erster», eine negative genannt habe, so kann
ich doch unserm Vers, nicht zugebeu, daß sein Verdienst
deßhalb nicht höher, als das des Aetzwassers beim Ra-
diren anzuschlagen sep. Denn er ist keine willenlose
Kraft; damit seine Form in jedem Abdruck ein Facsimile
der Vorzeichnung wiedergebe, muß er zunächst seinen
Meister durchaus verstehen und in jedem Strich seine
Bereutung zu erkennen wissen, was er um so besser kann,
je mehr er selbst zugleich Zeichner ist. Die Natur ihres
Gewerbes brachte es aber bei den Formschneidern an und
für sich schon mit sich, daß ihnen das Selbstzeichnen nie
ganz fremd war und seyn durfte. Am häufigsten waren
sie zugleich Briefdrucker, Verfertiger und Verkäufer von
Kalendern, Spielkarten, Bilderbüchern und Bilderbögen
für das Volk, und in diesen Artikeln sahen sie sich auf
ihre eigenen Kräfte beschränkt. Sie mußten daher zu-
gleich Zeichner seyn, Anfangs freilich schlecht genug, aber
bald mit steigenden Fortschritten, je mehr der Holzschnitt
durch die engere Verbindung, in die sich die Buchdrucker
und Maler mit ihm gesezt hatten, in Aufnahme kam.
Konnten sie Leztere darin auch nicht erreichen, so wußten
sie doch nunmehr den Werth einer ihnen von diesen vor-
gerissenen Originalzeichnung zu erkennen und sahen ein,
daß es in diesem Fall ihre höchste Aufgabe sey, ihr eige-
nes Ich ganz vergessen zu machen und nur die Zeichnung,
wie sie leibt und lebt, und nichts als diese wiederzugeben.
Sie brachten aber auch die Fertigkeit der Hand und die
eiserne Geduld mit, welche nöthig ist, um mit dem
Messer jedem Zug auf das Gewissenhafteste zu folgen,
und gerade nur so viel, aber auch nur so wenig Holz
wegzunehmen, daß er eben so frei, sicher und keck ge-
führt, in Stärke und Feinheit eben so abgestuft, wie
ihn die Feder gemacht hat, im Abdruck wieder dasteht.
Freilich arbeiteten nicht alle Formschneider so, und die
handwerksmäßigeren unter ihnen verschlechterten bald aus
Unverstand, bald aus Ungeschick oder Bequemlichkeit, da-
her die oft sehr auffallende Unähnlichkeit in den Holz-
schnitten nach einem und eben demselben Meister, die
noch größer wurde, wenn die Zeichnung nicht auf dem
Holzstock vorgerissen, sondern auf Papier gegeben, oder
gar in einer andern, als der für den Holzschnitt geeig-
neten Manier gemacht war, wo sie sich der Formschneider
erst in diese umzeichuen mußte. Daß es aber an Arbeitern,
welche allen jenen Anforderungen zu genügen vermochten,
nicht fehlte, zeigen insbesondere die Werke, welche Kaiser
Maximilian, der große Patron und Gönner des Holz-
schnitts, durch Dürer, Burgmair und andere Maler
zeichnen ließ, und welche nach den gleichzeitigen, auf den
noch vorhandenen Platten befindlichen Namen und Zei-
chen nicht von ihnen, sondern von verschiedenen Form-
schneidern geschnitten sind. Gerade diese aber, wie Dü-
rer's kaiserliche Ehrenpforte, Burgmair's Triumphzug
Maximilians und öftreichische Heilige gehören zu denje-
nigen Holzschnitten, welche sowohl von Seiten der Ori-
ginalität und des Geistes der Zeichnung, als von Seiten
des Schnitts, von keinen ihrer andern übertroffen wer-
den. Bediente sich also Dürer, der geduldigste und un-
ermüdlichste aller großen Künstler, fremder Arbeiter dazu,
so laßt sich dasselbe doch gewiß noch eher von dem lebens-
lustigern und unsteter« Holbein erwarten. Allerdings
sind in jenen Werken die Dimensionen größer, als in
dem Holbeinschen Todtentanz, und deßhalb scheint unser
Vers, den früher in größerer Allgemeinheit aufgestellten
Satz weiterhin zu beschränken, indem er S. 56 sagt, daß
a t t.
Dienstag, den 19. April 1836.
Kunstgeschichte.
Hanns Holbcm der Jüngere in seinem Verhältnis)
zum deutschen Formschnittwesen, von C. Fr. v.
Rumohr. Leipzig, bei R. Weigel. 1836. 8.
