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predigt nach der Zurücknahme des Edicts von Nantes,
von Henry Schcffer, ein Werk, welches diesem
Künstler einen ehrenvollen Platz neben seinem Bruder
Arv und den 'ersten französischen Malern sichert. Die
in einer Scheune vorgchende Scene ist auf eine pikante
Weise beleuchtet; glückliche Gruppirung der Figuren (mit
Ausnahme des Predigers,' der dem Beschauer den Rücken
wendet), Natürlichkeit des Ausdrucks, Vollendung der
Details und Farbenharmonie, — das Alles vereint, bringt
eine außerordentliche Wirkung hervor. Die meisten Köpfe
sind höchst charakteristisch, wie der des jungen Mannes
im gelben Filz, welcher sich mit dem Ellenbogen aufs
Knie gestüzt, und den Worten des Pfarrers mit gespann-
ter Aufmerksamkeit folgt; ferner der Kopf einer jungen
Frau mit einem Kind auf dem Schooß, ein Gesicht
voll himmlischer Milde und sanfter, irdischer Schwer-
muth, vorzüglich aber der Kopf einer neben dieser jungen
Frau sitzenden Matrone in schwarzem Trauermantel,
welche die Bibel liest. Dieser lezte Kopf kommt hinsicht-
lich der Feinheit und Vollendung einem Terbourg gleich;
man sagt, es sey das Porträt der Mutter des Künstlers.
Dev junge Gasten, der sich in seinem Gefängniß vor
Hunger sterben läßt, von Jacguand, mit Gefühl und
kundigem Pinsel behandelt; der Ausdruck der Hauptfigur,
welche unwillkührlich an einen der »Söhne Eduards" von
P. Delarochc erinnert, ist von einfacher, rührender Wir-
kung; das Beiwerk, die Seiden- und Sammetstvffe, die
Schnitzarbeiten der Bettstelle, die silbernen Teller mit
Früchten, welche ein Page dem sterbenden präsentirt, sind
meisterhaft vollendet; in den Fleischpartien mangelt es
an Weichheit. Die übrigen Genrestücke desselben Künst-
lers: Bassompierre, der Maria von Medicis die Ermor-
dung Heinrichs IV. anzeigend, eine Gruppe von Partei-
gängern der Ligue, in dem Stiegenhaus eines Glocken-
thurms versteckt, und der Tod des Enguerrand von Coucy
zeugen von gewissenhafter Behandlung und gefühlvoller
Auffassung; ein etwas gläsernes Colvrit schadet der Wir-
kung. Rembrandt laßt sich auf seinem Sterbebette zum
leztcnmal seine Schatze weisen, von Dehaussy, ein
Stück, welches in der Wahl des Gegenstandes, wie in
der Anordnung desselben gänzlichen Mangel an Takt und
Schicklichkeit beurkundet. Am allerwenigsten stand es
einem Maler an, jene schmähliche Episode aus dem Leben
Rembrandts, welche wir übrigens bei mehreren Biogra-
phen jenes genialen Künstlers nicht gesunden haben, zu
verewigen. Die Ausführung dieses unglücklichen Gedan-
kens ist total mißrathen; wenn man das sauber gekehrte
Zimmer. die funkelnagelneue Bettstelle mit herrlichem
Schnitzwerk und das reiche Pelzwerk des Sterbenden und
feiner Tochter sieht, meint man, ein alter Geizhalz hätte
sich in Sonntagsstaat geworfen, um den Geist anszugeben.
Lamille Rocgueplan wurde von einem größeren

Schicklichkeitsgefuhl geleitet, als er den Van Dyk malte,
wie er bei seiner Anwesenheit in London die Hofleute
Karls I. traktirt, ein Bild, dessen geistreiche Composilion
und glänzend harmonisches Colvrit die erfreulichste Wir-
kung thun. Diana von Poitiers, dem Jean Gujon in
Gegenwart Heinrichs II. sitzend, von Cibot, ist eine gute
Studie nach der Gruppe des berühmten Bildhauers im
M„see d'Angouleme, als historische Composition jedoch
unbefriedigend, da jede der dargestellten Personen gleiches
Interesse erregt. Sonst bemerkten wir im historischen
Genre: die Befreiung des Prinzen Albrecht von Sachsen
von Canzi, im Allgemeinen lvbenswerth ausgeführt,
etwas unverständlich componirt; Tizian in einer Gondel
im Meerbusen von Venedig spazieren fahrend, von
L'Etang, grau colorirt und eckig gezeichnet; Heinrich IV.
leim Müller Michaud, von Guichard, ohne alle luftige
Perspective, mit einigen gelungenen Köpfen; Luther und
Melanchthon von Ändert, ein Gemälde in dem schwar-
zen, räucherigen Ton älterer Meister, nicht ohne Verdienst
in correcter Zeichnung und fleißigem Studium.

(Die Forts.tzung folgt.)

Derlin, im Juni 1838.

Kürzlich hat hier ein Originalgemälde Correggio's,
von dessen Eristenz in Berlin seither nichts bekannt war,
unter den Künstlern und Kunstfreunden ein sehr lebhaftes
Jntercffe erregt; ich beeile mich. Ihnen über diese merk-
würdige Erscheinung (ich möchte fast sagen: Entdeckung)
kurzen Bericht zu erstatten.

Das Bild befindet sich im Besitz des Hrn. Stadt-
raths Reimer; vor einigen Jahren soll es aus Italien
gekommen seyn. Es ist aus Leinwand gemalt »nd mißt
gegen i; Zoll im Quadrat. Es stellt eine heilige Nacht
dar, indem das Licht, ähnlich wie bei dem bekannten
großen Gemälde zu Dresden, von dem Christuskinde
ausgeht; auch hat es in Einzelheiten der Composition
Aehnlichkeit mit dem Dresdener Bilde, ist im Ganzen
aber so abweichend, daß es auf keine Meise als eine
Skizze zu diesem betrachtet werden darf. Im Gegentbeu
ist die Malerei mehrfach übergangen und die ganze Be-
handlung, wenngleich leicht, doch so vollendet, baß
das Bild für mehr als einen bloßen Entwurf zu halten
berechtigt ist.

Wie auf dem Dresdener Bilde, so sieht man a»ch
hier in der Mitte die Krippe stehen, in welcher der Saug
ling liegt, dahinter die Mutter, welche, ganz in Äftnl****
Bewegung, die Arme um das Kind breitet. Diese ga»i'
Haltung des Oberkörpers der Madonna ist dieselbe (">'
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F. Kugler: Berlin im Juni 1838.
 
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