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2tz 20.

Kunstblatt.

Donnerslag, den 11. März 18-11.

Kleber das Werk des Grafen August de Dastard
zur Geschichte der Miniaturmalerei des Mit-
telalters.

Der Graf August de Bastard war kürzlich in Berlin
und gestattete den Freunden der Kunstgeschichte eine
Ansicht der bis jetzt vollendeten Blätter seines pracht-
vollen und schon mehrfach erwähnten Werkes, welches
den Titel führt! Peintures et Ornements des Manuscrits
classds da,>s l’ordre chronologicfue pour servir ä l’hi-
Stoire des arts du dessin depuis le l\'e siecle de l’ere
clirtkienne jusqu’ä Ia fin du XVIr. Vielleicht ist cs für
die Leser dieser Blätter nicht uninteressant, einige nä-
here Angaben über die Absichten des Herausgebers und
über die großartige Ausführung derselben zu erhalten.

Das von dem Grafen de Bastard unternommene
Werk eröffnet, wie cs mir scheint, für die Geschichte
der Kunst eine ganz neue Behandlungsweise; es gibt
ihr eine Grundlage, durch welche allein dieses Fach der
Wissenschaft in seiner höchsten und wahrsten Bedeutung, —
in seinem so unendlich wichtigen Verhältnisse zur Ent-
wickelungsgeschichte des menschlichen Geistes, dem letzten
Ziele aller historischen Wissenschaft, — hcrgestellt werden
kann. Zwar behandelt das genannte Werk, wie oben
angcdeutet, nur- einen einzelnen Abschnitt der Kunst-
geschichte, den des Mittelalters; doch ist gerade dieser
Thcil, was unsre bisherigen Kenntnisse anbetrifft, so
schwierig, so dunkel, so räthselhaft — ans der andern
Seite aber, rücksichtlich der mannigfach durcheinandcr-
spielenden Volksthümlichkciten, rücksichtlich der verschieden-
artigen Weise, wie neue Culturvcrhältnisse sich aus denen
einer untergegangenen Welt entfalten, von so eigen-
thümlicher Bedeutsamkeit, daß gerade durch seine Auf-
klärung der Culturgcschichte ein höchst wesentlicher Dienst
geleistet wird.

Die Idee des 'Werkes an sich scheint freilich sehr
einfach: cs besteht zunächst eben nur aus einer Reihe

bildlicher Darstellungen, welche die Kunstwerke verschie-
dener Völker und Zeiten der genannten Epoche getreu
vergegenwärtigen. Wenn eine solche Weise der Samm-
lung und Vergegenwärtigung schon im Allgemeinen
mannigfaches Interesse darbietet, so wird sie jedoch ihre
höhere wissenschaftliche Bedeutung erst durch wissenschaft-
lich begründete Anordnung und Auswahl erhalten können.
Eine Auffassung dieser Art tritt aber, nach den zahl-
reichen Proben zu urthcilen, durchweg an dem Werke
des Grafen de Bastard hervor. Nicht nur sind die cin-
zclnen Darstellungen überall den wichtigsten Denkmälern
entnommen; nid)t nur spricht sich an ihnen bestimmt
das Allgemeine des historischen Entwickelungsganges aus;
auch die feinsten volksthümlichen Unterschiede treten in
ihnen, der gewählten Anordnung gemäß, dem Auge des
Beschauers entgegen, und gerade diesen Punkt mit großer
Schärfe und Bestimmtheit verfolgt und klar gemacht zu
haben, ist, wie cs mir scheint, eins der vorzüglichsten
und eigensten Verdienste des Herausgebers. Wir sehen
in diesen Blättern, wie in einem Spiegel, die charakte-
ristischen Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Völker,
welche die neuere Geschichte Europas gegründet haben,
vor uns; die Weise, wie sic die Erscheinungen des Lebens
aufgefaßt und sich zu eigen gemacht haben, die besondere
Richtung ihres Gefühles und ihrer Gedanken, tritt u»S
hier lebendig und körperlich entgegen. Neben dem be-
deutsamen Verharren der byzantinischen Kunst an ent-
schieden antiker Darstellungsweisc (vornämlich bis zum
I3tcn Jahrhundert), machen sich die Eigenthümlichkeiten
der angelsächsischen, der französischen, der deutschen, der
italienischen Kunst u. s. w. auf's Entschiedenste bemcrklich.

Daß der Herausgeber für diesen Zweck nur Hand-
schriftbilder ausgewählt hat, ist ihm nicht als eine ein-
seitige willkürliche Beschränkung anzurechnen. Fast im
ganzen Laufe des Mittelalters ist, so viel wir irgend
aus den vorhandenen Monumenten urtheilen können,
die bildliche Darstellung auf dem Pergamentblatte, auf
der Tafel, an der Kirchenwand dieselbe, und erst in
Register
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