(Fortsetzung.)
Wenn ich nun aber gezeigt zu haben glaube, daß
der Maler nicht nöthig hat, Formschneider zu seyn, und
wenn ich die Thätigkeit des Lezteru, im Gegensatz zu
der des Erster», eine negative genannt habe, so kann
ich doch unserm Vers, nicht zugebeu, daß sein Verdienst
deßhalb nicht höher, als das des Aetzwassers beim Ra-
diren anzuschlagen sep. Denn er ist keine willenlose
Kraft; damit seine Form in jedem Abdruck ein Facsimile
der Vorzeichnung wiedergebe, muß er zunächst seinen
Meister durchaus verstehen und in jedem Strich seine
Bereutung zu erkennen wissen, was er um so besser kann,
je mehr er selbst zugleich Zeichner ist. Die Natur ihres
Gewerbes brachte es aber bei den Formschneidern an und
für sich schon mit sich, daß ihnen das Selbstzeichnen nie
ganz fremd war und seyn durfte. Am häufigsten waren
sie zugleich Briefdrucker, Verfertiger und Verkäufer von
Kalendern, Spielkarten, Bilderbüchern und Bilderbögen
für das Volk, und in diesen Artikeln sahen sie sich auf
ihre eigenen Kräfte beschränkt. Sie mußten daher zu-
gleich Zeichner seyn, Anfangs freilich schlecht genug, aber
bald mit steigenden Fortschritten, je mehr der Holzschnitt
durch die engere Verbindung, in die sich die Buchdrucker
und Maler mit ihm gesezt hatten, in Aufnahme kam.
Konnten sie Leztere darin auch nicht erreichen, so wußten
sie doch nunmehr den Werth einer ihnen von diesen vor-
gerissenen Originalzeichnung zu erkennen und sahen ein,
daß es in diesem Fall ihre höchste Aufgabe sey, ihr eige-
nes Ich ganz vergessen zu machen und nur die Zeichnung,
wie sie leibt und lebt, und nichts als diese wiederzugeben.
Sie brachten aber auch die Fertigkeit der Hand und die
eiserne Geduld mit, welche nöthig ist, um mit dem
Messer jedem Zug auf das Gewissenhafteste zu folgen,
und gerade nur so viel, aber auch nur so wenig Holz
wegzunehmen, daß er eben so frei, sicher und keck ge-
führt, in Stärke und Feinheit eben so abgestuft, wie
ihn die Feder gemacht hat, im Abdruck wieder dasteht.
Freilich arbeiteten nicht alle Formschneider so, und die
handwerksmäßigeren unter ihnen verschlechterten bald aus
Unverstand, bald aus Ungeschick oder Bequemlichkeit, da-
her die oft sehr auffallende Unähnlichkeit in den Holz-
schnitten nach einem und eben demselben Meister, die
noch größer wurde, wenn die Zeichnung nicht auf dem
Holzstock vorgerissen, sondern auf Papier gegeben, oder
gar in einer andern, als der für den Holzschnitt geeig-
neten Manier gemacht war, wo sie sich der Formschneider
erst in diese umzeichuen mußte. Daß es aber an Arbeitern,
welche allen jenen Anforderungen zu genügen vermochten,
nicht fehlte, zeigen insbesondere die Werke, welche Kaiser
Maximilian, der große Patron und Gönner des Holz-
schnitts, durch Dürer, Burgmair und andere Maler
zeichnen ließ, und welche nach den gleichzeitigen, auf den
noch vorhandenen Platten befindlichen Namen und Zei-
chen nicht von ihnen, sondern von verschiedenen Form-
schneidern geschnitten sind. Gerade diese aber, wie Dü-
rer's kaiserliche Ehrenpforte, Burgmair's Triumphzug
Maximilians und öftreichische Heilige gehören zu denje-
nigen Holzschnitten, welche sowohl von Seiten der Ori-
ginalität und des Geistes der Zeichnung, als von Seiten
des Schnitts, von keinen ihrer andern übertroffen wer-
den. Bediente sich also Dürer, der geduldigste und un-
ermüdlichste aller großen Künstler, fremder Arbeiter dazu,
so laßt sich dasselbe doch gewiß noch eher von dem lebens-
lustigern und unsteter« Holbein erwarten. Allerdings
sind in jenen Werken die Dimensionen größer, als in
dem Holbeinschen Todtentanz, und deßhalb scheint unser
Vers, den früher in größerer Allgemeinheit aufgestellten
Satz weiterhin zu beschränken, indem er S. 56 sagt, daß