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231

in entgegengesezter Bewegung) wie aus dem Dresdener
^Üde; alles Uebrige der Komposition aber ist abweichend.
Zur Seite der Krippe wird mehr von der Gestalt und
von den Beinen der Maria sichtbar als dort, so daß sich
^ic schöne Bildung und die leichte Lage des Körpers
seeier vor dem Auge des Beschauers entwickelt. Das
^iud ist fast ganz unbekleidet und reizend bewegt. Auf
bkr andern Seite (wo auf dem Dresdener Bilde die Frau
"'it den Tauben steht), sind hier zwei Engelknaben, die
^ik neugieriger Naivetät das Christkind betrachten; im
^vrgrunde (statt des stehenden alten Hirten) sizt ein
l"nger jpirt, der einen Ziegenbock auf dem Schovße halt
»nd ebenfalls nach der Krippe hinüberblickt. Die Wolken

den Engeln, vbcrwärts, sind hier nicht vorhanden.
-jm Hintergrund, in der Thüre des Stalles, bemerkt
Wan Joseph mit dem Esel, aber wiederum in anderer
Stellung als wie aus dem großen Bilde. Durch die Tbür
fteht man ins Freie hinaus; über den Bergen dämmert

Morgen.

Die Lichtwirkung in diesem kleinen Bilde ist im
Ochsten Grade meisterhaft. 2« den reichhaltigsten Ab-
ftusungen verbreitet sich das Licht über die umgebenden
Gegenstände. Das Kind erscheint wie in Lickt getaucht,
das Gesicht der Mutter, welche sich über dasselbe neigt,
ü'ic von blendendem Glanze Überflossen; in den dunkelsten
Partien webt und spielt das Licht fort, so daß man überall
eine volle, kräftige Farbe, nirgends ein stumpfes Schwarz
»der Grau erkennt. Eben so sind die Farben selbst durch-
weg von einer reinen, gesättigte» Schönheit, und stehen
in wunderbarer Harmonie zu einander. Dabei alhmet
jede Gestalt, jeder einzelne Körpertheil derselben, das
feinste, zarteste Lebensgefühl. Es gibt nichts Reizvolleres,
als dies mit Händchen und Füßchen sich lebhaft bewegende
Kind, dessen Anmuth durch die Verkürzung, in der man
es sieht, aus keine Weise beeinträchtigt ist; eben so an-
wulhig ist der vordere der beiden Engelknaben, der sich
öu dem Kinde hinüberbeugt. Die Gestalt, die ganze
Bewegung der Maria ist voll der holdseligsten Grazie.
Einen kräftigen Contrast bildet hiegegen die energische,
glühende Gestalt des jungen Hirten im Vorgrunde,
ist unbegresslich, wie Correggio alles dies mit den
dichten, breiten Stricken, mit denen das ganze Bild
»'Walt ist, hervorzubringen im Stande war.

Was aber diesem Bilde vor so vielen Arbeiten seiner
Hand (denen allen es in Bezug auf die Malerei selbst
8l,i* zu sieben scheint) einen großen Vorzug gibt, das
W b«s schöne, gediegene Maß im Ausdruck des Gefühls,
"'^ches hier überall durchgeht. Die Compvsition ist durch-
aus ruhig, voller Würde und Adel; die Gestalten ent- >
Wickel» sich klar und einfach, ohne alle gesuchten Ver-
ätzungen; keine einzelne Geberde ist hier in einem sol-

cken Maße gesteigert, daß sie etwa an Manier streifte
oder wirklich dazu würde, — was man doch sonst bei der
Betrachtung von Correggio's Gemälden nicht gar selten
zu überwinden hat, um zu dem Genüsse seiner eigen-
thümlichen Vorzüge zu gelangen. Es ist vielmehr durch-
weg eine Unschuld in dieser Grazie, welche man in der
That als das Ergebniß der glücklichsten Stunde betrachten
darf. — Als einen andern Vorzug muß ich auch den
Umstand hervorhebcn, daß das Bild nur sehr wenige
Retoucken, keine in den sämmtlichen Haupttheilen der
Composition, hat, daß man vielmehr fast überall noch
die ursprüngliche Pinselführung verfolgen kann, daß fast
durchweg die Farbe noch in ihrer ganzen ursprünglichen
Kraft wirkt.

Ueber die Originalität eines Bildes von so ganz
entschiedenen Vorzügen kann kein Zweifel obwalten; auch
ist von Allen, die dasselbe neuerdings gesehen haben —
Künstlern und Kunstsorschern — so viel mir bekannt,
kein Zweifel ausgesprochen worden. Schwieriger dürste cs
scpn, die Stelle, welche das Bild in dem Entwickelungs-
gange des Meisters einnimmt, namentlich das Verhältniß
zu dem großen Dresdener Bilde, zu bestimmen. Der
einfachen Compositivn wegen möchte man zunächst geneigt
sepn, das in Rede stehende Bild für ein Vorstudium zu
diesem zu betrachten; erwägt man aber die große Rein-
heit und Vollendung der Compositivn, die in der That
erhebliche Vorzüge im Vergleich mit der Cvmpositon des
großen Bildes hat, so darf man wohl, wie es scheint,
mir besserem Grunde annehmen, daß Correggio das kleine
Bild nach jenem gemalt und daß er hierin sich selbst zu
mäßigen und zu läutern versucht habe. Beiläusig be-
merke ick, daß noch von verschiedenen Skizzen oder ähn-
lichen kleinen Bildern der heiligen Nacht, als Originalen
Correggio's, berichtet wird; doch reichen die Mittel, die
ich eben zur Hand habe (das Bedeutendste im zweiten
Bande zu Füßli's Künsilerlerikon) nicht aus, um auch
über diese, und ob das besprochene Bild etwa mit Einem
von ihnen identisch scy, etwas zu bestimmen.

Jedenfalls ist hier, im kleinen Raum, das ganze
Geheimniß der Kunst der Malerei beschlossen, und ich
darf somit wohl den Wunsch hinzufügen, daß ein solches
Meisterwerk ersten Ranges dem Vaterlande, dereinst
an öffentlicher Stelle, erhalten bleiben möge.

F. Kugler.
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